Wie hilft man Menschen sinnvoll, die obdachlos auf der Straße leben? Mit dem Modellprojekt „Eigene Wohnung“ möchte die Stadt insbesondere obdachlose Personen mit multiplen Problemlagen erreichen. Dazu gehören auch suchtkranke und psychisch kranke Personen. Teilnehmende müssen keine Abstinenz oder Therapiebereitschaft vorweisen. Personen, die besonders stark ausgegrenzt sind und mit anderen bestehenden Hilfeangeboten weniger gut erreicht werden, sollen bevorzugt in das Projekt aufgenommen werden. Der Stadtrat gab dem Vorhaben am Mittwoch grünes Licht.

„Die Vermittlung in eine eigene Wohnung ist ein Ziel der Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig“, erläuterte Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD). Für obdachlose Personen mit schwerwiegenden Problemen ist es in Leipzig schwer, eine eigene Wohnung zu finden. Dies liegt zum einen an einer hohen Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum im Verhältnis zum Angebot, insbesondere für Alleinstehende.Darüber hinaus zeigen Wohnungsunternehmen und Privatvermieter Vorbehalte gegenüber obdachlosen Personen, unter anderem wegen ihrer Mietschulden oder mietwidrigen Verhaltens. Die Notunterbringung in Übernachtungshäusern ist wiederum kostenintensiv. Zudem werden viele obdachlose Personen mit diesem Hilfeangebot nicht erreicht. Besonders dramatisch gestaltet sich die Situation für jene Menschen, die auf der Straße leben.

Eine Lösung könnte das Konzept „Housing First“ sein, das aus den USA stammt und schon in einigen anderen deutschen Städten umgesetzt wird. Dabei wird obdachlosen Personen eine Wohnung vermittelt, damit dort ein Neuanfang gelingen kann. Zu Beginn des Projektes sollen 25 Haushalte aufgenommen werden, wobei davon ausgegangen wird, dass es sich vorwiegend um Einpersonenhaushalte handelt.

Wenn sich der Betreuungsaufwand für diese 25 Haushalte im Verlauf des Projektes verringert oder Teilnehmer aus dem Projekt ausscheiden, sollen weitere Personen in das Projekt aufgenommen werden. Es wird damit gerechnet, dass auf diese Weise mindestens 40 Personen im Modellprojekt betreut werden können.

Die Teilnehmer werden eine eigene Wohnung mit Mietvertrag erhalten. Diese sollen über das gesamte Stadtgebiet verteilt sein und sich nicht in einzelnen Gebäuden konzentrieren. Es werden Wohnungen von der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), bei Wohnungsgenossenschaften und von Privatvermietern akquiriert. Ein Grundstock von 35 malermäßig instandgesetzten und bezugsfertigen Wohnungen soll durch die LWB bereitgestellt werden.

Wenn Bedarf an weiteren Wohnungen besteht, stellt die kommunale Wohnungsgesellschaft im Projektzeitraum bis zu 15 weitere Wohnungen bereit. Die Teilnehmer erhalten fakultativ eine ambulante soziale Betreuung, die durch einen freien Träger der Wohnungsnotfallhilfe erbracht werden soll. Die Kosten des Modellprojekts belaufen sich bis 2024 auf rund 1,2 Millionen Euro.

„Von ,Hosing First‘ können wir viel lernen. Es ergänzt unsere bestehenden Hilfsangebote sehr gut“, meinte Fabian am Donnerstag. „Mit diesem Projekt soll ein Paradigmenwechsel einhergehen.“

„Eine Wohnung muss ein Anfang sein, nicht das Ende eines langen Weges“, betonte Katharina Krefft (Grüne). „Das ist das Neue. Erst die Wohnung.“ Die CDU lehnte die Vorlage ab. „Insbesondere für Obdachlose mit Mehrfachrisikofaktoren ist fehlende Struktur ein Problem“, erläuterte Jessica Heller (CDU). Dass die Inanspruchnahme einer sozialen Begleitung nur fakultativ sein soll, störte die Christdemokraten.

„Wir sehen hierin eine Gefährdung des gesamten Projektes.“ Christian Kriegel (AfD) versuchte, die Obdachlosen argumentativ gegen andere sozial schwache Gruppen auszuspielen, indem er auf vermeintliche Besserstellungen der Teilnehmenden hinwies. Wie erwartbar, stimmten sie deshalb gegen die Vorlage.

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