In der Ratsversammlung am 19. Mai landete der Umbau der Shakespearestraße zum dritten Mal in diesem Jahr auf der Tagesordnung. Auch weil sich die veranschlagten Baukosten noch einmal drastisch erhöht haben – von anfangs geschätzten 1,3 Millionen Euro erst auf 1,9 Millionen und nun auf 2,6 Millionen Euro. Preiswerter war das Projekt am Markt nicht zu platzieren.

Wer zu spät kommt …

Über die Summe wurde dann freilich am 19. Mai in der Ratsversammlung nicht weiter ausgebreitet. Dazu sind die Preisentwicklungen auf dem Bau inzwischen viel zu oft in den Medien rauf und runter diskutiert worden. Man könnte auch sagen: „Wer zu spät baut, den bestraft die Preisentwicklung.“

Und Leipzig kommt spät. Allein auf der Prioritätenliste bei der Sanierung der Nebenstraßen stehen über 200 Straßen, die eigentlich längst hätten angepackt werden müssen. Die Shakespearestraße hat sogar Glück. Sie liegt in einem (vor dem Abschluss stehenden) Sanierungsgebiet, in dem Ausbaubeiträge angefallen sind, die jetzt konkret für diese Straße verwendet werden konnten.

Dass die Planer im Verkehrsdezernat hier freilich wieder geplant hatten, als schriebe Leipzig noch das Jahr 1992, war ja schon Thema einer regen Diskussion im Stadtrat. Da wurde nachgebessert, wenn auch aus Sicht so mancher Fraktion viel zu wenig.

Bürgerbeteiligung ungenügend

Was am 19. Mai SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker ansprach, der sich in der Shakespearestraße tatsächlich ein wirklich modernes Straßenprojekt hätte vorstellen können, eines, in das auch die Anwohner viel stärker einbezogen worden wären.

Dass einiges so verkorkst und wirklichkeitsfremd ausfiel, hat auch mit dieser fehlenden Bürgerbeteiligung zu tun.

Denn mit einer Anfrage hat die SPD-Fraktion konkret abgefragt, welche Bürgerbeteiligung tatsächlich stattgefunden hat. Und das kann das Baudezernat nicht einmal sagen. Denn eine öffentliche Bürgerversammlung hat es nicht gegeben. Natürlich auch pandemiebedingt.

Aber die Antworten auf die ersten beiden Fragen brachten schon auf den Punkt, dass es tatsächlich keine richtige Bürgerbeteiligung gegeben hat.

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Wie wurden Anwohnerinnen und Anwohner, Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Gewerbetreibende über die Sitzungen des Stadtbezirksbeirats informiert?

Über die öffentlichen Sitzungen des Stadtbezirksbeirats und die jeweils anstehende Tagesordnung informiert die Stadt Leipzig im Amtsblatt und online. Das Bauvorhaben Shakespearestraße wurde in den Sitzungen des Stadtbezirksbeirats Mitte vom 29.10.2000 (Information) und 10.03.2022 (Baubeschluss) behandelt.

Wie viele Personen, neben den Stadtbezirksbeiratsmitgliedern und der Stadtverwaltung nahmen an der Sitzung teil?

Eine exakte Anzahl der teilnehmenden Bürger kann nicht genannt werden, da dies nicht Gegenstand des Protokolls ist und zudem die Sitzung des Stadtbezirksbeirats Mitte am 10.03.2022 pandemiebedingt als Videokonferenz durchgeführt wurde.

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Soweit die Antworten der Stadt. Wer also aus dem Amtsblatt nicht erfahren hat, dass die Shakespearestraße am 10. März auf der Tagesordnung des Stadtbezirksbeirats Mitte stand, hat sich auch zur Videokonferenz nicht angemeldet. Die Vorlage der Stadt wurde dort übrigens ohne Änderungen bestätigt. Es gab also ganz unübersehbar auch keine Diskussion und keine Änderungswünsche. Was im März 2022 sowieso zu spät gewesen wäre. Die Bürgerbeteiligung hätte nämlich 2021 stattfinden müssen.

Diese Form der Bürgerbeteiligung genügt nicht

Und in diesem Fall streute sich Baubürgermeister Thomas Dienberg Asche aufs Haupt. Das hätte so nicht laufen dürfen. Denn jetzt ist natürlich keine Änderung mehr möglich. Das Geld aus den Ausbaubeiträgen ist befristet gebunden, es muss noch in diesem Jahr eingesetzt werden. Also muss der Auftrag zum Bauen jetzt raus.

Auch wenn die Straße auch für Zenker noch längst nicht das ist, was modernes Bauen in einer Stadt wie Leipzig sein müsste. Denn die Aspekte Straßengrün, Artenschutz, Klimaschutz und klimaschonender Verkehr samt Aufenthaltsqualität müssten längst eine ganz andere Rolle spielen, als sie das bei Leipzigs Straßenplanern tun.

Dass da 2019 für Leipzig der Klimanotstand ausgerufen wurde, haben sie zwar mitbekommen und dem Stadtbezirksbeirat Leipzig-Mitte 2020 auch entsprechend zwei Varianten vorgeschlagen.

In der Antwort an die SPD-Fraktion heißt es hierzu: „In der Sitzung des Stadtbezirksbeirats Mitte am 29.10.2020 wurden 2 Varianten vorgestellt, mit jeweils 150 bzw. 131 Stellplätzen. Dies bedeutete gegenüber dem Bestand einen Wegfall von 42 bzw. 61 Stellplätzen. Auch aufgrund des Prüfauftrages des Stadtrats (Beschluss VII-P-01009-DS-02), wie der Straßenraum der Shakespearestraße zu einer Straße mit Aufenthaltsqualität umgestaltet werden kann, wurde die Variante, die zugunsten einer höheren Aufenthaltsqualität eine geringere Stellplatzanzahl aufwies, als Vorzugsvariante dargestellt. Ein Einbahnstraßensystem war nicht Gegenstand der Planungen.“

Das heißt: Die nun im Frühjahr 2022 als ungenügend diskutierte Variante war schon gegenüber der ursprünglichen Variante ein Fortschritt, aber eben nur ein vorsichtiger. Man möchte es sich mit den Autobesitzern nicht verprellen, denkt also noch in den Kategorien der Automobilisten und schöpft die Möglichkeiten des umweltfreundlichen Verkehrs deshalb nicht aus.

Die Bürger sollen jetzt doch noch eine öffentliche Veranstaltung bekommen – aber nur eine zur Information, teilt das Planungsdezernat mit: „Vor Beginn der Baumaßnahme sollen Anwohner und Bürger in einer gesonderten Veranstaltung über die Straßenplanungen, den vorgesehenen Bauablauf, Einschränkungen während der Bauarbeiten, Umleitungen, das LWB-Vorhaben etc. umfassend informiert werden. Diese Veranstaltung soll vor den Sommerferien stattfinden.“

Der Baubeschluss wurde sodann mit 34:8:9 Stimmen bestätigt.

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