„Der Neubau der Gustav-Esche-Brücke I über die Neue Luppe hat zuletzt zu Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. Eine Behelfsbrücke soll den Verkehr während der Bauzeit tragen. Für die Behelfsbrücke sollen Dutzende jahrzehntealter Bäume gefällt werden“, merkt die Freibeuter-Fraktion in einer Anfrage an die Verwaltung an. Und will wissen, wie nun die Prüfung des Falls durch die Landesdirektion ausfiel. Von der Tagesordnung der Ratsversammlung ist der Beschluss zur Gustav-Esche-Brücke I jedenfalls wieder verschoben worden.

Beantragt hatte so eine Prüfung die Initiative Stadtnatur. Denn auch für diese Brücke über die Neue Luppe soll während der Bauarbeiten eine Umfahrung gebaut werden, bei der Dutzende 100 Jahre alter Eichen gefällt werden sollen. Die Grünen-Fraktion im Stadtrat hat mittlerweile beantragt, das Projekt völlig neu zu planen.

Doch die Stellungnahme der Landesdirektion ist noch immer nicht vollständig, wie die Initiative Stadtnatur mitteilt: „Die Fachaufsichtliche Prüfung der Planung der Ersatzneubauten Gustav-Esche-Brücke I und II hat fachaufsichtliche Beanstandungen ergeben (Mail der LDS vom 14.04.2023). Bis zur endgültigen Klärung kann ein Beschluss zu Bau- und Finanzierung nicht rechtskonform erfolgen. Bisher liegt lediglich eine Einschätzung der LDS zur UVP-Pflichtigkeit und Planfeststellungspflichtigkeit des Vorhabens vor.“

Die eigentliche Frage der nicht rechtskonformen Berücksichtigung der Natura 2000-Belange und der nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit der vorliegenden Planungsunterlagen steht nach Mitteilung der Initiative noch aus und „wurde kurzfristig in Aussicht gestellt, aber noch nicht abschließend durch die Landesdirektion beantwortet. Bisher liegt nur der Hinweis einer anstehenden fachaufsichtlichen Beanstandung vor.“

Mit einer Mail an alle Ratsfraktionen forderte die Initiative diese auf, die Beschlussfassung zur Gustav-Esche-Brücke wieder von der Tagesordnung der Ratsversammlung am 14. Juni zu nehmen.

Die Baustellenumfahrung für die Kleine Gustav-Esche-Brücke. Foto: Ralf Julke
Die Baustellenumfahrung für die Kleine Gustav-Esche-Brücke. Foto: Ralf Julke

Aber auch die Stellungnahme der Landesdirektion zur Pflicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung hat es in sich, denn gerade weil sich die Landesdirektion auf die geltenden Gesetze bezieht, wird deutlich, wie wenig Schutz Umwelt und selbst Landschaftsschutzgebiete haben, wenn in Deutschland Straßenprojekte geplant werden. Denn eine Umweltverträglichkeitsprüfung wäre nur zwingend gewesen, wenn es sich um einen Straßenneubau gehandelt hätte.

Doch aus Sicht der Stadt handelt es sich nur um eine Unterhaltungsmaßnahme. Straße und Brücke werden ja im Bestand erneuert. Mit den Worten der Landesdirektion: „Maßgeblich für die Auslösung einer UVP-Pflicht im vorliegenden Fall ist somit, ob es sich bei der Straßenbaumaßnahme ‚Gustav-Esche-Brücke II‘ in straßenrechtlicher Hinsicht um einen Neubau, einen Ausbau oder um eine Verlegung der Gustav-Esche-Straße handelt oder ob es sich lediglich um eine nicht planfeststellungspflichtige Unterhaltungsmaßnahme handelt, die keiner UVP-Pflicht unterliegt.“

Aber was ist dann mit der Beseitigung von 570 Quadratmetern Wald im FH-Gebiet „Leipziger Auensystem“ und SPA „Leipziger Auwald“, die für die Umfahrung geopfert werden sollen?

Das, so die Landesdirektion, unterliegen „erforderlichen einzelnen Gestattungen“, die die Stadt Leipzig einholen muss. Und dazu fehlt noch eine Stellungnahme der Landesdirektion, insbesondere zur „nicht rechtskonformen Berücksichtigung der Natura 2000-Belange“.

Beim Bau der Kleinen Gustav-Esche-Brücke konnte der Einspruch der Initiative Stadtnatur die Abholzung eines ganzen Stücks Auwald nicht mehr verhindern. Jetzt ist die Frage, ob es bei der Gustav-Esche-Brücke genauso kommt oder die Stadt diesmal tatsächlich umplanen muss.

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Es gibt 10 Kommentare

Sicher, es geht um Juristerei, aber auch die ist streitbar, wie man an Millionen von Urteilen oder Kommentaren zur Auslegung von Gesetzen sehen kann.
Das sofortige Bauchgefühl ist die eine Seite – eine passende Argumentation die andere.

Die Umfahrung ist ja ein “Neubau” (weicht von der Ortslage der Bestandsstraße ab) – und dann treffen ja die Paragraphen bez. UVP zu.
Es kann nur ein sehr schlechter Witz sein, die Argumentation der einen für eine zweite, anders gelagerte Sachlage gelten zu lassen.
Das halte ich jetzt nicht für eine “ins Gegenteil verdrehte” Argumentationsführung.

Bei dem vorliegenden Fall kommt man mit dem Bauchgefühl erstmal keinen Schritt weiter. Es handelt sich um ist ein rein juristisches Thema. Auch ein öffentlicher Apell an das verletzte Bauchgefühl kann zwar politischen Druck ausüben, ernüchtert ist man danach oft beim Lesen der darauf folgenden Rechtssprechung. In der großen bunten Stadt Leipzig ist aufgrund der komplizierten politischen Machtverhältnisse es aber durchaus denkbar mit Druck aus dem Bauchgefühl heraus offensichtlich rechtlich klar anders definierte Sachverhalte praktisch ins Gegenteil zu drehen. Das kann kurzfristig einen Erfolg bringen langfristig verfestigt aber langfristig die Unzufriedenheit über zunehmend beliebige Verwaltungsentscheidungen.

Nun bin ich kein Jurist, aber die Begründung in der Stellungnahme würde ich in die Schublade von Schildbürgergesetzen oder falsch verstandenem Amtswiehern verorten – meine Bauchgefühlsgerechtigkeit erhebt Einspruch.

Natürlich ist der Neubau der Brücken auf der ursprünglichen Lage der Gustav-Esche-Straße eine Unterhaltungsmaßnahme, welche sicher keine der Beteiligten bestreiten will.

Die Frage ist doch, ob man mit der – sicher zugehörigen – Umfahrung und einem Ersatzneubau (wenn auch temporär) einen “halben Wald absägen” muss, und nicht damit entsprechende Gesetze und Vorschriften zu berücksichtigen sind.

Allein die Zugehörigkeit zum Projekt “Unterhaltungsmaßnahme” kann doch nicht die Legitimität einer durch den (nicht auf Lage der Gustav-Esche-Straße befindlichen) ErsatzNEUbau verursachten Waldrodung herbeiführen!?
Das sind doch zwei verschiedene paar Schuhe und wäre absurd!?

Man könnte also nebenher auch noch andere “Gesetze brechen oder beugen”, weil die Gustav-Esche-Straße ja nur eine “Unterhaltungsmaßnahme” ist?

Noch ein Nachtrag. Selbst wenn ein förmliches Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müsste, ist die jetzige Variante mit örtlicher Umfahrung durch den Auwald höchstwahrscheinlich das Ergebnis der rechtlichen Abwägung. Hierbei steht im Focus inwieweit eine längere Sperrung der schon stark befahrenen Straße im Gegensatz zu einer Rodung einer überschaubaren Anzahl von Starkbäumen im Auwald hingenommen werden muss. Regelmäßig erfolgt von der Forstwirtschaft im Auwald die Rodung von autochthonen Starkbäumen, auch wenn das im Zuge des Prozessschutzes eigentlich nur bei Verkehrsgefährdung zulässig wäre, aber es ist nun mal so das trauriges Tagwerk. Ob die Aussicht auf das gleiche Ergebnis und eine erhebliche Verzögerung des notwendigen Brückenbaues dem Verband das auch so wert ist, müssen dessen Mitglieder sich selbst beantworten.

Vielen Dank A&O.
Das juristische Kernproblem, wobei es bisher dazu noch keine Rechtsprechung gibt, ist Folgendes: Die Positivliste der UVP-Pflichtigen Vorhaben ist formal juristisch abschließend. Hier wäre nur weiter zu überprüfen inwieweit die Ersatzneubau aufgrund bestimmter Merkmale (wie Beibehaltung oder Erweiterung der Kapazität) einen Ausbau darstellt. Die abschließende Positivliste kann aber dazu führen, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen eines FFH-Gebietes nicht UVP-plichtiger Vorhaben kommen kann und kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss aber bei Vorhaben aus der Positivliste wo es zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen eines FFH-Gebietes kommt, für diese ein förmliches Baurechtverfahren erfolgen muss. Beim Vergleich der tatsächlichen unterschiedlichen Auswirkungen auf Natur und Landschaft und der daraus sich ergebenden unterschiedlichen formalen Baurechtserteilung ist bei den dargestellten Fällen eine Unverhältnismäßigkeit offensichtlich. Ob der Gesetzgeber zum Schutz von Natur und Landschaft, dass tatsächlich so vorhatte, wäre gerichtlich zu überprüfen.

Bei der ersten Baumaßnahme, die bereits begonnen wurde – gesetzeswidrig ohne Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände – wurde bereits 1.770 qm alter FFH-Wald gerodet. In der Summe sind es dann also 2.340 qm. Und dieser Verlust eines ca. 150 Jahre alten Waldes ist irreversibel und gemäß einschlägiger FFH-Fachstandards erheblich. Angesichts dieses Verlustes ist es unerheblich, ob die Behelfsbrücke irgendwann wieder zurückgebaut wird. Somit ist es aus naturschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht natürlich keine “Unterhaltungsmaßnahme” und bedarf u.a. einer FFH-Abweichungsprüfung.
Wenn dann aber ein Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde der LDS, schreibt, es handele sich lediglich um eine temporäre Beanspruchung eines FFH-Lebensraumtyps, kann man nur den Kopf schütteln. Ist hier überhaupt gar kein ökologisches Wissen vorhanden oder will / muss man ganz gezielt Naturschutzrecht mit Füßen treten (wie so oft…)?

Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben den Link geändert.

Das verlinkte UVPG ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Hier geht es ums Sächs.UVPG.

Um sich ein einigermaßen objektives Bild zum Thema machen zu können, würde ich gern die Stellungnahme der LD zur UVP-Pflichtigkeit lesen. Ist diese irgendwo verlinkt ?

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