Den Krach seines Rasenmähers hätte ein 84-Jähriger letztes Jahr in Colditz fast mit dem Leben bezahlt. Nun entschied das Leipziger Landgericht: Der Gartennachbar, der dem Senior mit einem Messer in den Rücken stach, hat sich eines versuchten Mordes schuldig gemacht und muss für sechs Jahre hinter Gitter. Der Vorsitzende Richter redete dem Angeklagten ins Gewissen.

Alfred S. (61) ist schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und muss daher für sechs Jahre in den Strafvollzug, trägt außerdem die Verfahrenskosten. Dies entschied das Landgericht Leipzig am Freitag. Für die Kammer hatte sich nach mehrtägiger Verhandlung bestätigt, dass der angetrunkene Alfred S. am Morgen des 29. Juli 2023 in einer Colditzer Kleingartenkolonie mit einem Messer in den Rücken seines Gartennachbarn Lothar T. (84) gestochen hatte, dessen Parzelle nur etwa 20 Meter entfernt lag.

„Ein Fall, über den man nur den Kopf schütteln kann“

Es war reines Glück, dass der etwa 3 cm tiefe Stich keine inneren Organe traf und es zu keiner lebensbedrohlichen Verletzung beim betagten Opfer kam. Zudem reagierte der 84-Jährige geistesgegenwärtig, indem er dem Angreifer eine Flasche Bier in die Hand drückte und sich dann aus eigener Kraft entfernte, ein weiterer Gartennachbar wählte den Notruf. Alfred S. wurde wenig später von der Polizei festgenommen.

Motiv seiner unfassbaren Tat war offenbar, dass ihn das Betriebsgeräusch vom Rasenmäher des Geschädigten störte, der eigentlich im Begriff war, nur noch fix die Wiese zu bearbeiten und dann seinen Urlaub anzutreten. Körperlich habe er keine Einschränkungen mehr, träume aber nachts manchmal noch von dem Vorfall, hatte der 84-jährige Rentner im Zeugenstand angegeben.

„Es ist ein Fall, über den man nur den Kopf schütteln kann. Sie haben aus vollkommen nichtigem Anlass versucht, einen Menschen zu ermorden“, hielt der Kammervorsitzende Johann Jagenlauf dem Angeklagten vor. Strafmildernd wurde ihm allerdings zugutegehalten, dass er die Tat, auch wenn ihm die Erinnerung nach eigenen Angaben fehle, nicht abstritt, sich am ersten Prozesstag direkt beim Opfer entschuldigte und Reue zeigte.

Zudem hatte der forensische Psychiater dem laut Gutachten einfach strukturierten, aber nicht psychisch kranken Alfred S. einen mittelgradigen Rausch mit geschätzt drei Promille attestiert, der zu einer verminderten Steuerungsfähigkeit geführt habe.

Schwurgericht sieht Tötungsplan als erwiesen

Der gelernte Dreher, der vor seiner Verrentung im Baugewerbe tätig war, hatte gemeinsam mit einem Bekannten seit dem Vorabend in der Gartenlaube wieder reichlich alkoholische Getränke gebechert, sich dabei offenbar in eine Aggression hineingesteigert, gar mit Mord gedroht. „Dieser Alkohol hat etwas bei Ihnen nicht unbedingt zum Positiven verändert“, so der Richter zum Angeklagten, der nach eigener Aussage bereits seit der Jugend trinkt. Im vergangenen Jahr war er wegen eines Faustschlags vor einer Colditzer Kneipe im August 2022 verurteilt worden.

Die Kammer äußerte keinerlei Zweifel daran, dass Alfred S. tatsächlich den Vorsatz gefasst hatte, seinen Parzellennachbarn zu töten. Dabei habe er aus niedrigen Beweggründen gehandelt, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt, das zum Zeitpunkt der Attacke mit dem Rücken zum Angreifer stand.

Verteidigung kĂĽndigt Rechtsmittel an

Die Verteidigung hatte das anders gesehen und auf ein bewährungsfähiges Strafmaß wegen gefährlicher Körperverletzung plädiert. Rechtsanwältin Rita Belter kündigte nach dem Urteil, welches der Forderung von Anklägerin Katharina Thieme entsprach, denn auch eine Revision an. Somit ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig.

Für die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sah das Schwurgericht allerdings keine Voraussetzungen gegeben. Auch der Psychiater hatte die Erfolgsaussichten einer solchen Maßnahme in seinem Gutachten eher zurückhaltend bewertet. Trotzdem gäbe es Hoffnung, dass Alfred S. jetzt und in der längeren Haftzeit zur Besinnung komme, schloss der Kammervorsitzende die Verhandlung ab. Und es bleibe dabei: „Sie haben aus aberwitzigen Gründen den Versuch unternommen, einen Menschen zu töten.“

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