Der Brief, den Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau dem Ökolöwen auf dessen Anregungen für mehr Platz für Radfahrer/-innen in der Coronazeit schrieb, wirkte nicht nur beim Ökolöwen wie eine Ohrfeige. Nicht einmal in einer Situation, in der die Stadtverwaltung kurzfristig hätte handeln können, war die schwerfällige Behörde aus ihrem Trott zu bringen, der sogar dort Lösungen verhindert, wo dringend gehandelt werden muss. So wie am Ranstädter Steinweg.

Der Ökolöwe und der ADFC Leipzig haben deshalb am Mittwoch, 6. Mai, mit einer öffentlichen Aktion auf diesen amtlich verursachten Missstand aufmerksam gemacht.

In den letzten Monaten stand der Verkehr aufgrund der Covid-19-Pandemie nahezu still. Weltweit reagierten Stadtverwaltungen schnell und trafen wichtige Entscheidungen, für den Moment und für die Zukunft. Berlin, Wien, Mailand, sie alle stellen jetzt Weichen für einen neuen, zukunftsfähigen Stadtverkehr und schaffen mehr Platz für Fußgänger und Radfahrerinnen. In Leipzig übernehmen nun der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) und Radaktivist/-innen diese Aufgabe.

„Wir müssen die Mobilitätswende auch in Leipzig voranbringen“, sagt Matthias Uhlig, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen. „Hier zwischen Jahnallee und Innenstadtring können wir sofort neue Radwege markieren und mehr Platz für Fußgänger und Radfahrerinnen schaffen.“

Bereits vor Wochen hat der Ökolöwe Baubürgermeisterin Dubrau aufgefordert, für diesen Zweck Radwege auf den Straßen anzulegen. Fußgängern und Radfahrerinnen wäre es so möglich, den nötigen Abstand voneinander zu halten. Frau Dubrau aber verharrt in ihrer Blockadehaltung. Das wollten der Ökolöwe, der ADFC und Leipzigs Radaktivist/-innen nicht hinnehmen und bauten heute auf dem Ranstädter Steinweg kurzerhand ihre eigene Radspur.

Radspur-Aktion am Ranstädter Steinweg. Foto: Ökolöwe
Radspur-Aktion am Ranstädter Steinweg. Foto: Ökolöwe

„Die Radverbindung von Lindenau bis in die Innenstadt gehört zum Hauptnetz für den Radverkehr. Es ist völlig klar, dass jetzt schnell Radfahrstreifen am Ranstädter Steinweg markiert werden müssen“, stellt Rosalie Kreuijer, Vorstandsmitglied des ADFC in Leipzig, fest.

Leipzig muss Maßnahmen für die Zeit nach den Ausgangsbeschränkungen treffen, denn der Verkehr wird wieder zunehmen, der öffentliche Nahverkehr aber weiter gemieden werden. Durch einfache Maßnahmen kann die Verwaltung jetzt das Fahrrad als attraktive Alternative etablieren und so das drohende Verkehrschaos auf Leipzigs Straßen verhindern.

Bereits seit 2018 fordern rund 6.000 Leipziger/-innen sicheren Radverkehr in der Inneren Jahnallee. Für Radaktivist Volker Holzendorf ist die Verlängerung über den Ranstädter Steinweg deswegen der nächste logische Schritt: „Immer mehr Leipziger/-innen fahren mit dem Rad von Lindenau in die Innenstadt. Sie müssen auch auf den letzten Metern zum Brühl sicher und komfortabel radeln können.“

Doch Baubürgermeisterin Dubrau zeigt daran trotz der akuten Lage kein Interesse, wie sie in einem Brief an den Ökolöwen erst kürzlich deutlich machte. Der Ökolöwe, der ADFC und Leipziger Radaktivisten nahmen eine neue Aufteilung des Straßenraumes deswegen nun selbst in die Hand. Der gemeinsamen Forderung verleiht Holzendorf noch einmal Nachdruck: „Bauen Sie endlich eine Radverkehrsanlage im Ranstädter Steinweg, Frau Dubrau! Jetzt ist das möglich, und es macht unser Leipzig lebenswerter!“

Aber ist Dorothee Dubrau überhaupt noch die richtige Ansprechpartnerin? Ihr Brief an den Ökolöwen erzählt von einer amtlichen Enthobenheit, die mittlerweile auch andere Vereine und Bürgerinitiativen spüren. Sie werden wie lästige Störenfriede behandelt, Bürgerbeteiligung wird zum dirigierten Alibi. Und Problemlösungen werden über Jahre verschleppt.

Es gab auch schon Bürgermeister/-innen, die luden die gesellschaftlichen Partner bei solchen Themen an einen Tisch, um mit ihnen gemeinsam die Vorschläge und mögliche Lösungen zu besprechen. Doch das scheint in der einstigen „Stadt der Friedlichen Revolution“ längst vergessen. Leipzig ist bräsig und veränderungsunwillig geworden. „Runde Tische“ werden zum Alibi, ohne noch etwas zu ändern.

Baubürgermeisterin Dubrau zeige jedenfalls an nahen Lösungen kein Interesse, so liest es der Ökolöwe aus ihrem Brief heraus. Deswegen nahmen der Ökolöwe, der ADFC und Leipziger Radaktivisten am Mittwoch eine neue Aufteilung des Straßenraumes nun selbst in die Hand und bauten eine eigene Radspur – von der Jahnallee bis zum Innenstadtring. Da, wo sie nach StVO schon seit Jahren hätte sein müssen.

Der Ökolöwe fordert jetzt die Anlage eines Radstreifens im Ranstädter Steinweg

Der Ökolöwe fordert jetzt die Anlage eines Radstreifens im Ranstädter Steinweg

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Es gibt 3 Kommentare

Frisches BlaBla – Aktuell in der LVZ lässt unser OBM durchblicken, wie viel ihm am aktuellen Zustand des Radnetzes liegt:

Städte wie Paris, Brüssel und auch Berlin haben Corona genutzt, um dem Radverkehr mehr Platz einzuräumen. Wo sind die Pop-up Fahrradspuren in Leipzig?

“Der Anteil der Fahrradfahrer am Gesamtverkehr ist deutlich gewachsen in den vergangenen Jahren. Aber in der Tat geht es jetzt auch darum, bei der Infrastrukturplanung Fahrt aufzunehmen. Das kann symbolhaft ein Radschnellweg sein, zum Beispiel eine Verbindung Leipzig-Halle. Aber es geht darum, nicht nur symbolhaft Fahrradspuren abzutrennen, sondern Radverkehr sicherer und attraktiver zu machen. Ich denke, unser Fahrradentwicklungsplan wird noch heiße Diskussionen nach sich ziehen.”

Aber warum hat man die leeren Straßen in den vergangenen Wochen nicht genutzt, um eben wie Berlin oder Wien provisorische Radspuren einzurichten und Fakten zu schaffen?

“War das wirklich ein Thema im Lockdown? Unser Handeln als Verwaltung war darauf ausgerichtet, erstens die Corona-Situation zu meistern, und zweitens keinen Investitionsrückgang im öffentlichen Bereich zuzulassen. Wir haben weiter Schulen, Kitas, Straßen, Brücken gebaut und auch den Wohnungsbau weiter angeschoben. Ich bin überzeugt, dass es immer einen klaren konzeptionellen Ansatz braucht und nicht solche Ad-hoc-Aktionen. Das Radwegekonzept muss stehen, auf dieser Basis muss man arbeiten.”

Die Kritik vom ADFC und Ökolöwen am Amt für Bauordnung und Denkmalpflege ist in jedem Fall gerecht fertigt. Bei Rad- und Fußwegen passiert so gut wie nichts in Leipzig. Aber wahrscheinlich ist die Baubürgermeisterin Frau Dubrau der falsche Adressat. Sie agiert auch nur auf der mittleren Verwaltungsebene und hat einen Vorgesetzten, den OBM.
Solange dieser OBM gewählt werden will, hört man von ihm Zustimmung und Zusagen zur Unterstützung, aber danach dann nichts mehr. Es erfolgt keine Umsetzung seiner heeren Ziele in der ihm unterstellten Verwaltung! Zudem muss ich noch daran erinnern, dass Frau Dubrau vor einigen Jahren eine heftige Reformante vom OBM erhielt und Medienschelte, bei der anscheinend eigenständig verantworteten Markierung von Radstreifen in verschiedenen Straßen der Stadt, uA. in der Dresdner Straße. Solche Erfahrung will man/frau nicht öfters machen. Christof

Dass der Radverkehr der Stadtverwaltung scheissegal ist, merken Radfahrende tagtäglich.
Dass sich nach der Krise auch nur irgendetwas ändern wird, ist reines Wunschdenken. “Warum auch, es lief doch bis hierhin.”

Frau Dubrau wird sich auf der Zielgeraden ihres Berufslebens nichts mehr auf den Tisch ziehen. Verständlich.
Aber da gewinnt ein OBM um Schamhaaresbreite seine Wahl mit Worthülsen wie “Verkehrswende” und legt sich wieder hin.

Es wird Zeit, dass aus von der Stadt bezahlten und vom Ökolöwen ausgerichteten Spassveranstaltungen wie die Radnacht auch wirklich eine Demonstration wird. Klingelapplaus für eine Rede des Beigeordneten für Umwelt, Ordnung und Sport passen da überhaupt nicht. Im Text beschrieben als: “dirigiertes Alibi”.

Bis dahin breiten sich Blüten wie die Park-Pest weiter aus – inzwischen auch in die Schillerstraße, in einer Fahrradstraße (Hallo!!!). Halteverbrotsschilder vor Radabstellanlagen sind seit einem Jahr versprochen (Stichwort: Hinlegen). Sinnlos!

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