Der Vorsitzende Richter machte ihm zum Prozessauftakt mehr als deutlich, dass es aus seiner selbst verschuldeten Lage kein Entrinnen gibt. Am Donnerstag nun räumte Diyar G. (23) über seinen Verteidiger die Anklagevorwürfe ein: Die „Sache tue ihm leid“, ließ er erklären – er ist derjenige, der vor einem halben Jahr eine ihm völlig unbekannte Frau nachts an der Angerbrücke angriff und sie vergewaltigte.

Auf älteren Fotos im Internet präsentiert er sich als gut gekleideter und wohlsituierter Gentleman. Doch der zurückhaltend und gepflegt wirkende Dyiar G. bestätigte mit seinem Geständnis am Donnerstag vor dem Landgericht Leipzig den schlimmen Tatverdacht: „Ich möchte mich bei der Geschädigten entschuldigen, der Tatvorwurf stimmt“, heißt es in einer Erklärung, die sein Verteidiger Jürgen Kohlen vor der 8. Strafkammer verlas.

„Aus heutiger Sicht tut mir die Sache leid“

Damit gibt es faktisch keinerlei Zweifel mehr an der Täterschaft von Diyar G., der laut Anklage der Staatsanwaltschaft am frühen Morgen des 18. August 2023 an der Angerbrücke zuschlug: Gegen 2 Uhr wurde die 58-jährige Martina S. (Name geändert), während sie auf ihre Tram wartete, plötzlich gepackt, auf eine Grünanlage des angrenzenden Straßenbahnhofs gezerrt und dort unter Anwendung von Schlägen und Würgen vergewaltigt.

„Aus heutiger Sicht tut mir die Sache leid“, ließ der Angeklagte seinen Anwalt erklären. Im Geständnis stellte sich der 23-jährige Diyar G., der erst wenige Wochen vor der Tat aus seiner Heimatstadt im Nordwesten des Irans via Polen über die Grenze nach Deutschland gekommen war und zunächst ein Quartier in Frankfurt/Oder fand, als jungen Mann ohne sexuelle Erfahrung dar, der nie vorhatte, Straftaten zu begehen.

Er wolle in der Bundesrepublik studieren, den Iran habe er aufgrund politischer Unruhen und Lebensgefahr verlassen, in Deutschland Asyl beantragt.

Vorführung des Angeklagten im Landgericht. Foto: Lucas Böhme
Ein Justizwachtmeister bringt den Angeklagten Diyar G., der seit seiner Festnahme in U-Haft sitzt, in den Gerichtssaal. Foto: Lucas Böhme

Die massiven Verletzungen will Diyar G. seinem Opfer erst nach der Vergewaltigung zugefügt haben – aus Verärgerung, die sich aus einer Alkoholisierung und der Sprachbarriere ergab, behauptete Diyar G. weiter.

Befragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Dem widersprach allerdings eine Kriminalbeamtin (58) des für Sexualdelikte zuständigen Leipziger Kommissariats im Zeugenstand, die das Opfer unmittelbar nach dem Verbrechen per Video befragt hatte: Demnach sei die Geschädigte aufgrund ihrer Gegenwehr vom Täter brutal traktiert worden, unter anderem war von einem Faustschlag Richtung Auge die Rede. Dem Opfer sei es schwergefallen, über das Erlebte zu sprechen. „Ich hatte den Eindruck, dass sie sich schon schämt“, so die vernehmende Kriminalistin.

Auch Martina S. selbst, die sich in der Tatnacht auf der Heimkehr von einem Festival außerhalb Leipzigs befand und zum Zufallsopfer wurde, musste am Donnerstag mit Begleitung den schweren Gang auf den Zeugenstuhl antreten. Zum Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre schloss die Kammer die Öffentlichkeit von der Anwesenheit im Gerichtssaal aus, solange die Befragung lief. Diese wurde aufgrund des Geständnisses von Diyar G. zumindest wesentlich abgekürzt.

Letztlich sei ein solcher Umstand auch so ziemlich der einzige auf weiter Flur, der Diyar G. gegebenenfalls noch eine gewisse Strafmilderung verschaffen könne, hatte der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr dem jungen Mann auf der Anklagebank bereits zum Prozessauftakt vor zwei Tagen ins Gewissen geredet: Es spräche aufgrund der erdrückenden Beweislage aktuell alles dafür, dass der kurz nach der Tat vor Ort festgenommene Mann für lange Zeit hinter Gitter müsse.

Einzig das genaue Strafmaß läge noch ein Stück weit in seiner Hand. Und: „Irgendwelche Pläne, die Sie in Deutschland haben, interessieren uns nicht.“

Opfer bis heute traumatisiert und eingeschränkt

Die Knallhart-Ansage von der Richterbank fruchtete offenbar: Nach einer längeren Unterredung des Verteidigers mit seinem Mandanten in der Haftzelle am Donnerstagmorgen, die den Prozess später als geplant starten ließ, folgte das Geständnis. Staatsanwältin Yvonne Kobelt hatte durchblicken lassen, dass ein Freiheitsentzug von weniger als sechs Jahren für sie auf keinen Fall infrage kommt.

Das Opfer des brutalen Verbrechens sei bis heute traumatisiert und in psychologischer Behandlung, habe Schlafstörungen und traue sich nachts aus Angst nicht mehr aus der Wohnung, heißt es in der Anklageschrift.

Für den Prozess sind jetzt noch zwei Verhandlungstermine vorgesehen, an denen unter anderem ein medizinisches Gutachten erstattet werden soll. Mit einem Urteil wird für den 15. März gerechnet.

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