Alexander Gauland, Bundessprecher der AfD, hat am vergangenen Samstag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)“ einen Gastbeitrag geschrieben: „Warum muss es Populismus sein?“. Was in diesem zu lesen ist, kann niemanden überraschen: Das gesellschaftliche Leben wird beherrscht und bestimmt von abgehobenen, Englisch sprechenden, in Großstädten lebenden, global vernetzten Eliten in Medien, Parteien, Universitäten, Unternehmen, NGOs.

Diese „globalisierte Klasse“ lebt in einer „abgehobenen Parallelgesellschaft“, die sich weder um die Probleme des ortsansässigen Mittelstands noch um die Sorgen und Ängste der „einfachen Menschen“ kümmert, die nicht international unterwegs sind. Diese Eliten sind heimatlos und haben darum kein Verständnis für die Sehnsucht vieler Menschen nach Übersichtlichkeit und Heimat.

Aufmerksame Historiker haben festgestellt, dass wesentliche Teile des Gauland-Textes frappierend einer Rede Adolf Hitlers ähneln, die dieser 1933 vor Arbeitern in Berlin-Siemensstadt gehalten hat (https://www.tagesspiegel.de/wissen/populismus-beitrag-in-der-faz-twitter-user-entdeckt-parallelen-zwischen-gauland-text-und-hitler-rede/23165376.html).

Nun verteidigt sich Gauland damit, dass er von dieser Rede keine Kenntnis gehabt habe. Das nehme ich ihm sogar ab – es sei denn, dass der Artikel von einem der Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion geschrieben worden ist, die die AfD zu einer völkisch-nationalistischen Partei in der Tradition der NSDAP trimmen wollen. Eigentlich ist es aber völlig unerheblich, ob Gauland sich als AfD-Vorsitzender in Reden Hitlers vertieft – so wie zu vermuten ist, dass Björn Höcke täglich vor dem Spiegel steht und Goebbelssche Körpersprache zu imitieren versucht.

Entscheidend ist etwas anderes: Der Vorsitzende einer rechtsradikalen Partei wie Pegida/AfD kann in einem programmatischen Beitrag gar nicht anders argumentieren als vor 85 Jahren die Nationalsozialisten um Adolf Hitler. Denn die völkisch-nationalistischen Ziele, die die AfD verfolgt, kommen denen der NSDAP sehr nahe. Dem dienen die Relativierungen und Verharmlosungen der NS-Zeit in vielen Äußerungen führender AfD-Politiker.

Insofern kann man Gauland für diese Klärung nur dankbar sein. Jeder, der jetzt noch mit dem Gedanken spielt, AfD zu wählen, kann sich nicht mehr herausreden. Er und sie können und müssen wissen, dass die AfD eine demokratiefeindliche Partei ist und Ziele verfolgt, die allen Grundwerten der Verfassung widersprechen – zumal wir heute auf eine historische Vorlage blicken können.

Jedem und jeder sollte bewusst sein, dass die AfD sich genauso wenig um Achtsamkeit und Empathie für die Abgehängten und Nichtbeachteten in der Gesellschaft kümmert wie einstmals die NSDAP. Ihr geht es allein darum, durch den von Gauland beschworenen „Populismus“ ein gesellschaftliches Klima zu erzeugen, in dem störende Menschengruppen – mit welchen Mitteln auch immer – ausgegrenzt werden können, um sich der eigenem Bevölkerung als Kanonenfutter für den nationalistischen „Heimatschutz“ zu bedienen.

Dieser realen Gefahr müssen alle Bürgerinnen und Bürger tatkräftig entgegentreten, die weiter in einer freiheitlichen, pluralen, rechtsstaatlichen Demokratie leben wollen.

180 Jahre deutsch-nationale AnscheiĂźerei: Leo Leu ĂĽber die Lehrer-denunzier-Seite der AfD

Leo Leu ĂĽber die Lehrer-denunzier-Seite der AfD

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Es gibt 2 Kommentare

Sehr geehrter Herr Wolff, es ist ein probates Mittel, auf der einen wie der anderen Seite, den Feind auĂźen zu suchen. Anstatt sich selbst, im Inneren zu befragen, welchen Anteil man/frau daran hat, dass es so ist, wie es ist. Und: worum es tatsächlich geht, in welche LĂĽcke, welchen Mangel ein Gauland springt. Die Wut, den Zorn der Menschen zu ignorieren oder zu diskeditieren, anstatt ihn ernst zu nehmen, ihnverstehen zu wollen und MIT den (vielen) WĂĽtenden darĂĽber zu sprechen (statt ĂĽber sie), unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, worĂĽber sich so trefflich politisch korrekt aufregen lässt. Wer versucht, sich (bĂĽrgerschaftlich) zu engagieren, fĂĽr die Dinge, die wirklich wichtig sind, donnert meist ĂĽber kurz direkt mit dem Kopf gegen eine Wand aus Ignoranz, Macherhaltsopportunismus und fantasiertem Größenselbst der politischen und Verwaltungskader. FrĂĽher (in der DDR) gab es mal eine Kirche, die ein Ort der Begegnung und des Engagemnts war, aber das ist leider auch dahin. Je mehr die Menschen in und mit ihrer seelischen Verlassenheit allein gelassen werden, um so anfälliger werden sie fĂĽr VerfĂĽhrung, politischer und der der Werbung und pseudosozialer “Netzwerke”. Das, leider, ist gewollt, denn wer innerlich leer ist, kein durch sichtbar wirksames Tun erfĂĽlltes Leben hat, muss diese Leer fĂĽllen mit Konsum um den Preis von Ausbeutung der Welt (oder Schöpfung).Und all das hilft nichts: die Wut tief drinnen bleibt und wartet nur darauf, eingeladen und losgelassen zu werden. Sie echauffieren sich (natĂĽrlich auch zu recht) ĂĽber die Symptome. Ein kluger Mensch sollte sich genau nicht davon verfĂĽhren lassen, sondern daran gehen, nach jenem Körnchen zu suchen, das auch an dieser Stelle zu finden wäre – was bedeuten wĂĽrde, sich selbst und dieses bestehende System in Frage zu stellen. Letzteres als Einzelner ändern zu wollen, ist eine Illusion und genau so eine Abwehr der eigenen GefĂĽhle, wie rechtes Gegröhle und linke SteinschmeiĂźerei. Aber bei sich selbst zu beginnen, das ist möglich. Und harte Arbeit, die wenig öffentlichkeitswirksam ist. Einem DDR-sozialisierten Kirchenmann käme aufgrund seiner besonderen Erfahrung da besondere Bedeutung zu. Es nĂĽtzt nichts, die Menschen vor der Gefahr zu warnen. Sie brauchen eine, ihnen attraktiv erscheinende Alternative, die ihnen Lust macht, etwas Neues, anderes auszuprobieren und die Verantwortung fĂĽr sich und ihr Leben zu ĂĽbernehmen.

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