Allgemein verkündet, aber noch ohne Zeit- und Ortsangabe, war es vorab, nun wird es auch umgesetzt: Angehörige der Klimaschutz-Bewegung „Letzte Generation“ hielten seit etwa 10 Uhr am Mittwoch, dem 8. März und Internationalen Frauentag, eine stark befahrene Straße in Leipzig blockiert und hatten sich vorübergehend wieder auf den feuchtkalten Asphalt geklebt.

Seit 2022 sorgt die Klimaschutz-Gruppierung Letzte Generation für Furore, indem sich ihre Mitglieder auf Straßen deutscher Städte festkleben und den Verkehr zwangsweise zum Erliegen bringen. Auch das Festhaften an Gemälden und andere, in der öffentlichen Wahrnehmung umstrittene Aktionsformen zählen zu ihrem Repertoire – so wurde kürzlich etwa ein Baum vor dem Berliner Kanzleramt gefällt und am Wochenende, ebenfalls in Berlin, die Glasskulptur „Grundgesetz 49“ vor dem Jakob-Kaiser-Haus mit schwarzem Tapetenleim beschmiert. Erst gestern traf es das Bundesverkehrsministerium, das Bekanntschaft mit oranger Flüssigkeit aus einem Schlauch machen durfte.

Deals zwischen Letzter Generation und Politik

So unterschiedlich und kontrovers diskutiert ihre Handlungsweisen sind – die Letzte Generation (eine Anspielung darauf, dass man die letzte Generation sei, welche die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung noch verhindern könnte) rechtfertigt sich stets mit Blick auf die Klimakrise und den Vorwurf an die Bundesregierung, zu zaghaft und zögerlich das Thema Klimaschutz anzugehen: Selbst einfachste Sofortmaßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgas-Emissionen wie ein Tempolimit und ein Neun-Euro-Ticket würden nicht umgesetzt.

Gewaltlose Provokationen und Störungen des Alltagslebens, für die auch Konsequenzen bis zur Haft in Kauf genommen werden, seien unabdingbar, um den Klimaschutz auf die Agenda zu bringen. Zumindest das scheint durchaus zu gelingen: Mehrere Städte haben sich inzwischen auf Deals mit den Aktivistinnen und Aktivisten eingelassen, wonach diese mehr Unterstützung erhalten und im Gegenzug ihre Klebe-Aktionen einstellen.

Doch nicht so in Leipzig, wo seit Mittwochvormittag nun erneut eine Kreuzung blockiert ist, nämlich der Bereich Jahnallee/Marschnerstraße. Eine längere Blockade-Aktion hatte es zuletzt am Morgen des 6. Februar im Norden der Messestadt gegeben. Am 13. Februar konnte die Polizei einen weiteren Störversuch an der Kreuzung Beethovenstraße/Harkortstraße bereits nach 15 Minuten beenden.

10 Uhr: Sieben Menschen auf der Straße

Sieben Menschen haben Stand jetzt, kurz nach zehn Uhr, im spätwinterlichen Schneegestöber dieses Märztages die Straße blockiert, betroffen ist die Jahnallee stadteinwärts.

Auch die Polizei ist bereits vor Ort, ein Notruf erreichte die Gesetzeshüter laut Polizeidirektions-Sprecher Olaf Hoppe um 10:06 Uhr. Wie an einem der Schilder zu erkennen ist, wird auch auf den heutigen, Internationalen Frauentag bei der Protestaktion Bezug genommen: Klimaschutz und Feminismus bedeuteten zwei Kämpfe, aber ein Ziel, heißt es dort.

Nur FLINTA*-Personen beteiligt

Auch in einer vorab versandten Pressemitteilung der Letzten Generation hatte es geheißen, dass sich an den heutigen Klima-Blockaden in Leipzig sowie Dresden zum Internationalen Frauentag ausschließlich FLINTA*-Personen beteiligen würden. Eine 34-jährige Mutter, die in der Pressemitteilung zitiert wird, beklagt sich dort, die Regierung komme ihrer grundgesetzlichen Pflicht zum Schutz der Lebensgrundlagen nicht nach. Gerade Frauen und andere marginalisierte Gruppen litten noch stärker unter dem bevorstehenden Klimakollaps.

10:30 Uhr: Der Verkehr steht weiterhin

Die Blockade begann heute mit den schon üblichen Pöbeleien von Autofahrern, ein Auto schaffte es gerade noch durchzufahren, mehrere suchten sich den Weg außen vorbei an der Blockade. Zwei Personen wurden bereits weggetragen, doch der Stau steht noch immer. Fünf Personen haben sich festgeklebt.

10:45 Uhr: Eine Spur ist wieder freigegeben – Polizei besonnen

Der Verkehr rollt wieder, da eine Spur inzwischen für die Autos freigegeben wurde. Die Polizei agiert nach Beobachtung unseres Beobachters vor Ort routiniert und besonnen, die Beamten scheinen auf die Situation gut vorbereitet.

Freigegebene Spur.
Eine Spur ist wieder frei. Foto: LZ

Inzwischen fehlt es den Einsatzkräften auch nicht an Erfahrung im Umgang mit den sogenannten Klimaklebern – und damit auch der Gewissheit, es hier mit einem gewaltlosen Widerstand zu tun zu haben, der auf die Endlichkeit planetarer Ressourcen hinweisen und deutlich machen möchte, dass das Weltklima durch die globale Erwärmung völlig außer Kontrolle zu geraten droht. Die Frage, wie weit man dafür konkret gehen darf, wird wohl aber aus der öffentlichen Debatte auch weiterhin nicht verschwinden.

10:55 Uhr: Kurze Aktion – die Straße ist beräumt

Die Fahrbahn ist inzwischen komplett beräumt und der Verkehr fließt wieder wie gewohnt.

Alles sieht heute nach einer eher kurzen Aktion aus. Vorläufiges Fazit: Bis auf (erwartbare) Beschimpfungen durch Autofahrer lief der zivile Ungehorsam im Großen und Ganzen wohl friedlich, wobei es durchaus zu aggressiven Reaktionen und heftigen Beleidigungen mindestens eines Autofahrers kam, die Polizei ging dazwischen. Teilweise wurde der Verkehr umgeleitet.

Inzwischen hat sich auch die Letzte Generation im Kurznachrichtendienst Twitter zu ihren heutigen Aktionen geäußert.

12:00 Uhr: Sieben Personen in polizeilichen Maßnahmen – Verdacht der Körperverletzung bei Autofahrer

Wie Polizeisprecher Olaf Hoppe auf LZ-Anfrage mitteilt, wurden sieben Personen zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen mit auf die Dienststelle genommen, fünf von ihnen hatten sich auf der Fahrbahn angeklebt. Es stehe der strafrechtliche Verdacht der Nötigung im Raum, möglicherweise auch jener der Nichtanzeige einer Versammlung, wobei letzteres noch ungeklärt sei.

Außerdem liege weiterhin der Verdacht einer Körperverletzung durch einen Autofahrer vor, welcher derzeit geprüft wird. Sollte sich dies bestätigen, müsste auch das Bild eines insgesamt friedlichen Ablaufs eventuell korrigiert werden. Mit einer Entlassung der mitgenommenen Personen sei innerhalb der kommenden ein bis maximal drei Stunden zu rechnen, so Hoppe.

Selbstjustiz oder „Notwehr“?

Verfolgt wurde ein Fall von Gewalt gegen die Klimaschutzaktivist/-innen bislang noch nicht. Im Gegenteil hatte mit der Uni Leipzig-Dozentin Dr. Elisa Hoven eine Juristin darauf abgestellt, dass das „Recht dem Unrecht nicht weichen“ müsse, sprich, die Gewaltanwendung gegen die Aktivistinnen gegenüber Welt.de als mindestens teilweise legitim dargestellt.

Anlässlich des Frauentages veröffentlichen wir hier mal unsere Anfrage an Dr. Elisa Hoven Universität Leipzig zu Gewalt gegen Klimablockaden, welche uns aufgrund der „sehr starken terminlichen Auslastung“ der Buchautorin trotz einer Nachfrage um Angabe, wann die Antwort möglich sei, nie beantwortet wurden.

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