Die Namen der neuen Stadträte und Stadträtinnen stehen fest. Neben vielen bekannten Gesichtern werden nach der Sommerpause auch mehr als zwei dutzend neue Personen im wichtigsten Gremium der Stadt auftauchen. Während der Anteil der Frauen weiterhin gering bleibt, dürften die personell und rhetorisch erstarkte AfD-Fraktion sowie der Einzug einiger „Klare Kante“-Politiker in den Reihen von Grünen und Linkspartei für Emotionen sorgen.

Die Namen der 70 neuen Stadträte und Stadträtinnen stehen fest. Neben vielen bekannten Gesichtern werden nach der Sommerpause auch mehr als zwei dutzend neue Personen im wichtigsten Gremium der Stadt auftauchen. Während der Anteil der Frauen weiterhin gering bleibt, dürften die personell und rhetorisch erstarkte AfD-Fraktion sowie der Einzug einiger „Klare Kante“-Politiker in den Reihen von Grünen und Linkspartei für Emotionen sorgen.

Der Leipziger Stadtrat wird nach der Wahlentscheidung von immerhin 278.655 Leipzigerinnen und Leipzigern und einer Wahlbeteiligung von 59,7 Prozent in wenigen Monaten ein anderes Gesicht zeigen als im Moment. Fast die Hälfte aller derzeitigen Stadträte und Stadträtinnen werden dem Gremium nach der Sommerpause nicht mehr angehören.

Die meisten Abgänge gibt es in den Fraktionen von CDU und Linkspartei – jeweils acht. Vor allem bei der CDU ist das ein Ergebnis des schlechten Abschneidens bei der Kommunalwahl. Künftig wird die bislang größte Fraktion nicht mehr aus 19, sondern nur noch aus 13 Mitgliedern bestehen. Die Linksfraktion verliert lediglich zwei ihrer derzeit 17 Sitze.

Gleichzeitig gibt es bei den großen Parteien nirgendwo so wenige neue Gesichter wie bei der CDU: Mit Siegrun Seidel und Thomas Hoffmann kommen nur zwei Personen dazu, die aktuell noch nicht im Stadtrat sitzen. Bei der Linken sind es sechs.

Ähnlich wie bei der Linken sieht es bei Grünen und AfD aus. Dort stoßen acht beziehungsweise sieben neue Stadträte und Stadträtinnen zu den Fraktionen. Das erklärt sich vor allem aus dem starken Wahlergebnis beider Parteien. Während die AfD-Fraktion von vier auf elf Personen wächst und alle bisherigen Politiker der Partei erneut in den Stadtrat gewählt wurden, wird es bei den Grünen nach der Sommerpause mehr „neue“ (acht) als „alte“ (sieben) Fraktionsmitglieder geben.

Übrig geblieben bei der FDP: René Hobusch und Sven Morlok müssen nun eine neue Fraktion schmieden. Foto: L-IZ.de
Übrig geblieben bei der FDP: René Hobusch und Sven Morlok müssen nun eine neue Fraktion schmieden. Foto: L-IZ.de

Die Hälfte der Freibeuter geht von Bord

Aus der Freibeuter-Fraktion haben es lediglich die beiden FDP-Mitglieder René Hobusch und Sven Morlok erneut in den Stadtrat geschafft. Parteikollegin Naomi-Pia Witte und Piratin Ute Elisabeth Gabelmann werden voraussichtlich im Juni ihre letzte Sitzung als Stadträtinnen erleben. Auch die Fraktionslosen Alexej Danckwardt (Ex-Linke), Enrico Böhm (Ex-NPD) und Hassan Soilihi Mzé (Ex-SPD) werden dem neuen Stadtrat nicht angehören.

Einige jener Personen, die bald nicht mehr im Stadtrat sein werden, sind in den vergangenen Jahren kaum in Erscheinung getreten. Als Journalist, der jede Sitzung verfolgt hat, fällt es bei manchen Namen schwer, sich nur an eine einzige Rede zu erinnern.

Aber es verlassen auch Politiker/-innen den Stadtrat, die das Gremium in den vergangenen Jahren mit Humor, launigen Reden und scharfen Ansagen geprägt haben. Dazu zählen aus der Linksfraktion Margitta Hollick und Siegfried Schlegel sowie aus der CDU-Fraktion Ansbert Maciejewski und Achim Haas. Gab es mal ein hitziges Wortgefecht, war eine dieser Personen häufig daran beteiligt.

Zukünftig könnten sich die Fronten etwas verschieben. So spielte im aktuellen Stadtrat die AfD mangels Personen und wortgewandter Redner keine große Rolle. Nun kommen Rechtsaußen in den Stadtrat, von denen deutlichere Worte zu erwarten sind, darunter Roland Ulbrich, der einst Frauke Petry als sächsische Landesvorsitzende herausforderte. Und sich auf Demonstrationen mit Neonazis eine Bühne teilte. Ebenso dürfte der Leipziger Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese öfter ans Rednerpult treten.

Auf der anderen Seite betreten Politiker wie Jürgen Kasek (Grüne) und Michael Neuhaus (Linke) die Bühne des Stadtrates. Sie sprachen auf der Anti-AfD-Demonstration am Tag nach der Wahl im Zusammenhang mit der Rechtspartei von „Arschlöchern“ und „Drecksfaschisten“. Insgesamt dürfte so manche Debatte demnach härter verlaufen, als bislang.

Eine Frau mehr

Ebenfalls keine gute Entwicklung: Die Frauenquote im Stadtrat hat sich nicht nennenswert verbessert. Sie steigt von 31 auf 33 Prozent. Künftig werden nicht mehr 22, sondern 23 von 70 Personen weiblich sein. Hinzu kommt Oberbürgermeister Burkhard Jung als stimmberechtigtes Mitglied.

Unter den fünf großen Parteien ist die Linke die einzige, die künftig weniger Frauen im Stadtrat haben wird als bislang: sechs statt acht. Bei der SPD steigt die Anzahl von zwei auf vier, bei allen anderen um jeweils eine Person, also bei AfD auf eine, bei CDU auf vier und bei Grünen auf acht. Die SPD kann ihren Frauenanteil somit von 18 auf 44 Prozent steigern. Der Frauenanteil bei der CDU erhöht sich von 16 auf 31 Prozent.

Die AfD wird künftig mit einem Frauenanteil von neun Prozent im Stadtrat vertreten sein – also neun Prozentpunkte mehr als bislang und neun Prozentpunkte mehr als bei FDP (drei Stadträte), PARTEI (zwei Stadträte) sowie WVL und Piraten (jeweils ein Stadtrat).

Der Festsaal neben dem Stadtratssaal. Ab Juni 2019 für mindestens ein Jahr das neue Zuhause des Stadtrates. Foto: L-IZ.de
Der Festsaal neben dem Stadtratssaal. Ab Juni 2019 für mindestens ein Jahr das neue Zuhause des Stadtrates. Foto: L-IZ.de

Fraktionsbildungen und Mehrheiten

Die Zahlen stehen allesamt unter Vorbehalt. Gut möglich, dass sich einige Mitglieder der kleinen Parteien den großen Fraktionen anschließen werden. So will Bert Sander (WVL) wohl bereits relativ sicher die Grünen-Fraktion verstärken, während die PARTEI-Stadträte wohl gerade schwer am grübeln sein werden, wohin sie sich wenden können.

Denn gehört man keiner Fraktion (ab vier Stadträten) an oder kann keine bilden, ist die Mitarbeit an den Fach-Ausschüssen unmöglich, auch geordnete Arbeitstrukturen oder gar Mitarbeitereinstellungen entfallen. Dieses Problem haben also neben Bert Sander auch die anderen kleineren Parteien wie FDP, Piraten und PARTEI.

Da es erfahrungsgemäß und laut Parteilinie für PARTEI-Politiker eigentlich ausgeschlossen ist, mit der „Spaßpartei FDP“ zu koalieren, könnte es für die FDP dringend nötig machen, um Thomas Köhler von den Piraten zu werben. Obwohl passend zum Namen „Freibeuter“ steht hier das Problem im Raum, dass selbst die durchaus fleißige Arbeit der herausgewählten Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) wenig half, um im Wahlkampf noch als eigenständig wahrgenommen zu werden. Eine Gefahr, die dem neuen Piraten allerdings auch bei den anderen Fraktionen drohen könnte.

Für Thomas Kumbernuß und Marcus Weiss (beide PARTEI) könnte der Weg eher zu den Linken oder Grünen führen, was die bereits gegebene grün-rot-rote Mehrheit von 39 Stimmen von 70 auf weitere zwei und durch Sander auf gesamt 43 steigen lassen könnte. Ein mehr als komfortabler Vorsprung jenseits der CDU, AfD und FDP also für gemeinsame Projekte von Grün-Rot-Rot.

Interessant dabei: gehen die beiden PARTEI-Sitze in der linken (15) oder grünen Fraktion (16 mit Sander) auf, erhöhte sich diese Zahl der beiden allein bereits auf 33 Stimmen. So wären sogar Ratsbeschlüsse ohne SPD-Zustimmung gemeinsam mit den drei FDP-Räten möglich. Es könnte demnach sogar für die deutlich verjüngte SPD-Fraktion von Interesse sein, mit den beiden PARTEI-Räten zu sprechen.

Spätestens in ein paar Tagen dürften aus diesem Gemunkel erste Tatsachen geworden sein, zur Ratsversammlung am 26. Juni 2019 treffen sich dann erfahrungsgemäß alter und neuer Stadtrat gemeinsam zur Sitzung im Leipziger Ratssaal. Dieses Mal allerdings nebenan im umgebauten Festsaal, denn ab der Juni-Versammlung wird man mindestens ein Jahr hier tagen, während der eigentliche Sitzungssaal runderneuert wird.

Die Wahlergebnisse zum neuen Stadtrat in Leipzig. Bild: Stadt Leipzig
Die Wahlergebnisse zum neuen Stadtrat in Leipzig. Bild: Stadt Leipzig

Der neue Stadtrat von Leipzig

CDU – 13 Sitze (- 7,4 Prozent) Dr. Heymann, Sabine; Dossin, Falk; Seidel, Siegrun; Lehmann, Jens; Tornau, Frank; Albrecht, Karsten; Heller, Jessica; Habicht, Andreas; Weickert, Michael; Rothkegel, Claus-Uwe; Hoffmann, Thomas; Riedel, Konrad; Niermann, Andrea

Linke – 15 Sitze (- 2,8 Prozent) Riekewald, Franziska; Neuhaus, Michael; Wehmann, Steffen; Ehms, Beate; Rambow, William; Dr. Naumov, Olga; Nagel, Juliane; Götze, Marco; Dr. Bednarsky, Adam; Weber, Mathias; Gehrt, Mandy; Pellmann, Sören; Dr. Külow, Volker; Küng-Vildebrand, Marianne; Gebhardt, Oliver

SPD 9 Sitze (- 5,9 Prozent) Dr. Abraham, Getu; Feichtinger, Anja; Böhm, HeikeM Zenker, Christopher; Köhler-Siegel; Ute, Bär; Heiko, Schulze; Christian, Geisler; Andreas; März, Christina

Grüne – 15 Sitze (+ 5,7 Prozent) Krefft, Katharina; Elschner, Tim; Silvestre Fernández, Nuria; Dr. Peter, Tobias; Kasek, Jürgen; Gruner, Stefanie; Meißner, Martin; Dr. Märtens, Gesine; Volger, Norman; Kraft, Sophia; Schmidt, Michael; Weyh, Kristina; Cagalj Sejdi, Petra; Körner, Annette; Biederstedt, Martin

AfD – 11 Sitze (+ 8,5 Prozent) Kühne, Jörg; Pasemann, Falk-Gert; Beyer, Marius; Keller, Tobias; Ulbrich, Roland; Droese, Siegbert; Obser, Karl-Heinz; Deubel, Sylvia; Kriegel, Christian; Neumann, Christoph; Hentschel, Holger

FDP – 3 Sitze (+ 1,9 Prozent) Morlok, Sven; Hobusch, René; Dr. Reinhold, Klaus-Peter

Die PARTEI – 2 Sitze (+ 2,7 Prozent) Kumbernuß, Thomas; Weiss, Marcus

Piraten – 1 Sitz (- 0,5 Prozent) Köhler, Thomas

WVL – 1 Sitz (+ 0,8 Prozent) Sander, Bert

Leipzig wählt: 470.000 Menschen sind heute zur Europa- und Kommunalwahl aufgerufen

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