Am 15. November 2017 haben sie bereits schon einmal auf den Oberbürgermeister Burkhard Jung gewartet und ihm die Petition „Leipzig kohlefrei“ mit 2.000 Unterschriften übergeben. Bislang hat es nicht viel geholfen, der Petitionsausschuss hat die Petition zur Ablehnung in den heutigen Stadtrat geschickt. Nun standen sie erneut vor den Türen des großen Ratssaales und warteten auf die Stadträte, welche heute über die Initiative von Ökolöwen, BUND und Greenpeace abzustimmen hatten.

Bereits vor dem Neuen Rathaus warteten heute die Aktivisten auf die eintrudelnden Stadträte mit einer kleinen Demonstration.

Hinter dem Willen der Petenten steht ein komplexer Gedanke und ebenso komplexe Gegebenheiten. In einem Mix aus freiem Energiemarkt, eigenen Angeboten an die Leipziger und kombinierten Angeboten wirtschaften die Stadtwerke bislang neben dem Handel mit Öko-Energie aus Wasser-, Solar- und Wind-Energie eben auch noch mit Braunkohlestrom. Und den entsprechenden Begleitprodukten, wie zum Beispiel die Fernwärme für viele Leipziger Haushalte, die vor allem vom Kraftwerk Lippendorf kommt. Dabei verkaufen die Stadtwerke teilweise selbst produzierten Ökostrom weiter oder kaufen ihn ein, bieten diesen den Endverbrauchern an und mischen ihn unter andere Tarife – hier also auch mit anderen Stromarten wie eben Kohlestrom.

Bereits im Vorfeld hatten die Petenten nochmals betont, dass man im Tarifsystem der Stadtwerke vor allem auf der Internetseite den reinen Ökostrom schlecht finden, dieser also unzureichend beworben würde, vor allem aber der Versuch unternommen werden müsse, bereits ab 2023 statt erst 2030 aus dem Fernwärmevertrag mit Lippendorf auszusteigen. Kurz vor der Sitzung am heutigen 18. April bekräftigten sie erneut die Forderung: „Leipzig Kohlefrei fordert die Stadtwerke (…) auf, schnellstmöglich den Bezug von Kohlestrom zu stoppen und ein zukunftsfähiges Wärmekonzept zu entwickeln, damit zum Ende der Vertragslaufzeit mit dem Kraftwerk Lippendorf im Jahr 2023 auch eine kohlefreie Wärmeversorgung möglich ist.“

Gewinner seien am Ende alle Leipziger, die durch die Emissionen des Kraftwerks Lippendorf zusätzlich einem stetigen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sind.

Die Frage ist und bleibt jedoch: Haben die Leipziger Stadtwerke schon 2023 die nötigen eigenen Strukturen mit kleinen Stadtteil-Blockheizkraftwerken und was ergibt die Machbarkeitsdebatte am heutigen Tag im Stadtrat und die bereits versprochene Prüfung durch die Stadt Leipzig?

Nach 17 Uhr werden die Petitionen in der heutigen Ratsversammlung aufgerufen. Dazu wird es dann an dieser Stelle ein Update geben.

Update 17:35 Uhr: Stadtrat lehnt die Petition ab

Als erste ergriff Gesine Märtens für die Grünen das Wort „Wir lehnen den Vorschlag des Petitionsausschusses, die Petition abzulehnen, entschieden ab.“ Der Verwaltungsstandpunkt zeige, dass das Anliegen nicht verstanden, ja sogar falsch wiedergegeben wurde. So fordere die Petition, bis 2023 aus der Kohle auszusteigen, die Verwaltung macht daraus einfach 2030. Schlimmer aber fand sie das Zeichen, das hinter der Art des Umgangs mit dieser Petition stehe. „So können wir nicht mit dem Willen der Bürger umgehen“, sagte die Stadträtin.

„Wir haben im Übrigen nichts zu entscheiden, der Kohleausstieg ist bereits auf Bundesebene entschieden“, so Märtens zum Braunkohleausstieg. „Wir brauchen so oder so ein Konzept für den Kohleausstieg.“

Christopher Zenker (SPD) machte es noch einmal etwas spannend und erklärte – wenn auch nur für sich selbst: „Ich teile die Kritik von Frau Märtens ausdrücklich. Vor allem der Verwaltungsvorschlag fällt über bislang Bekanntes sogar zurück.“ Weshalb er diesen ablehnen würde. „Auf 3,5 Tonnen pro Person in Leipzig wollen wir bis 2020 kommen“, so Zenker, hier fand er wenig Konkretes in der Verwaltungsantwort.

Zenker weiter: „Ich hätte mich gefreut, wenn die Verwaltung auf das grundlegende Ansinnen der Petition eingegangen wäre. Ich werde dem Verwaltungsstandpunkt nicht zustimmen.“ Tobias Keller wies für die AfD-Fraktion darauf hin, dass aus seiner Sicht die Stadtwerke noch nicht so weit wären mit den entsprechenden Vorbereitungen auf den Kohleausstieg. „Erst den ersten Schritt, dann den zweiten“, so Keller.

Mehrheitlich stimmten am Ende CDU, AfD, SPD mit 38 Stimmen für die Ablehnung der Petition. Grüne und Linke – jeweils mit einigen Ausnahmen auf beiden Seiten mit 24 dagegen. Damit bleiben die nächsten Schritte im Kohleausstieg der „Klimastadt Leipzig“ vage und unkonkret.

Am Rande der Abstimmung stellte sich die Frage, warum eigentlich niemand das Thema aufgeworfen habe, dass man mit der Senkung des CO2-Ausstoßes in Leipzig auch klimatische Fluchtursachen bekämpfen würde. Die Stimmen derer, die sonst so gern gegen „Wirtschaftsflüchtlinge“ wettern, hätten demnach vielleicht doch eher auf der anderen Seite landen müssen.

Video aus dem Stadtrat Leipzig, 18.04.2018, Quelle: Livestream Stadt Leipzig

Die April-Stadtratssitzung im Livestream & im Videomitschnitt

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