Da staunte am Ende auch Burkhard Jung nicht schlecht, als am Abend des 10. Juni in der Leipziger Ratsversammlung zu einem Antrag aus dem Ortschaftsrat Bรถhlitz-Ehrenberg zum Schlobachshof abgestimmt wurde. Dieser einstige Reiterhof liegt ja mitten in der Nordwestaue, mitten im รœberflutungsgebiet in der Gemarkung Bรถhlitz-Ehrenberg.

Eigentlich wรผrde ja nicht nur der Ortschaftsrat Bรถhlitz-Ehrenberg zustรคndig sein, hatte die Verwaltung noch extra erklรคrt. Der in der jรผngeren Vergangenheit zwei Mal รผberflutete Hof liegt gleich hinter Bรถhlitz-Ehrenberg. Dort machte man sich nach der Aufgabe des Betriebs nach der letzten รœberschwemmung zu Recht Sorgen, ob das vor 100 Jahren vom Sรคgewerkbesitzer Schlobach erbaute Areal nun vermehrt zum Ziel von Vandalismus werden wรผrde.

Also beantragte man kurz und knapp: โ€žDie Stadtverwaltung stellt sicher, dass auf dem Areal des Schlobachshofs Vandalismus und Plรผnderungen verhindert werden und leitet umgehend die dazu erforderlichen VerkehrssicherungsmaรŸnahmen ein.โ€œ

Das war noch Ende 2019. Und es bestรคtigte sich, was Denis Achtner vom Ortschaftsrat Bรถhlitz-Ehrenberg schon befรผrchtet hatte: 2020 kam es gleich zu zwei Brandstiftungen auf dem Gelรคnde โ€“ im Januar und im Mai. Und das trotz eines inzwischen eingerichteten Wachdienstes, mit dem Leipzigs Verwaltung in ihrer Stellungnahme versuchte, das Anliegen in geregelte Bahnen zu lenken.

In dieser Stellungnahme machte die Stadt dann auch klar, dass nicht nur der Ortschaftsrat Bรถhlitz-Ehrenberg zustรคndig sei. Aber inzwischen gab es direkte Unterstรผtzung auch aus dem Ortschaftsrat Burghausen-Rรผckmarsdorf, aus dem Ortschaftsrat Lรผtzschena-Stahmeln und aus dem Stadtbezirksbeirat Altwest, wo man sich ziemlich geschlossen darรผber wunderte, dass seit dem Kauf des Grundstรผcks im Jahr 2016 bis zur endgรผltigen Besitzรผbereignung von den alten Besitzern satte vier Jahre vergingen.

Das mรถchte auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler gern noch erklรคrt bekommen, der am 10. Juni ebenfalls zum Thema sprach.

In der Stellungnahme der Stadt hatte es geheiรŸen: โ€žIn Abstimmung zwischen Stadtverwaltung und den unmittelbaren Besitzern wurde bereits vor Besitzรผbergang eine vorlรคufige Sicherung organisiert. Fรผr die Zeit nach Besitzรผbergang wurde ein Bewachungs- und Sicherheitskonzept erarbeitet. Aufgrund des aktuellen Brandereignisses vom 21. zum 22. Februar 2020 wird der Objektschutz auf 24 h erweitert.โ€œ

Der Objektschutz konnte aber auch den Brand am 8. Mai nicht verhindern. Weshalb Andreas Geisler nicht nur etwas forderte, was das Leipziger Umweltdezernat seit vier Jahren schon hรคtte vorlegen mรผssen: ein tragfรคhiges Nutzungskonzept. Denn warum kauft die Stadt so ein Grundstรผck mitten im Auenwald, wenn sie dafรผr nicht mal die Skizze eines Nutzungskonzepts hat?

Und auch Mathias Weber, der fรผr die Linksfraktion sprach, wunderte sich nur, wie fahrlรคssig die Stadt mit diesem Grundstรผck umgeht und in jรผngerer Vergangenheit umgegangen ist, als man sogar die Baugenehmigung fรผr neue Gebรคude auf dem Gelรคnde gab, obwohl man wusste, dass es mitten im รœberschwemmungsgebiet liegt. In seiner Rede deutete er zumindest an, dass man โ€ždiesen Fehler jetzt korrigierenโ€œ kรถnnte, also diesen Gebรคudebestand wieder entfernen kรถnnte.

Denn dass die Burgaue wieder geflutet wird, ist nur eine Frage der Zeit. Und so sorgt das Hochwasser wie 2013 wieder fรผr Gebรคudeschรคden, die dann aber die Stadt bezahlen mรผsste. Das kรถnne nicht sein, so Weber. Und auch er mahnte ein Nutzungskonzept an.

Den Husarenstreich aber vollbrachte die SPD-Fraktion, die ganz und gar nicht fรผr den Verwaltungsstandpunkt warb, sondern sich den Ursprungsantrag des Ortschaftsrats Bรถhlitz-Ehrenberg zu eigen machte. Dabei hatte Denis Achtner gerade berichtet, dass der Ortschaftsrat den Verwaltungsstandpunkt mit einer Pro-Stimme, aber acht Enthaltungen รผbernommen hatte. Aber indem die SPD-Fraktion den Ursprungsantrag รผbernahm, kam der dann auch zur Abstimmung und fand im Stadtrat eine satte Mehrheit von 49:5:1 Stimmen.

Zur Verblรผffung von Oberbรผrgermeister Burkhard Jung, der dann nur noch feststellen konnte: โ€žEin erstaunlicher Vorgang.โ€œ

Der Verweis auf den Wachdienst reicht also nicht. Indem der Ursprungsantrag รผbernommen wird, wird die Verwaltung eindeutig aufgefordert, hier deutlich mehr zu machen, um das historische Gebรคudeensemble zu sichern.

Die Debatte vom 10. Juni 2020 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

Leipzigs Verwaltung hat Schlobachshof erst im Januar รผbernommen und den Wachdienst verstรคrkt

Leipzigs Verwaltung hat Schlobachshof erst im Januar รผbernommen und den Wachdienst verstรคrkt

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