Eigentlich ist es logisch: Ruhiger bekommt man eine Stadt nur mit weniger motorisiertem Verkehr. Und weniger voll aufgedrehten Motoren. Ein Thema, das Leipzig beschäftigt, seit es die Lärmaktionsplanung gibt. Doch neu ist jetzt, dass das Amt für Umweltschutz einmal gründlich hat durchrechnen lassen, mit welchen Lärmschutzmaßnahmen man möglichst kostensparend schnell die größten Effekte erzielt. Und siehe da: Es sind Tempo 30 und Radverkehr.

Sie sind die effektivsten Maßnahmen des Lärmaktionsplans für die Stadt Leipzig. Dies geht aus der Kosten-Nutzen-Analyse zur Lärmaktionsplanung hervor, die das Amt für Umweltschutz jetzt vorgelegt hat.

Die Kosten-Nutzen-Analyse zum Lärmaktionsplan.

Seit 2013 hat Leipzig eine Lärmaktionsplanung. Im Oktober 2022 hatte die Ratsversammlung die 2. Fortschreibung des Lärmaktionsplans beschlossen. Doch ein Problem der Lärmminderung in Leipzigs Straßen ist natürlich immer die Geldfrage. Manche Maßnahmen sind richtig teuer und entsprechend aufwendig und langwierig sind die Planungen etwa bei komplexen Straßenbaumaßnahmen.

Um aber die stark belasteten Straßenabschnitte möglichst schnell vom schlimmsten Lärm zu entlasten, braucht es möglichst viele, leicht umzusetzende Maßnahmen. Die dann auch ohne enorme Finanzeinsätze verwirklicht werden können.

Tempo 30, Radverkehr und ÖPNV

Weshalb das Amt für Umweltschutz eine Kosten-Nutzen-Analyse und eine Kostenwirksamkeitsanalyse beauftragt hat, die nun in der Sitzung der Verwaltungsspitze bestätigt wurde. Damit erfülle die Stadt Leipzig die zugrundeliegenden rechtlichen Anforderungen der EU-Umgebungslärmrichtlinie.
„Ziel war es, zu ermitteln, von welchen Maßnahmen die größte Wirksamkeit bei gleichzeitig vertretbaren Kosten zu erwarten ist“, erläutert Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.

„Damit können diese bevorzugt umgesetzt und die Ziele der Lärmaktionsplanung erreicht werden. Tempo 30 sowie der Ausbau des Radverkehrs und des Öffentlichen Personennahverkehrs haben sich als besonders wirksame Maßnahmen bei gleichzeitig vertretbaren Kosten herauskristallisiert.“

Was dann auch gleich noch bestätigt, dass gerade die zentralen Maßnahmen der Verkehrswende auch diejenigen sind, die den größten Beitrag zur Lärmminderung leisten.

Was eigentlich zu erwarten war. Denn nicht grundlos unterstützen mittlerweile über 500 Städte und Gemeinden die Initiative für „ein stadt- und umweltverträgliches Geschwindigkeitsniveau im Kfz-Verkehr – auch auf den Hauptverkehrsstraßen“, deren Sprecher der Leipziger Verkehrsbürgermeister Thomas Dienberg ist. Sie ringen um mehr Entscheidungsbefugnisse der Kommunen bei der Ausweisung von Tempo 30. Dabei geht es nicht nur um Lärmminderung, sondern auch um mehr Sicherheit und eine Minderung vom Emissionen und Schadstoffen.

Verkehrslösungen im Quartier

Zusätzlich zur Lärmaktionsplanung waren ebenfalls Maßnahmen untersucht worden, die noch nicht Bestandteil der bisherigen Planungen waren. Als besonders wirksame Maßnahmen wurde der zu gründende Arbeitskreis „Lärm-Luft-Klima“ und das Etablieren lärmarmer Stadtquartiere ermittelt.

„Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über die Kosten, die Wirksamkeit und den Nutzen von Lärmminderungsmaßnahmen zu erhalten und auf dieser Basis eine Priorisierung der Maßnahmen vorzunehmen. Kosten-Nutzen-Analyse und Kosten-Wirksamkeits-Analyse werden dabei auch als Instrument verstanden, um Diskussionen über die Priorisierung der Lärmschutzmaßnahmen anzuregen“, heißt es in der Vorlage der Verwaltung.

Die Verwaltungsvorlage zur Kosten-Nutzen-Analyse.

Denn wenn man weiß, welche Maßnahme mit möglichst geringen Kosten eine möglichst große Wirkung erzielt, kann man die Maßnahmen an den Problempunkten tatsächlich priorisieren: Was schnell umsetzbar ist, kann eben auch vorgezogen werden.

„Neben der Ermittlung der Kosten der einzelnen Maßnahmen wurden auch Aussagen zur Lärmminderungswirkung sowie zur Wirkung in anderen Bereichen und Zielstellungen (beispielsweise Luftreinhaltung, Förderung des Umweltverbunds, Klimaschutz etc.) getroffen. Aus dem Verhältnis der Maßnahmenkosten auf der einen Seite und dem zu erwartenden Nutzen bzw. der zu erwartenden Wirksamkeit auf der anderen Seite ließen sich Kennziffern ableiten (Nutzen-Kosten-Verhältnis), welche die Effizienz der Maßnahmen beschreiben“, so die Vorlage.

„Aufbauend darauf wurde eine Priorisierung der Maßnahmen vorgenommen, wobei auch sinnvolle Maßnahmenbündel in Hinblick auf eine stufenweise Umsetzung der Lärmminderungsmaßnahmen gebildet wurden. Ziel war es zu ermitteln, von welchen Maßnahmen die größte Wirksamkeit bei gleichzeitig vertretbaren Kosten zu erwarten ist, damit diese bevorzugt umgesetzt und die Ziele der Lärmaktionsplanung erreicht werden können.“

Tempo 30 würde wohl in der Wolfgang-Heinze-Straße schnell zur Lärmminderung beitragen. Foto: Birthe Kleemann
Tempo 30 würde in der Wolfgang-Heinze-Straße schnell zur Lärmminderung beitragen. Foto: Birthe Kleemann

So schälten sich auch einfach umzusetzende Maßnahmen heraus, die bislang in der Lärmaktionsplanung noch gar nicht priorisiert waren – so eine Neuaufteilung des Straßenraums in der Gorkistraße mit attraktiven Radverkehrsanlagen und Tempo 30. Auch in der Wolfgang-Heinze-Straße und der Gießerstraße wäre Tempo 30 eine leicht umsetzbare Lösung mit großem Lärmminderungseffekt. In beiden Straßen wurde auch der lärmoptimierte Asphalt vorgeschlagen. Aber gerade mit ein paar Schildern, die Tempo 30 anzeigen, wäre am schnellsten eine Wirkung zu erzielen.

Fehlende Gesetze schieben einen Riegel vor

Nur dass eben die bundesgesetzlichen Regelungen für solche Ausweisungen fehlen, weshalb die Stadt vor einem Jahr auch einen entsprechenden Antrag von Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) zur Wolfgang-Heinze-Straße ablehnen musste. Was natürlich auch auf die Gorkistraße zutrifft. Aber da dort jetzt die Komplexmaßnahme des Straßenumbaus begonnen hat, können hier zumindest schon einmal die verbesserten Radverkehrsanlagen im Straßenraum eingeordnet werden.

Sollte sich der Bundesverkehrsminister beim Tempo 30 endlich bewegen, wären die entsprechenden Schilder zur Tempobegrenzung auch nachträglich noch ohne großen Aufwand anzubringen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 11 Kommentare

Zu DDR-Zeiten – und später auch – noch war die Rödelstraße zur Schnorrstraße offen und man konnte sie von dort befahren. Als Schuljunge bin ich dort jeden Tag entlang gelaufen.
Die Schnorrstraße ist deswegen so befahren, da sie ein Hauptzubringer (Lindenau / Plagwitz) zum Schleußiger Weg ist; die sogenannte Südsehne, die mal als ÖPNV-Verstärkung geplant ist.
Oberhalb gibt es erst wieder eine halbwegs horizontale Querung über die Käthe-Kollwitz-Straße.

Wie hoch der Nutzen nun um das xxxfache ist, spielt weniger eine Rolle.
Offensichtlich muss dort der Lärm (berechnet) verringert werden.
Ist das KN-Verhältnis in Ordnung, gibt es eine Empfehlung.

Naja, lieber User “György”, tatsächlich hatte ich mir die Anlagen des Berichts ausgespart gehabt und hisichtlich der Schnorrstraße nur die Tabelle auf Seite 20 angesehen, wo eben für die Schnorrstraße so ein riesenhaftes Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1669 angegeben wurde. Im Anhang auf Seite 62 sehe ich nun hinsichtlich dieser Schnorrstraße die vorgenommenen Zuordnungen in Pegelklassen für eine bestimmte Anzahl von Anwohnern (und die daraus über den verwendeten Lärmkostenansatz ermittelten Euro-Preise). Für den Rund-um-die-Uhr-Fall sinken gemäß der Tabelle die jährlichen Lärmkosten von 103.609,00 EUR auf 67.436,00 EUR, was eine Differenz von 36.173,00 ausmacht (den nächtlichen Fall klammere ich mal aus, wieso da die Pegel nach Tempo-30-Beschränkung höher liegen, ist mir unklar, aber das ist vielleicht nebensächlich). Über 30 Jahre ergäben sich also 1085190,00 EUR Nutzen. Hingegen würden für die 2 benötigten Schilder 650,00 EUR über 30 Jahre anfallen. Die beiden letztgenannten EUR-Summen ins Verhältnis gesetzt, kommt 1669,52 raus. Mordsnutzen!

Die Schnorrstraße wird hier in ihrem Bereich zwischen Rödelstraße und Könneritzstraße betrachtet. In diesem Bereich existiert auf ca. einem Viertel des Straßenverlaufs bereits jetzt Tempo 30 (ich nehme an wegen der unweiten “Schule am Auwald”), und zwar im Bereich der kreuzenden Oeserstraße, ich schätze auf einer Strecke von 100m, richtungsabhängig etwas unterschiedlich, wobei die Beschränkung jeweils fast bis an die Rödelstraße reicht. Die Berechnungen der Lärmkosten beziehen sich auf 350 Leute (Istzustand) und 342 Leute (mit Tempo 30), anscheinend fallen 8 unter die angesetzte untere Schwelle von 50dB(A).

Geschätzte 20 Mietshäuser beidseits in diesem Bereich von ca. 40m von der Oeserstraße bis vor zur Könneritzstraße liegen im Bereich, der bisher keine Tempobeschränkung auf 30km/h hat. Auch in diesem Bereich fährt auch jetzt schon aus vielerlei Gründen kaum ein Kfz oberhalb von 30km/h, jedenfalls tagsüber. Da ist einfach zu viel los, es stauen sich etwa an der Könneritzstraße Kfz, und auch in die andere Richtung geht es von der Könneritzstraße aus in Richtung Oeserstraße, vor der dann bereits ein 30-Schild steht (die Oeserstraße selbst liegt in einer 30-Zone), so daß also kaum jemand wirklich die maximale Nenngeschwindigkeit von 50km/h erreicht, die meisten fahren knapp unter 40km/h, wenn überhaupt.

Mit anderen Worten, der Effekt, den eine generelle 30-Beschränkung in diesem Schnorrstraßen-Bereich bringen wird, wird nicht unbeträchtlich kleiner bleiben, als die Zahlen angeben. Dieser Bereich ist zwar stark befahren, aber es ist auch jetzt schon keine Rennstrecke. Zudem vermute ich, daß die als betroffen angesetzte Anwohnerzahl auch die Häuser einbezieht, vor denen längst eine Beschränkung besteht.

Daß die Schnorrstraße überhaupt so befahren ist, liegt auch daran, daß man am Ende der Könneritzstraße nach links nicht in Richtung Rödelstraße abbiegen kann, was für sich genommen sicher vernünftig ist.

@ Urs
anstatt “vermutlich” “anscheinend hochgradig zu mutmaßen” bzw. “möche ich mal vermuten”: lesen Sie doch mal das Dokument, da steht nämlich alles drin: Kosten der Schilder, Bereich, für den die Nutzenrechnung gilt, Aufschlüsselung des Nutzens (Anzahl Betroffene, bezifferte Kosten in verschiedenen dB(A) Bereichen).
Der Diskussion würde es helfen, wenn nicht gleich eine leicht widerlegbar falsche Mutmaßung in den Raum geworfen wird.
Der KN-Faktor ist halt auch so hoch, weil die Kosten für Schilder so gering sind und der Nutzen, über den wir viel – wie @Sebastian schrieb – diskutiert haben und um die Diskussion nochmal zusammenzufassen: so klar und hoch ist (Halbierung der Schallenergie).

Ich denke spontan an https://de.wikipedia.org/wiki/Scherz,_Satire,_Ironie_und_tiefere_Bedeutung – fragt sich eben doch, was die LVB von den vorgesehenen Tempodrosselungen halten.

Da hatte ich beim Lesen des korrespondierenden LVZ-Berichts von Klaus Staeubert eher an Satire gedacht, als dort zu lesen war, daß das 30-Jahre-ganztags-Nutzen-Kosten-Verhältnis des Aufstellens von genau zwei 30-Schildern in der Schnorrstraße das 1669fache ausmacht, aber dann lese ich eben genau diese Zahl in dem o.g. “Kosten-Nutzen-Analyse zur 2. Fortschreibung (Stufe 3) des Lärmaktionsplans der Stadt Leipzig”. Die Kosten für die Schilder, die tatsächlich 30 Jahre durchhalten sollen, sind vermutlich einfach bestimmbar, die ohne Temporeduktion ansonsten in den 30 Jahren volkswirtschaftlich zustande gekommenen gesellschaftlich zu tragenden Kosten sind anscheinend hochgradig zu mutmaßen gewesen. Und außerdem, ist nicht in der Schnorrstraße bereits weithin 30 km/h vorgeschrieben? Es handelt sich hier allenfalls um eine kurze Ausweitung des 30-Bereichs. Da möchte ich mal vermuten, daß die sich die angesetzten Nutzenskosten aber auf die ganze Schnorrstraße beziehen, und somit käme richtigerweise auch nicht dieser exorbitante Faktor zustande, übrigens das Maximum in den Tabellen von “Hoffmann-Leichter Ingenieurgesellschaft mbH”.

reine Polemik!
Nein, es war Ironie. Tut mir leid, das das nicht so ankam (dieser Satz war keine Ironie).

@Sebastian
> ÖPNV wird natürlich von der Maßnahme ausgenommen, denn das ist ebenfalls guter Lärm.
Das ist nur Quatsch und mit Kenntnis Ihrer sonst eigentlich recht gehaltvollen Posts reine Polemik! Tempo 30 gilt auch für Busse und Bahnen, außer auf gesonderten Gleiskörpern.

Das wußte ich nicht, lieber User “Sebastian”, aber wenn nun in den Bereichen, wo die Kfz überhaupt nur auf dem Gleiskörper fahren können, 30km/h eingehalten wird, werden die Trams dahinterklemmen, so wie Busse schon heute ab und zu hinter Velos klemmen, wenn sie nicht überholen können. Das wird ein Spaß!

Richtig Lärm machten früher die Traktoren, die mit nur einem Zylinder und großem Schwungrad ungefähr alle halbe Sekunde eine Zündung hatten. Das waren quasi quartiersweise Explosionsserien.

Ich habe eine Geschäftsidee, die ich hier ausbreiten möchte: wir gründen eine Unternehmung, die Sänften-Taxis anbietet. Fußverkehr at its best. Wir nennen die neue Genossenschaft “Besänftigung”. Die Keuchgeräusche der Träger kompensieren wir mit Anti-Schall.

Hallo Urs,
ÖPNV wird natürlich von der Maßnahme ausgenommen, denn das ist ebenfalls guter Lärm.

Wie finden eigentlich die LVB die Ideen mit den Tempo-30-Bereichen, die ja zum Teil kilometerlang sein werden? Und wie werden die Fahrgäste reagieren, wenn dann Busse und Bahnen schleichen?

Um noch einen Kontrapunkt zu setzen: https://de.wikipedia.org/wiki/Neil_Diamond sang vor fast 50 Jahren in “Beautiful Noise” u.a.: “It’s the song of the cars / On their furious flights / But there’s even romance / In the way that they dance / To the beat of the lights.”

An manchen Stellen wäre es m.E: auch sehr effektiv, Lücken im Radwegnetz zu schließen und bestehende Parkverbote für PKW umzusetzen. So z.B. an der Merseburger zwischen Lützener und Erich-Köhn-Straße, wo Radfahrende auch wegen rechtswidrig abgestellter Fahrzeuge am Fahrbahnrand nicht ordnungsgemäß (1.5 m Abstand) überholt werden können, was Autofahrende natürlich nicht davon abhält, es trotzdem zu tun.

> Ruhiger bekommt man eine Stadt nur mit weniger motorisiertem Verkehr.
Wenn man seinen Fokus, warum auch immer, allein auf Straßenlärm abstellt, mag das sein. In meiner Gegend gibt es seit Jahren eine Krähenplage, die es unmöglich macht bei offenem Fenster zu schlafen, aber das ist vielleicht dann “guter Lärm”. Und Straßenbahnen sind sicher mit gemeint beim Begriff “motorisiert”. Ich sag es ja nur.

> Und weniger voll aufgedrehten Motoren
Tempo 50 führt nicht zu voll aufgedrehten Motoren. Und auch bei einem angeordneten Tempo 30 wird es Leute geben, die mit Vollgas an der Ampel starten wollen. Wenn man also gegen “voll aufgedrehte Motoren” ist, was ich übrigens auch bin, ist die Anordnung von Tempo 30 sinnlos. Beim Thema Lärm im allgemeinen hatten wir ja letztens erst die lange Diskussion darüber, ob es was bringt, abseits der extremen Formulierung, die hier aus irgendeinem Grund gewählt wurde.
Fließender Verkehr verursacht übrigens am wenigsten “Hochjaulen beim Anfahren”.

>… unterstützen mittlerweile über 500 Städte und Gemeinden die Initiative…
500 von über 10.000 Gemeinden in Deutschland sind immer noch sehr, sehr wenige. Der Rest weiß seine vorhandenen Instrumente gut zu nutzen.

Schreiben Sie einen Kommentar