Wer es noch nicht weiß: Patrick Schnieder (CDU) ist der neue Verkehrsminister in Deutschland. Er leitet das Bundesministerium für Verkehr, welches unter der neuen Regierung die Verantwortlichkeit für das Digitale endlich verloren hat. Bisher ist er aufgefallen, wenn es um Themen wie Deutschlandticket geht. Er möchte den Preis an die Inflationsrate koppeln, im Klartext heißt das: Wenn Du weniger Geld zur Verfügung hast, dann wird die Mobilität teurer. Natürlich nur, wenn Du ÖPNV und Bahn nutzt.
Jetzt hat der Minister sich auch zum Autoverkehr geäußert: Gegenüber der Funke Mediengruppe, wie von Spiegel und RND berichtet wurde, tat er seine Meinung zu Alkohol, verpflichtenden Fahrtests für Senioren und einem generellen Tempolimit kund.
Thema Alkohol
Reden wir nicht darüber, ob eine 0,5 Promille Grenze ausreichen, oder 0,0 Promille erforderlich ist, wichtig ist die generelle Meinung zum Alkoholkonsum. Dazu sagt Schnieder: „Bei vielen gesellschaftlichen Anlässen stößt man aus Höflichkeit mit an und nimmt einen Schluck – ohne dass man damit gleich den Straßenverkehr gefährdet.“
Hier steht nicht in erster Linie die Gefährdung des Straßenverkehrs zur Diskussion. Viel erschreckender ist die vom Minister vertretene Normalisierung des Alkoholkonsums. Genau diese Meinung führt dazu, dass sich Menschen rechtfertigen müssen, wenn sie nicht „aus Höflichkeit“ diesen Schluck Alkohol zu sich nehmen müssen.
Die andere Seite ist, und das betrifft nun doch die Gefährdung des Straßenverkehrs, dass oft „aus Höflichkeit“ auch der zweite und dritte Schluck nicht abgelehnt werden darf. Schnieder wäre aber kein CDU-Politiker, wenn er nicht gleich noch gegen Cannabis poltern würde.
„Bei Cannabis bin ich sehr kritisch. Die Wirkung im Verkehr halte ich für relativ unberechenbar. Das müssen wir uns in dieser Wahlperiode genau anschauen.“ Das entspricht weniger einer Faktenlage, als den Bestrebungen von CDU/CSU, die Teillegalisierung von Cannabis wieder zurückzunehmen.
Thema Senioren
Was die Senioren, also ein wichtiges Wahlklientel von CDU/CSU, betrifft, argumentiert er gegen Fahrtests. Bemerkenswert ist hier, dass er nicht von Gesundheits-, also Fahrtauglichkeitstests spricht. Wenn er also sagt: „Von Senioren geht im Straßenverkehr kein besonderes Risiko aus. Wenn wir die Altersgruppen vergleichen, haben wir eher ein Problem mit den ganz jungen“, dann ist das irreführend.
Die Gesamtstatistik der Verkehrsunfälle sagt das zwar aus. Aber Senioren sind, wenngleich insgesamt weniger an Verkehrsunfällen beteiligt, dafür häufiger die Verursacher. Verpflichtende Fahrtauglichkeitstests wären auf jeden Fall hilfreich, oft erkennt man die Einschränkungen selbst nicht.
Thema Tempolimit
Beim Tempolimit gibt es keine neue Argumentation Schnieders, er käut das alte Argument wieder:
„Man kann in Deutschland nur auf wenigen Strecken wirklich schnell fahren. Daher halte ich ein generelles Tempolimit auf Autobahnen für überflüssig.“
Was soll man da sagen, außer: „Es stimmt nicht“?
Bei den häufigsten Unfallursachen im Straßenverkehr steht zwar die „unangepasste Geschwindigkeit“ erst an vierter Stelle, nach „ungenügendem Abstand“. Schauen wir uns das genauer an, dann fallen die Ursachen 1 und 2 auf Autobahnen nicht ins Gewicht, eventuell ist unter dem ersten „Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren“ auch die Auffahrt auf die Autobahn enthalten.

Sieht man sich aber die Nummern drei und vier an, dann gibt es da zumindest eine Korrelation. Gerade auf der Überholspur der Autobahn ist oft der ungenügende Abstand eine Folge der überhöhten Geschwindigkeit des hinteren Fahrzeuges. Auf nicht begrenzten Strecken kann die Geschwindigkeitsdifferenz schon mal über 50 km/h betragen. Das führt regelmäßig zu gefährlichen Situationen und auch zu Unfällen.
Schauen wir uns die oben verlinkte Statistik genauer an, dann steht in den FAQs, leider ohne weitere Angaben:
„Außerhalb geschlossener Ortschaften führen meist Geschwindigkeitsüberschreitungen zu Unfällen mit Personenschäden.“
Dazu gehören die Autobahnen und „Geschwindigkeitsüberschreitungen“ kann man hier wohl nicht juristisch, also als „Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ lesen. Eher trifft hier die Definition der StVO §3 (1) zu: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.“
Eine Geschwindigkeit von 200 km/h auf einer relativ schwach befahrenen Autobahn erfordert schon die Fähigkeiten eines Rennfahrers oder Kampfpiloten. Die meisten Menschen, die sich gern dem „Rausch der Geschwindigkeit“ hingeben, haben diese aber maximal im Bereich der Computerspiele. Über Klimaaspekte wollen wir hier nicht reden.
Fazit: Der neue Bundesminister für Verkehr hat kein Problem damit, dass 80-Jährige nach einem „Höflichkeitsschluck“ Alkohol mit 180 km/h über die Autobahn brettern. Wenn Du aber vor drei Tagen einen Joint geraucht hast, dann wird es für ihn kritisch. Das lassen wir dann mal so stehen.
Persönliche Anfügung: Der Autor dieses Kommentars ist 68 Jahre alt, hat seit seinem 18. Lebensjahr den Lkw-Führerschein und ist über 40 Jahre mit Pkw und Lkw unterwegs gewesen. Mehrfach hat er aus gesundheitlichen Gründen auf das Autofahren freiwillig verzichtet. Während 15 Jahren im Pannenhilfs- und Abschleppdienst hat er mehrere hundert Unfälle, einen großen Teil auf Autobahnen, bearbeitet. Das prägt selbstverständlich die hier gemachten Einschätzungen.
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