Er gilt als gemeingefährlich: Ein unter anderem wegen versuchten Mordes zu langer Haft plus Sicherungsverwahrung verurteilter Tätowierer und Pornodarsteller wehrte sich juristisch und bekam teils recht – aber anders als gedacht. Wegen eines verschärften Gesetzes hob das Landgericht nun die Unterbringung in einer Entzugsanstalt auf, dagegen droht dem 32-jährigen Christian F. weiterhin Sicherungsverwahrung nach dem verbüßten Strafvollzug.
Bruno war eine Zeichentrickfigur der TV-Reklame. Das Werbemaskottchen eines Tabakherstellers, bekannt auch als HB-Männchen, fiel damit auf, nach anfänglich guter Laune eine harmlose Alltagssituation zur Katastrophe zu steigern und zu explodieren, bis eine Stimme kommentierte: „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Daran fühle man sich erinnert, wenn man sich die desolate Biografie und die Straftaten von Christian F. anschaue, meinte der Vorsitzende Richter Hans Weiß am Dienstag.
Bundesrichter hatten Alkoholentzug aufgehoben
Christian F. war vor fast zwei Jahren neben weiterer Delikte wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Vergewaltigung verurteilt worden: Demnach hatte der zeitweise obdachlose Tätowierer und Pornodarsteller 2022 einen Kumpel in dessen Wohnung in der Georg-Schwarz-Straße mit Schlägen und Messerstichen fast getötet, weil der damals 64-Jährige keine Zigaretten herausgab.
Dann versuchte Christian F. nach Drohungen und Übergriffen, seine Freundin unweit vom Leutzscher Rathaus zu vergewaltigen. Eine zur Nachtzeit zufällig vorbeifahrende Streifenbesatzung griff ein und nahm den aggressiven Mann mit Verstärkung fest. Dieses Tatgeschehen und die Schuldfrage waren nicht mehr Gegenstand des letzte Woche gestarteten Prozesses. Gegen das Urteil, insgesamt 13 Jahre plus Sicherungsverwahrung, hatte der Bundesgerichtshof keine Bedenken.
Jedoch kippten die Bundesrichter den Alkoholentzug, den Christian F. hätte durchlaufen sollen: Der Gesetzgeber hatte die Hürden für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Sommer 2023 höher gesetzt. Zum Zeitpunkt des Urteils Ende Mai konnte die Kammer dies noch nicht einkalkulieren. Daher war auch die Sicherungsverwahrung neu zu prüfen.
Angeklagter laut Gericht derzeit weiterhin gefährlich
Dass der neue Richterspruch gegen die Entziehungsmaßnahme und für die Sicherungsverwahrung habe ausfallen müssen, sei tragisch, so der Vorsitzende: Beim ersten Urteil habe die Kammer vor zwei Jahren das ausgesprochen, was der massiv vorbestrafte Christian F. jetzt wolle, nämlich die Haftunterbrechung zum Alkoholentzug: „Das geht heute nicht mehr.“ Laut neuer Richtlinien muss für die Maßregel des Alkoholentzugs eine erhöhte Erfolgsaussicht nachgewiesen sein.
Im Fall Christian F. stehe entgegen, dass Alkohol und Rauschmittel zwar auch bei seinen letzten Taten eine Rolle als Verstärker spielten, die Wurzel des Problems aber in der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten liege. Der gebürtige Dessauer, der seit 2009 wiederholt vor Gericht stand, müsse aktuell als Gefahr für die Gesellschaft gelten.

Zum Ende des ersten Prozesses am Leipziger Landgericht war der damals 30-Jährige bei der Urteilsverkündung ausgerastet, hatte eine Sprechanlage zur Richterbank geschleudert und mit Mord gedroht. In der Leipziger U-Haft griff der Mann 2022 eine Krankenschwester an, soll gar eine Geiselnahme angedroht haben.
Gefängnis berichtet von vorsichtig positiver Tendenz
Einem aggressiven Ausfall wurde jetzt mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen im Gerichtssaal vorgebeugt: Plexiglas gegen Übergriffe, bis zu fünf Justizbeamte als Bewacher. Christian F. verhielt sich ruhig, was auch den Vorsitzenden zur Bemerkung brachte: Zwischen dem ersten Verfahren 2023 und heute lägen „nicht nur zwei Jahre, sondern Welten.“ Seinerzeit hatte der Angeklagte die Vorwürfe weitgehend bestritten und fälschlich seine Freundin als Täterin hingestellt, die seinen Kumpel brutal zugerichtet habe.
Auch wenn die Aufarbeitung seiner Gewalttaten gemeinsam mit ihm noch bevorstehe, hatten Bedienstete berichtet, dass Christian F. in der JVA Torgau seit 2024 vorsichtig positive Tendenzen zeigt: Medikamenteneinnahme, Schulbesuch, Gespräche mit der Psychologin, Familienkontakt. Das mache Hoffnung, könne aber die eingeschliffenen 16 Jahre von Alkohol- und Drogenmissbrauch, hemmungsloser Gewalt und Prostitution nicht mal eben beseitigen, stellte der Vorsitzende klar.
Die Sicherungsverwahrung würde bedeuten, dass Christian F. nach Absitzen der langen Haft eingesperrt bleibt. Ob und wie lange es dazu kommt, habe der Angeklagte selbst in der Hand.
Angeklagter: Möchte an mir arbeiten
Die Kammer folgte mit ihrem Urteil der Sicht von Staatsanwältin Karin Schultrich. Auch Pflichtverteidigerin Pamela Pabst widersprach im Plädoyer nicht, appellierte vielmehr an ihren Mandanten: Er möge „alle Kraft und Energie in die Waagschale werfen“, einen Weg einzuschlagen, der ihm vielleicht nochmal die Chance auf ein normales Leben gibt.
Der an Mukoviszidose erkrankte Christian F., der schon früh Gewalt durch den Stiefvater erfuhr, als Teenie nach eigener Auskunft im Stricher-Milieu und auch später bei verschiedenen Männern landete, beteuerte im Schlusswort, eine Therapie machen und straffrei leben zu wollen. Er wisse um seine Probleme: „Aber ich möchte mein Leben nicht in der Sicherungsverwahrung verbringen.“
Gegen diese kann erneut Revision eingelegt werden.
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