Nach vielen Diskussionen der vergangenen Wochen um die Aktionen der „Letzten Generation“ (LG) griffen am gestrigen Freitag, 14. April 2023, Initiatoren des Bündnisses „Für die Zukunft – fürs Klima“ in Chemnitz zu einer neuen, als Versammlung angemeldeten Art der Straßenblockade. Ab 15:30 Uhr stellten sich insgesamt etwa 30 Menschen dreimal für jeweils sieben Minuten auf die Kreuzung Leipziger und Limbacher Straße. Damit blockierten sie eine knappe halbe Stunde die B95 und quer dazu den Autobahnzubringer Richtung Zentrum.

Letztlich handelte es sich bei der neuen Protestform vor allem um eine Art Unterstützungsaktion für die „Letzte Generation“, von welcher Aktivist/-innen aus Magdeburg, Halle und Leipzig extra anreisten, da es in Chemnitz noch keinen Ableger von LG existiert.

Die angemeldete und in den Medien vorab verkündete Aktion verantwortete ein Mitglied der „Parents for Future“ Chemnitz, weitere „for Future“-Gruppen beteiligten sich zudem an der legalen Aktionsform. Dabei hoffe man darauf, „ein alternatives Format zum Klimakleben geschaffen zu haben“, so der Anspruch der Initiative. Auch, um zu zeigen, dass die „Letzte Generation“ trotz der radikaleren Aktionen nicht alleinsteht, wenn es um die aktuellen Forderungen der Umweltbewegung geht.

Für Chemnitz selbst forderte dabei das Bündnis „Für die Zukunft – fürs Klima“ einen „Klimaplan für Chemnitz mit Klimaneutralität weit eher als 2040“, einen „Klimabürgermeister mit umfangreichen Befugnissen“ sowie die „Umsetzen des Verkehrswegeplans, den FDP und CDU gemeinsam mit zwei Naziparteien abgelehnt hat“, wie es in einer parallel zur Aktion versandten Pressemitteilung heißt. Gemeint sein dürften hier „Pro Chemnitz“ und die AfD im Chemnitzer Stadtrat.

Von der deutschen Politik fühle man sich ebenfalls im Stich gelassen, heißt es weiter. Den Mahnungen des im März 2023 veröffentlichten sechsten Sachstandsberichts des IPCC, „welcher katastrophale Folgen für Umwelt und Gesellschaft beschreibt, sofern ein globales Handeln ausbleibt“ würden keine ausreichenden Maßnahmen folgen. Die Bundesregierung habe zudem „zuletzt das Klimaschutzgesetz politisch ausgehölt, Klimaakivist*innen werden kriminalisiert und diskreditiert“, so das Bündnis.

Die deutschlandweiten Forderungen übernahm die Aktion von der „Letzten Generation“, hier also die Einführung eines 9-Euro-Tickets, ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 30 km/h in Städten sowie ein „zufällig geloster Gesellschafts-/Bürgerrat“.

De-radikalisiertes Format, einige radikale Reaktionen

Was geschehen wäre, wenn die Polizei die angemeldete Versammlung nicht von Beginn an begleitet hätte, kann man anhand mancher Reaktionen von Autofahrern in den vergangenen Monaten vermuten. Zugleich führte die Anmeldung der Versammlung zu Medienberichten vorab, weshalb sicherlich so manche Autolenkerin die vielbefahrene Kreuzung mied und sich so der Rückstau ab Beginn der Aktion um 15:30 Uhr in Grenzen hielt.

So blieben die Reaktionen trotz der Blockade einer großen Zuführungsstraße ins Chemnitzer Zentrum an der Kreuzung zur B95 insgesamt einigermaßen moderat. Und reichten von Gestikulieren im Auto über stilles Fluchen bis hin zum Wortlaut eines Passanten, bei den Demonstranten handele es sich um „Viehzeug, über das man drüberfahren müsste“.

Ein junger Mann (siehe Video) dachte vielleicht, er habe einen besonderen Auftrag und versuchte, alle Gesichter der Demonstrierenden abzufilmen und damit verbotene Portraitaufnahmen unter den Augen der untätigen Polizei zu fertigen.

Wenn das Beispiel aus Chemnitz Schule macht, könnte die Zeit der „Klimakleber“ dem Ende entgegengehen. Und legale Versammlungen mit geringerer Wirkung auf den Straßenverkehr an ihre Stelle treten.

Zuletzt hatten Behörden in ganz Deutschland mit zunehmender Strafverfolgung auf die Aktionen der „Letzten Generation“ unter anderem wegen Nötigung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz reagiert. Noch im April 2023 möchten diverse Innenministerien der Länder ihre Erkenntnisse zu einer angeblichen „kriminellen Vereinigung“ bei der LG verkünden.

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