Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Rathause ausging, dass alle Fläche geschätzt würde. Und diese Schätzung war die zweite und geschah zu der Zeit, da die Menschen Weihnachtsmann, Christkind und Väterchen Frost zu Besuch empfingen. Ein Engel aus dem „Christmas Garden“ sprach: „Fürchtet euch nicht. Der überarbeitete Markkleeberger Flächennutzungsplan liegt bald aus.“

Ist sie drin oder ist sie nicht mehr drin? Die Ungewißheit kam nun zu ihrem Ende: Die Weinteichsenke ist raus! Frei geblieben, unbebaut. Ein Grund zum Jauchzen und Frohlocken? Nein, nur eine Verschnaufpause.

Denn wie anders wären die Absprache außerhalb des Dienstweges des Markkleeberger Oberbürgermeisters mit dem Landratsamt vor wenigen Jahren, den Antrag auf Unterschutzstellung der Weinteichsenke nicht zu bearbeiten, aber auch eine diesbezüglich nicht öffentliche Sitzung im Stadtrat, die der Stadt Markkleeberg im Jahre 2021 sogar eine Rüge der Kommunalaufsicht einbrachte, zu werten?

Will man das, auf das man seit Jahren hinarbeitete, so mir nichts, dir nichts fahren lassen? Ist also alles nur Aufschub, gar eine Verschnaufpause angesichts der vielen kritischen Stimmen bei der letzten Auslegung?

Die Ferienvorfreude trübt zudem die Tatsache, dass die Einflussmöglichkeiten der Bürgerschaft gering sind; die Absprache außerhalb des Dienstweges interessierte keine der wo auch immer noch vorhandenen Oppositionsparteien, die Rüge der Kommunalaufsicht ist ein zahnloser Tiger. Und völlig gesetzeskonform ist das Landratsamt in keiner Weise verpflichtet, irgendeinen Antrag auf Unterschutzstellung überhaupt zu bearbeiten.

Längst haben wir uns an Paradoxien gewöhnen müssen: dass trotz zahlreicher ökologischer Titel und Auszeichnungen der Stadt im neuen Flächennutzungsplan der Flächenfraß am Cospudener See, an der Raschwitzer Straße und in Auenhain voranschreitet, ja sogar Bäume dafür geopfert werden. Die Leser der LVZ (28.9.2023) mussten erstaunt feststellen, „manchmal ist es notwendig, gesunde Bäume abzuholzen, um den Auswirkungen des Klimawandels etwas entgegenzusetzen.“ Markkleeberger Logik.

Und irgendwie schwant mir, es bleibt doch alles beim Alten. Trotz blumiger Bekundungen wird im ganzen Land weiter zugebaut, es wird weiter zubetoniert, abgeholzt, Kohle aus Übersee und Frackinggas verheizt, und nun sollen auch noch unsere Wälder in großem Umfang durch Windräder entstellt werden!

Ein Blick auf die „Karte zur Standorteignung von Waldflächen für den Bau von Windenergieanlagen“ unseres Freistaates zeigt zwischen Markkleeberger, Zwenkauer und Cospudener See ausnahmslos gelbe Flächen: Kategorie B – Einzelfallprüfung. Sollten da nicht mal Wunden vom Bergbau heilen, gab es nicht mal die Idee eines Naturflächenverbundes vom Landschaftsschutzgebiet Dölitz-Dösen über Weinteichsenke, Auenhain bis hin zum Störmtaler See?

Was aber, wenn es keine naturnahe Landschaft mehr gibt? Geht dann nicht der letzte Rest an Heimatgefühl, an Verbundenheit verloren? Bedingt der Schutz der Umwelt die Zerstörung selbiger? Wird unsere Stadt in wenigen Jahrzehnten wie ein Vorort von Los Angeles aussehen? Geht Klimaschutz denn ohne Kapitalismuskritik?

Ach, könnte ich doch singen, vor des Oberbürgermeisters Fenster, eine Arie aus La Traviata trällern: „Hat dein heimatliches Land keinen Reiz für deinen Sinn?“ Aber ich will nicht den Mörtelrührstab über Markkleeberg brechen; selbst in Leipzig verschwindet eine Ackerfläche nach der anderen.

Kartoffelbrei auf Ölgemälde, Farbanschläge auf Weihnachtsbäume oder Fassaden historischer Gebäude – das kommt mir alles nicht in die Tüte! Denn das sind Anschläge auf unsere Kultur, aus der wir eigentlich Kraft schöpfen sollten. Ich dagegen kaufe mir einen Klebestift, werde mich aus Protest mitten auf dem Acker bei Auenhain festkleben. Gehe gleich mal schnell in den Einkaufsmarkt. Doch die Klebestifte sind alle! Lieferengpässe, sagt man. Ein gutes Zeichen?

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