Das von CDU/CSU und SPD bereits vor möglichen Koalitionsverhandlungen angekündigte Sondervermögen für Infrastruktur dürfte die deutsche Wirtschaft kräftig anschieben, sollte es tatsächlich verabschiedet werden – allerdings erst ab dem kommenden Jahr. Berechnungen des DIW Berlin zufolge würde die Wirtschaftsleistung infolge des 500-Milliarden-Euro-Investitionspakets im kommenden Jahr um etwa ein Prozent höher ausfallen und ab dem Jahr 2027 sogar um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr, stellen die Autor/innen des DIW fest. Wenn es denn kommt.
Denn in der Bundestagswahl haben sich gerade die Unionsparteien ja alle Mühe gegeben, die Grünen für ihre Pläne, im Bundeshaushalt mehr Schulden zu machen, um die Wirtschaft anzukurbeln, zu bashen, wo es nur ging. Das mag rein wahltaktisch gewesen sein. Aber jetzt für ein Schuldenpaket, das noch viel größer ist als das zuvor von den Grünen geforderte, unbedingt die Stimmen der Grünen-Fraktion im Bundestag zu benötigen, grenzt schon an ein Pokerspiel.
Und die Grünen haben am Montag, dem 10. März, auch entsprechend reagiert und angekündigt, dem Finanzpaket im Bundestag nicht zustimmen zu wollen. Auch weil ihnen verbindliche Festlegungen – etwa zum Klimaschutz – fehlten.
Die fatalen Folgen der Schuldenbremse
Dass sich CDU/CSU und SPD nun mit den Stimmen der Grünen den Spielraum verschaffen wollen, den die Unionsparteien der Ampel-Regierung nicht zugestehen wollten, stößt bei den Grünen ganz sauer auf.
Denn dass der Bund mehr investieren muss, war jedem, der auch nur ein bisschen rechnen kann, auch vor der Wahl schon klar. Aber statt mit mehr Investitionen in den Wahlkampf zu gehen, hat gerade die CDU das Thema Schuldenbremse geritten und sich als strenger Wächter über das Geld verkauft.
Dabei ist auch das Wahlergebnis Folge einer jetzt seit Jahrzehnten anhaltenden Sparpolitik, die das Land für alle sichtbar auf Verschleiß fährt. Das stellen auch die DIW-Autor/-innen Alexander Kriwoluzky, Geraldine Dany-Knedlik und Malte Rieth in ihrem Beitrag fest, der am Montag, dem 10. März, veröffentlicht wurde: „Die Bundestagswahl im Februar hat die politischen Ränder gestärkt. Dafür verantwortlich waren und sind wohl viele verschiedene Faktoren, nicht zuletzt aber auch eine seit Jahren schlechte wirtschaftliche Lage.
Die öffentliche Infrastruktur zerbröselt vor aller Augen, Ämter und Behörden arbeiten an vielen Stellen ineffizient, analog und dysfunktional – um nur zwei Aspekte zu benennen. Deutschland lebt angesichts mangelnder Investitionen in die staatliche Infrastruktur seit Jahrzehnten von seiner Substanz. Der Anteil der öffentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt ist von 1970 bis zur Finanzkrise im Jahr 2010 auf ungefähr ein Drittel des ursprünglichen Wertes gesunken.“
Und daran beteiligt waren zwei Dinge, die den Staat regelrecht handlungsunfähig gemacht haben: die massiven Steuersenkungen in den 1990er Jahren, die vor allem die Spitzenverdiener entlasteten. Und die Abschaffung der Vermögenssteuer, die die Superreichen entlasteten. Die so „eingesparten“ Gelder summieren sich längst auf Billionenbeträge, die der Staat schlichtweg nicht eingenommen hat und deshalb auch nicht in Infrastrukturen investieren konnte.
„Angesichts dieser Entwicklung haben sich CDU/CSU und SPD in ihren Sondierungsgesprächen laut einem Pressenstatement auf ein Investitionspaket geeinigt, über das diese und nächste Woche der Deutsche Bundestag beraten und abstimmen soll. Es hat einen Umfang von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre und soll über Sondervermögen für Infrastruktur finanziert werden“, so die DIW-Autor/-innen, die jetzt einmal hochgerechnet haben, welchen Effekt ein 500-Milliarden-Euro-Paket für die deutsche Wirtschaft hätte.
Investitionspaket würde Deutschland Konjunkturschub verleihen
In ihrem Beitrag haben die Autor/-innen den konjunkturellen Effekt des Sondervermögens für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre abgeschätzt. Die Annahme dabei: „Auf Basis des historischen Datensatzes unterstellt das analysierte Szenario, dass die öffentlichen Investitionen ab 2026 steigen. Dabei wird berücksichtigt, dass die öffentlichen Investitionen aufgrund einer administrativen Anlaufphase nur Schritt für Schritt hochgefahren werden können und ihren – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – Höchststand erst in den Jahren 2030 und 2031 erreichen.
Der simulierte Ausgabenpfad berücksichtigt also den typischen Ausgabenverlauf bei öffentlichen Investitionen in Deutschland, der mit den historischen Daten geschätzt wurde. Investitionsprojekte müssen zunächst geplant, genehmigt, vergeben und dann umgesetzt werden – bis sie sich in der Wertschöpfung widerspiegeln, dauert es zwangsläufig eine Weile.“
Aber auch diese bekannten langen Anlaufphasen für öffentliche Investitionen bringen schon im ersten Jahr Effekte.
„In das Modell werden deshalb für das kommende Jahr 2026 zunächst rund 20 Milliarden Euro eingestellt, was einem Anstieg des Anteils der öffentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent entspricht. Im darauffolgenden Jahr 2027 lägen die öffentlichen Investitionen um rund ein Prozent höher als ohne das Sondervermögen und in den darauffolgenden Jahren bis 2030 um bis zu 1,4 Prozent.“
„Eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen um 500 Milliarden Euro hätte laut den Berechnungen zur Folge, dass die Wirtschaftsleistung in den kommenden zehn Jahren um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr höher läge als ohne die Erhöhung“, stelle die Autor/-innen fest. „Nach einer Anlaufphase wären die größten Anstiege der Wirtschaftsleistung für die Jahre 2028 und 2029 zu erwarten. Nach zehn Jahren wäre das Bruttoinlandsprodukt immer noch deutlich höher als ohne die zusätzlichen Ausgaben.“
Staatliche Investitionen sind Konjunkturtreiber
Was eigentlich eine ökonomische Binsenwahrheit betont: Der Staat spielt als Investor eine spürbare Rolle für die deutsche Wirtschaft. Wer die staatlichen Ausgaben kürzt, wie das jahrzehntelang Politik deutscher Regierungen war, der lässt nicht nur die Infrastrukturen zerbröseln, der sorgt auch dafür, dass die gesamte Wirtschaft stagniert.
Der Staat ist elementarer Bestandteil der Wirtschaft, auch wenn das neoliberale Ökonomen immer wieder negieren. Denn Investitionen verschwinden ja nicht in einem Loch – sie kurbeln einen Rattenschwanz weiterer Investitionen und wirtschaftlicher Aktivitäten an. Nur haben das viele Politiker vergessen, seit neoliberale Vorstellungen vom Wirtschaften die deutsche Politik und deutsche Ökonomie-Lehrstühle dominieren.
Oder mit den Worten der Autor/-innen: „Alles in allem stiege die Wirtschaftsleistung über den Simulationszeitraum etwa doppelt so stark wie die Ausgaben. Somit haben die öffentlichen Investitionen einen Multiplikator von ungefähr zwei. Aus diesen Effekten ergibt sich, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland aufgrund der Infrastrukturausgaben in den Jahren 2026, 2027 und 2028 um einen Prozentpunkt beziehungsweise um 1,5 und 0,7 Prozentpunkte höher ausfallen dürfte als ohne das Investitionspaket.
Dies speist sich vor allem aus einem starken Anstieg der privaten Investitionen. Der private Konsum trägt ebenfalls zu dem Wirtschaftsaufschwung bei, wenngleich in deutlich geringerem Umfang.“
Wer also auf die Stagnation der deutschen Wirtschaft schaut, der muss auch die fatale Rolle der Schuldenbremse und der falschen Steuerpolitik bedenken.
Warum öffentliche Investitionen das Bruttoinlandsprodukt erhöhen
„Dafür, dass sich staatliche Investitionen positiv auswirken, gibt es verschiedene Gründe“, betont der DIW-Beitrag. „Öffentliche Investitionen steigern direkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und das Einkommen. So erhöhen beispielsweise öffentliche Investitionen in den Straßenbau den Auftragsbestand bei den Tiefbauunternehmen. In der Folge steigen die gesamtwirtschaftlichen Einkommen der Beschäftigten und somit der private Konsum.
Dieser Effekt ist in dem hier verwendeten Modell abgebildet und umfasst die temporären Wirkungen öffentlicher Investitionen auf die Wirtschaft. Öffentliche Investitionen können auch private Dynamiken entfalten: So reduziert eine bessere Infrastruktur die privaten Investitionskosten – etwa indem Investitionsgüter schneller transportiert und Anträge schneller bearbeitet werden. Zudem erhöht ein höherer öffentlicher Kapitalstock die Produktivität der privaten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital.“
Und so ziehen die Autor/-innen auch ein deutliches Fazit: „Mit dem 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket könnte der kommenden Bundesregierung der nötige Befreiungsschlag gelingen, um die strukturellen Probleme Deutschlands, die seit langem auch die Konjunktur belasten, anzugehen. Die Wirtschaftsleistung fiele in den kommenden zehn Jahren infolge der zusätzlichen Ausgaben um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr höher aus.“
Und: „Damit könnte der negative Kreislauf aus schlechter konjunktureller Lage, geringeren Steuereinnahmen und weniger öffentlichen Investitionen durchbrochen werden. Die Simulationsergebnisse legen nahe, dass das Geld gut investiert wäre. Es würde die deutsche Wirtschaft ab dem kommenden Jahr aus der Stagnation hieven – zwar spät, aber besser als nie.“
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