Deutschlandweit kämpfen Städte darum, die Lebensqualität zu erhöhen – auch durch Schaffung verkehrsberuhigter Zonen. Doch ein Instrument fehlt ihnen: Ihre Handlungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits ist begrenzt. Nun sorgt ein Gespräch bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing für die nächste Enttäuschung bei all den Kommunen, die sich in der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ engagieren. Auch FDP-Bürgermeister sind frustriert.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat zumindest sein Versprechen eingelöst und am Montag, dem 5. Juni, erstmals zum Gespräch mit Vertretern der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ eingeladen. Im Fokus der Gespräche stand die Anpassung des Straßenverkehrsrechts für mehr Handlungsfreiheit der Kommunen bei der Anordnung von Tempolimits innerorts. Der Bundesminister hat dabei ein ehrliches Interesse an der Motivation und an den Zielen der Initiative gezeigt. Wenigstens das.

Die Initiative

Vor zwei Jahren haben sich sieben Städte zusammengetan und mit einem Grundsatzpapier eingefordert, ihre Geschicke in Sachen Geschwindigkeit auf den Straßen ihrer Stadt selber in die Hand nehmen zu dürfen. Das Grundsatzpapier wurde am 4. April 2022 an Bundesverkehrsminister Wissing übermittelt. Das Kernanliegen der Kommunen lautet, ihre Straßenräume lebenswert zu gestalten: sicher, gesund und mit viel Aufenthaltsqualität – so wie es auch die Festschreibung im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vorsieht.

Mittlerweile haben sich nahezu 800 Städte, Gemeinden und Landkreise den Forderungen angeschlossen – im gesamten Bundesgebiet und über alle Parteigrenzen hinweg. In den vergangenen fünf Monaten konnte die Initiative ihre Mitgliederzahlen verdoppeln. In den Städten und Gemeinden der Initiative leben über 32 Millionen Menschen.

Für die Initiative haben Christian Springfeld, Bürgermeister der Stadt Springe am Deister, Tim von Winning, Ulms Bürgermeister für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt und Thomas Dienberg, Sprecher der Initiative und Leipzigs Baubürgermeister am Gespräch teilgenommen. Die Delegation bildet dabei die unterschiedlichen Stadtgrößen und die Überparteilichkeit der Initiative ab. Die Geschäftsstelle der Initiative ist bei der Stadt Leipzig angesiedelt.

Ein ernüchterndes Gespräch

„Wir konnten noch einmal deutlich machen, dass es der Initiative nicht um die flächendeckende Einführung von Tempo 30 oder die Regelumkehr geht, sondern um eine größere Freiheit und praxisgerechte Grundlage bei der Anordnung“, sagte Christian Springfeld (FDP), Bürgermeister der Stadt Springe, einer 30.000-Einwohner-Stadt in der Region Hannover.

Über den weiteren Weg, den Umfang sowie die Ausgestaltung der notwendigen rechtlichen Anpassungen konnte jedoch keine Einigkeit erzielt werden.

„Das Gespräch mit dem Bundesminister war größtenteils ernüchternd“, kommentiert Thomas Dienberg (Grüne), Baubürgermeister der Stadt Leipzig und Sprecher der Initiative. „Am Prinzip, dass Tempolimits nur dann angeordnet werden können, wenn sie die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs nicht maßgeblich einschränken, soll im Wesentlichen nicht gerüttelt werden. Allenfalls soll der Umfang möglicher Ausnahmetatbestände ausgeweitet werden. Damit sind wir von den Forderungen unserer Mitglieder und der Festschreibung im Koalitionsvertrag noch ein gutes Stück entfernt.“

Das Bundesverkehrsministerium vertritt hingegen die Auffassung, dass eine weitgehende Liberalisierung der innerstädtischen Geschwindigkeit zu verfassungsrechtlichen Problemen führt.

„Es ist deutlich geworden, dass der Weg zu einer sachgerechten Lösung im Sinne der Kommunen noch weit ist“, so Tim von Winning, Ulms Bürgermeister für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt. „Die Initiative ist offen für weitere Gespräche mit dem Ministerium. Wir werden aber den öffentlichen Druck für eine wirksame Änderung des Straßenverkehrsrechts weiter erhöhen, solange sich das Bundesministerium nicht ausreichend bewegt.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 4 Kommentare

Parteiprogramme konnte ich nicht wälzen, lieber User “Rudi”, aber gerade dieser Tage äußerte sich der Bundesgeschäftsführer von Die Linke, ein gewisser Tobias Bank, von dem ich noch nie hörte, sehr aufgeregt: “Der Verkehrsminister schafft es, der personifizierte Bremsschuh für Klimaschutz und zeitgleich ignoranter Katalysator für noch mehr Lärmbelästigung in den Innenstädten zu sein.” https://www.die-linke.de/start/presse/detail/entscheidung-ueber-tempo-30-muss-bei-kommunen-liegen

@urs
Seit ca 30 Jahren steht in mehreren Wahlprogrammen (u.a. SPD), die Regelgeschwindigkeit innerorts soll 30km/h betragen.
Da der Großteil der Straßen innerorts 30km/h beschildert hat, würde den Straßenverkehrsbehörden auch Arbeit erspart.

Oha, das Lügenbärchen mal wieder, möchte uns mal wieder davon erzählen, wie schlimm doch stringente und radikale Reduktion von Geschwindigkeit und Ressourcenverschwendung sind, und ja, auf jeden Fall ohne weitere Einschränkungen, zurecht und überfällig.
Er möge bitte weiterhin heulen und jammern, es ist gar belustigend.
Mir geht die Forderung der Kampagne noch lange nicht weit genug! Eine Beweislastumkehr muß her, einfach und direkt: Regelhöchstgeschwindigkeit grundsätzlich 30 km/h, außer es kann glaubhaft und reproduzierbar nachgewiesen werden, daß *keine* anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden und eine bauliche Trennung gewährleistet ist. Keine Scheindebatten mehr mit armseligen Regressionisten und rechtslastigen Relativisten.
Da solche pseudosophistischen Jammerlappen und Giftkomplimenteure (siehe die triefig-provokativen und schmierig-anbiedernden Anreden ggü. Autoren hier und der pathologisch anmutende Zynismus in den Pseudoargumenten, die extrem selektiv auf bewußt vage gehaltenen Interpretationen von irrelevanten Details in Beschlußformulierungen fußen) wie “Urs” weiterhin einen derart einfachen und logischen Schritt bekämpfen, mit allen polemischen Kampfmitteln der faschistoiden Lügenrhetorik, zeigt nur weiterhin deren wahres Gesicht.
Scham und Belustigung, weiterhin, ob solchen Krampfdeutungshoheitlingen.

TL:DR: Das Bärchen echauffiert sich über irrelevante Details (Eventuell mal ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen? <- Retourkutsche für die persönlichen Beleidigungen von diesem Subjekt…) und möchte, warum auch immer, sicherere und nachhaltigere Verkehrsführungen verhindern, die nun schlichtweg konkret der Umsetzung bedürfen.

P.S.: Der Wissing muß weg, sofort, inklusive seiner zutiefst korrupten Autofetischistenbaggage…

Die Kampagne “Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten” faßte am 6.7.2021 ihre Forderungen in einer Erklärung http://www.lebenswerte-staedte.de/images/pdf/Positionspapier_Staedteinitiative_Tempo30_050721_oU.pdf#Page=4 zusammen. Darin unter Punkt 3, daß die Kommunen “… ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten”. Wie kommt man auf eine solche weitreichende Forderung? “Ohne weitere Einschränkungen” kann nicht in Ordnung sein.

Schreiben Sie einen Kommentar