Er überfiel nachts in Grünau eine 19-jährige Frau und nötigte sie zu sexuellen Handlungen, wurde kurz danach gefasst und wegen Vergewaltigung angeklagt. Doch inzwischen stellte sich heraus: Mohammad A. (22) kann wegen einer psychischen Erkrankung für seine brutale Tat nicht bestraft werden. Am Freitag entschied das Landgericht Leipzig nun, wie es stattdessen mit dem jungen Mann weitergeht.

Rund neun Monate nach einem nächtlichen Übergriff an der Grünauer Allee im Leipzig, bei dem eine junge Frau (19) zu sexuellen Handlungen genötigt wurde, schickte das Landgericht Leipzig den Verantwortlichen am Freitag auf unbestimmte Zeit zur Behandlung in ein psychiatrisches Krankenhaus: Wegen einer schizoaffektiven Störung gilt der 22-jährige Mohammad A. als schuldunfähig und muss daher nicht in den regulären Strafvollzug.

Nächtlicher Übergriff im Juni 2023

In einer Erklärung, die sein Verteidiger Tommy Kujus am Freitagmorgen im Landgericht verlas, räumte der Verdächtige ein, dass die gravierenden Vorwürfe der Staatsanwaltschaft vollumfänglich zutreffend seien. Demnach hatte Mohammad A. am frühen Morgen des 23. Juni 2023 gegen 2:35 Uhr an der Grünauer Allee die 19 Jahre alte Maria T. (Name anonymisiert), die aus dem Nightliner ausgestiegen war, zunächst angesprochen und nach einer Bahn gefragt.

Anschließend habe er das Opfer gepackt, mit seinem Körpergewicht auf einer nahen Wiese zu Boden gebracht und gegenüber Maria T. die Worte „Ich fick’ dich“ geäußert, sie gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen.

Danach verschwand er unerkannt, das geschockte Opfer blieb zurück. Maria T. leidet bis heute psychisch unter den Auswirkungen der Tat, musste geplante Klausuren verschieben und ängstigt sich immer noch davor, allein zu sein. Eine Vernehmung vor Gericht blieb ihr wegen des Geständnisses von Mohammad A. immerhin erspart.

Fachgutachter geht von psychischer Erkrankung aus

Der in Leipzig gemeldete Mann war aufgrund gesicherter DNA-Spuren an Maria T. schnell unter Verdacht geraten und konnte eine Woche nach der Tat in Hamburg gefasst werden. Im Lauf der Ermittlungen gegen den 22-Jährigen kam es aber dann zu einer Wendung: „Es stellte sich heraus, dass er möglicherweise schuldunfähig ist“, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr am Freitag. Der Haftbefehl wurde aufgehoben und Mohammad A. in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Denn nach dem Befund des forensischen Psychiaters, der mit Mohammad A. zwei längere Gespräche in der Haftanstalt führte, weise der Afghane eine schizoaffektive Störung auf. Depressive Episoden, in denen er sich eher zurückziehe, wechselten sich bei ihm mit Phasen von Aggression, Triebhaftigkeit, Größenwahn und gesteigerter Enthemmung ab. In einem solch „schizomanischen“ Zustand habe Mohammad A. denn auch Maria T. überfallen.

Für die Behörden war er schon vorher kein Unbekannter: Aktenkundig sind etwa Vorfälle von Diebstahl und Beleidigung, bei denen Mohammad A. Polizeibeamte wiederholt anging und bedrohte, sich dabei fälschlich als hochrangiger Polizist ausgab. Bei anderer Gelegenheit soll er sich unter anderem als „schwarzer Nazi“, Liebhaber von Menschenfleisch und märchenhaft reich vorgestellt haben.

Verdächtiger berichtete von Fluchtgeschichte

Mohammad A. war nach eigenen Angaben im Jahr 2015 als Teenager aus seiner afghanischen Heimat geflohen, der Vater habe nicht gewollt, dass sein Sohn Taliban werde. Auf der Flucht wurde er nach eigener Aussage von seinen Eltern getrennt, kam zunächst nach Chemnitz und dann nach Leipzig. Hier habe er Deutsch gelernt, in betreuten WGs gelebt, die Realschule abgeschlossen und das Fachabitur angestrebt.

Nach einem Eklat mit seinem Lehrer, der ihn rassistisch beleidigt haben soll, habe er die Schule jedoch abgebrochen und später eine Ausbildung bei den LVB geschmissen, ein Job als Taxifahrer soll wegen seiner Verhaftung nicht mehr zustande gekommen sein.

2021 seien bei dem jungen Mann erste Symptome einer Depression aufgetreten, auch habe er Halluzinationen gehabt und Stimmen gehört, sich beobachtet gefühlt, erklärte der Gutachter. Mittlerweile, so sprach Mohammad A. am Freitag vor dem Landgericht leise ins Mikrofon, fühle er sich dank verabreichter Medikamente stabiler. Die von ihm begangene Tat könne er leider nicht rückgängig machen, ließ er seinen Anwalt erklären.

Täter gilt aktuell weiterhin als gefährlich

Nach Überzeugung des Sachverständigen müsse Mohammad A. zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin als gefährlich gelten, solange sein Krankheitsbild unbehandelt bliebe, die Gefahr eines Rückfalls sei real. Längerfristig bestünden aber durchaus Chancen, das Krankheitsbild durch entsprechende Medikamente beruhigen zu können.

Dem Gutachten folgend, schickte die 8. Strafkammer Mohammad A. am Freitag zum Schutz der Allgemeinheit auf unbestimmte Zeit in eine geschlossene psychiatrische Klinik. Damit wird sein Zustand in Zukunft regelmäßig überprüft. Ob und wann er wieder in Freiheit gelangt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar – anders als bei einer zeitlich befristeten Haftstrafe.

Die Entscheidung ist bereits rechtskräftig. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten mit der notwendigen Unterbringung übereingestimmt.

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