Es gibt Themen, die köcheln vor sich hin. Manchmal scheint eine Lösung greifbar. Dann löst sie sich wieder in Luft auf und das Problem bleibt wieder auf Jahre ungelöst. So wie mit der Notunterkunft für die Obdachlosen, die bis zu den beginnenden Bauarbeiten im künftigen Löwitz-Quartier auf der Westseite des Hauptbahnhofs dort in den alten Lagerschuppen provisorisch untergekommen waren. Seit vier Jahren wollte die Stadt schon ein neues Notquartier finden.

„Am 4. November 2020 wurden im Rahmen der 42. Sicherheitskonferenz des Kommunalen Präventionsrates die Ergebnisse des bundesgeförderten Projektes ‚Sicherheit im Bahnhofsviertel‘ (SiBa) präsentiert“, hatte die Linksfraktion in einer Anfrage dazu formuliert.

„Es handelt sich laut Mitteilung der Stadt Leipzig um ein ‚ganzheitliches Sicherheitskonzept für das Areal rund um den Leipziger Bahnhof‘. In der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Dezember 2020 heißt es, dass über sich daraus ergebende Schritte ‚nach Erhalt und Kenntnisnahme der Forschungsergebnisse im ersten Quartal 2021 mit den relevanten Akteurinnen und Akteuren innerhalb der Stadtverwaltung beraten wird‘. Zudem werden Aussagen zu einem geplanten Runden Tisch ‚Hauptbahnhof‘ und zu einer möglichen Evaluation von ergriffenen Maßnahmen getroffen.“

Darin steckte auch die Frage: „Hält die Stadtverwaltung an dem Plan fest, innenstadtnah eine Notübernachtung für Wohnungslose zu etablieren oder wurde dieser Plan angesichts der fehlenden räumlichen Kapazitäten verworfen?“

Denn zur Ganzheitlichkeit gehört ja nun einmal auch, dass auch belastbare Lösungen für die Obdachlosen gefunden werden.

Doch eine Lösung ist noch immer nicht in Sicht, wie das Ordnungsamt mitteilte: „Die Stadtverwaltung hält weiterhin an dem Plan fest, innenstadtnah eine kostenfreie Notschlafstelle in Form eines ganzjährig betriebenen Kälteschutzes für wohnungslose Menschen zu etablieren. Dieses Ziel sieht auch der Fachplan Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig 2018 bis 2022 (VI-DS-06434-NF-02) in Maßnahme 11 vor. Trotz intensiver Bemühungen des Liegenschaftsamtes und des Sozialamtes ist es bisher noch nicht gelungen, ein geeignetes Objekt anzumieten oder anzukaufen.“

Wärmebus, Toilette, Dusche

Was man geschafft habe, so Sozialbürgermeister Thomas Fabian am 13. Juli in der Ratsversammlung, wäre einen Zugang zu Toiletten zu schaffen, Duschmöglichkeiten und im Winter die Bereitstellung eines Kältebusses, in dem sich die Obdachlosen aufwärmen können. Nur die Suche nach einem Objekt mit Notschlafstellen habe bis heute zu keinem Ergebnis geführt.

Was die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft zu der Nachfrage brachte, warum das nicht der Fall wäre, denn die Grünen hatten ja selbst auch noch eine Anfrage gestellt: „Anmietung der Liegenschaft ‚Preußenseite‘ für die Aufgaben der Bahnhofsmission“.

In der Antwort an die Grünen wurde noch viel ausführlicher auf die bislang erfolglose Suche nach einem Objekt eingegangen, in dem Notschlafstellen in Bahnhofsnähe untergebracht werden könnten: „Daneben wurde geprüft, ob sich im kommunalen Bestand Objekte in Zentrumsnähe befinden, die als Notschlafstelle geeignet sind. Die Stadt Leipzig verfügt aber selbst über keine geeigneten Immobilien in dieser zentralen Lage“, heißt es in der Auskunft des Sozialamtes.

„Auf Immobilienportalen eingestellte Liegenschaften waren nicht als Notschlafstelle geeignet. Das lag an der Lage in einem Gewerbegebiet, in dem bauplanungsrechtlich keine Unterbringung obdachloser Menschen zulässig ist, am hohen Sanierungsaufwand oder der befristeten Nutzungsmöglichkeit.“

Das Sozialamt habe sich bei der Objektsuche auch direkt an große Bestandshalter wie die Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG Immobilien GmbH) und die Deutsche Bahn AG DB Immobilien gewandt.

„In der AG Innenstadt des Kriminalpräventiven Rates wurde der Wunsch nach Anmietung einer Immobilie zur Nutzung als Notschlafstelle ebenfalls angesprochen. Zudem wurden die freien Träger der Wohnungslosenhilfe gebeten, bei der Objektsuche zu unterstützen. Auch wenn all diese Maßnahmen bisher nicht erfolgreich waren, hält die Stadt Leipzig an der Umsetzung der Maßnahmen des Fachplans Wohnungsnotfallhilfe 2018 bis 2022 fest.“

Fahrradstation kann keine Bahnhofsmission werden

Das sind also schon vier Jahre ohne Ergebnis. Und deshalb fragten die Grünen ganz speziell nach der ehemaligen Fahrradstation auf der Westseite des Bahnhofs („Preußenseite“), wo vorübergehend die Betreuung für ankommende Ukraine-Flüchtlinge untergebracht wurde.

Doch hier sieht das ECE-Centermanagement, das die Hauptbahnhof-Promenaden betreibt, nach Auskunft des Sozialamtes keine Möglichkeit, zum Beispiel größere Räumlichkeiten für die Bahnhofsmission einzurichten, die jetzt schon in viel zu engen Räumlichkeiten im Hauptbahnhof arbeiten muss.

Die Auskunft des Sozialamtes: „Die Liegenschaften auf der Westseite des Hauptbahnhofes, die für die ankommenden Personen aus der Ukraine genutzt wurden, können nicht langfristig für die Bahnhofsmission angemietet werden. Nach Auskunft des ECE Center Managements der Promenaden Hauptbahnhof ist das Vorhalten einer Fahrradstation Bestandteil der Baugenehmigung. Nach der aktuellen Nutzung zur Versorgung ankommender Menschen aus der Ukraine wird an dem Standort wieder eine Fahrradstation eingerichtet.“

Was Katharina Krefft erst recht verwirrte, denn eine Fahrradstation in dem Sinn gibt es am Hauptbahnhof ebenfalls bis heute nicht. Das stand zwar so drüber über dem Fahrradladen, der sich einmal in diesem Gebäude befand. Aber seit fast zehn Jahren warten Leipzigs Radfahrer darauf, dass es am Hauptbahnhof tatsächlich einmal eine richtige Fahrradstation gibt.

So sind also zwei Themen völlig ungelöst.

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