Da musste dann auch Axel Schmoll unverrichteter Dinge gehen. Seine Fragen zur Ratsversammlung am 20. September wurden – so sah er es – nicht beantwortet. Seit einem Jahr versucht die Initiative Stadtnatur irgendwie herauszubekommen, wie die Stadt eigentlich die Schäden im Leipziger Auwald wiedergutmachen will, welche durch den Bau der Behelfsbrücke für die Gustav-Esche-Brücke II entstanden sind. Auch die Landesdirektion hatte diesen Schaden bestätigt.

„Ein Antrag der Initiative Stadtnatur auf fachaufsichtliche Prüfung des Verwaltungshandelns bei der Genehmigungen für die Erneuerung der Gustav-Esche-Brücken I und II hat fachaufsichtliche Beanstandungen durch die Landesdirektion ergeben“, stellte Schmoll, der sich in der Initiative engagiert, in seiner Stadtratsanfrage fest.

Und der Auskunft der Stadtverwaltung selbst nach hatte die Landesdirektion Sachsen gleich mehrere Verstöße gegen den Biodiversitätsschutz festgestellt. Das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) listete auf:

„Kernaussagen Stellungnahme Landesdirektion: Belange des Landschaftsschutzgebietes ‚Leipziger Auwald‘ seien nur unzureichend berücksichtigt; es sei keine sachgerechte Auseinandersetzung mit den eingegangenen Stellungnahmen der Naturschutzvereinigungen erfolgt; es sei keine den rechtlichen und fachlichen Anforderungen entsprechende FFH- und SPA-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden; Belange des gesetzlichen Biotopschutzes seien nicht beachtet worden; Belange des allgemeinen und besonderen Artenschutz seien nicht ausreichend betrachtet worden; eine den rechtlichen und fachlichen Anforderungen entsprechende Prüfung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sei nicht erfolgt.“ (Hervorhebung hier durch die Redaktion vorgenommen)

Die Umweltverbände einfach ignoriert?

Danach aber wurde die Antwort des VTA sehr überraschend, denn das bestätigte damit, dass die Leipziger Umweltschutzverbände in die Planungen mitten im Auwald gar nicht einbezogen worden waren: „Teilweise wurde in der Stellungnahme der Landesdirektion Kritik geäußert, die (noch) nicht nachvollzogen werden kann.

So wird nach Ansicht der Stadtverwaltung durch die Landesdirektion in Bezug auf die Einbeziehung der anerkannten Naturschutzvereinigungen ein völlig neuer (bislang weder per Erlass noch sonst kommunizierter) Standpunkt in Abweichung vom Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung des BVerwG vertreten. Der aus einer solchen überraschenden Neueinschätzung resultierende Klärungsbedarf wurde vom Amt für Umweltschutz gegenüber der Landesdirektion kommuniziert. Eine Rückantwort der Landesdirektion liegt bis heute nicht vor.“

Das verblüfft schon bei einem solchen Bauproijekt, das ganz erheblich in ein streng geschütztes Landschaftsschutzgebiet eingreift.

Logisch, dass Schmoll im seiner Anfrage auf den zwingend nötigen Ausgleich für die entstandenen Schäden einging: „Im Falle von Umweltschäden besteht die Verpflichtung zur Gefahrenabwehr durch Vermeidungs- bzw. Schadens­begrenzungs­maßnahmen. Darüber hinaus ist die Wiederherstellung der geschädigten Ressourcen und Funktionen durch verschiedene Sanierungsoptionen zu prüfen und es sind Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen.“

Um so enttäuschter war er, dass seine doch sehr konkrete Frage nicht wirklich beantwortet wurde. Sie lautete: „Wie wird der entstandene Biodiversitätsschaden durch den Bau der Behelfsbrücke Gustav-Esche-Brücke II begutachtet und bewertet?“

Nur formelle Fehler?

Aber ganz offensichtlich geht das Amt für Umweltschutz, das die Antwort verfasste, nicht davon aus, dass die Rüge der Landesdirektion wirklich schwerwiegend ist. Es antworte sehr ausweichend: „Das weitere Vorgehen der Stadt Leipzig in Bezug auf das Bauvorhaben ‚Gustav-Esche-Brücke II‘ ist mit der Landesdirektion Sachsen (der oberen Naturschutzbehörde) abgestimmt. Aktuell erfolgt eine Überarbeitung der Planungsunterlagen durch das vom Verkehrs- und Tiefbauamt gebundene Planungsbüro in Zusammenarbeit mit dem Amt für Umweltschutz unter Beachtung der vorliegenden Stellungnahmen der Landesdirektion Sachsen.

Das Ergebnis der aktuell laufenden Überarbeitung wird belastbar aufzeigen, ob über die Behebung formeller Fehler hinaus Nachbesserungsbedarf besteht. Sofern die aktuelle Überarbeitung der Planungsunterlagen zu dem Ergebnis kommt, dass mit Blick auf naturschutzrechtlich geschützte Güter zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden müssen, werden die Planungen entsprechend qualifiziert und umgesetzt.“

Dabei hatte die Landesdirektion unter anderem ja deutlich gemacht, dass es keine den „rechtlichen und fachlichen Anforderungen entsprechende FFH- und SPA-Verträglichkeitsprüfung“ gab und die Stellungnahmen der Umweltverbände zu Unrecht negiert worden waren.

Die Stadt hat die simpelsten Voraussetzungen, in einem Landschaftsschutzgebiet bauen zu dürfen, nach dieser Stellungnahme schlicht missachtet. Ob das mit einer Überarbeitung der Planunterlagen, nachdem der Schaden schon eingetreten ist, abgegolten ist, dürfte nicht nur Axel Schmoll bezweifeln.

Der Schaden ist angerichtet. Und nun?

Dessen Nachfrage am 20. September ganz offensichtlich ins Leere lief. Auch wenn man aus der sehr zurückhaltenden Reaktion von Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal durchaus eine Antwort herauslesen kann.

Etwa auf Schmolls zweite Frage: „Welche behördlichen Auflagen von Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr wurden erteilt?“

Da das Amt für Umweltschutz auf die oben zitierte ausweichende Aussage verweist, lautet die Antwort ziemlich eindeutig: Nein. Es wurden keine Auflagen zur Schadensbegrenzung erteilt. Hätte es sie gegeben, hätte sie das Amt für Umweltschutz hier einfach auflisten können.

Und so geht es auch mit der dritten Frage, die da lautete: „Welche Sanierungsoptionen bestehen und welche Sanierungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der geschädigten Arten und Lebensräume sind geplant?“

Das weiß die Stadt einfach noch nicht. Das wird die Stadt erst mit der Landesdirektion klären müssen. Denn eins steht außer Frage, wie Axel Schmoll berechtigterweise feststellte: Der Schaden ist angerichtet. Obwohl Heiko Rosenthal in der Fragestunde tatsächlich äußerte, man würde erst einmal klären, „ob es einen Biodiversitätsschaden überhaupt gegeben hat“.

Aber die letztliche Klärung liegt tatsächlich bei der Landesdirektion.

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Es gibt 2 Kommentare

Der Herr Rosenthal ist schon ein Herzchen. Wenn ein Verein im Auenwald einen Crosslauf mit ca. 150 Teilnehmern machen will und die untere Naturschutzbehörde das untersagt aus Naturschutzgründen, weiß er das zu begründen, aber wenn für Baumaßnahmen viele Bäume gefällt werden (damit die Autos keine Umleitung fahren müssen) und damit ein viel schwerer Schaden für die Natur entsteht, hat er und die Naturschutzbehörde kein Problem damit und bezweifelt, dass es da überhaupt einen Schaden gegeben habe…

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