Seit einigen erschütternden Unfällen mit Radfahrer/-innen, bei denen abbiegende Lkw-Fahrer sie schlicht im toten Winkel übersahen, diskutiert Leipzig über Abbiegeassistenten. Eigentlich ein Thema, das längst umgesetzt werden kann. Und die Stadt Leipzig ist schon dabei, den städtischen Fuhrpark entsprechend aufzurüsten, erklärte die Verwaltung jüngst in einer Stellungnahme zu einer Petition mit über 3.500 Unterschriften.

Der Petitionsausschuss hat die Stellungnahme der Verwaltung jetzt zwar inhaltlich übernommen. Aber was die Verwaltung als Beschlussformel vorgeschlagen hat, war dem Petitionsausschuss einfach zu billig: „Die Petition wird als erledigt angesehen, weil bei einer Neuanschaffung von Fahrzeugen über 3,5 Tonnen nur solche mit Abbiegeassistenten angeschafft werden, vorhandene Fahrzeuge ohne Abbiegeassistenten werden zeitnah nachgerüstet“, hatte die Verwaltung gemeint.Also alles paletti? Nicht wirklich, auch wenn dem eine lange Liste beigefügt war, wie Stadt und Eigenbetriebe bei Neuanschaffungen schon das Thema Abbiegeassistent umsetzen. Aber so recht traut der Petitionsausschuss dem Frieden nicht. Er will einen ordentlichen Stadtratsbeschluss, damit sich später niemand herausreden kann: „Entsprechend der Beschlusslage werden bei einer Neuanschaffung von Fahrzeugen über 3,5 Tonnen nur solche mit Abbiegeassistenten angeschafft, vorhandene Fahrzeuge ohne Abbiegeassistenten werden zeitnah nachgerüstet.“

Abstimmen wird der Stadtrat darüber am 13. Oktober.

Und da das mit der Formulierung des Petitionsausschusses zu einem verbindlichen Beschluss werden soll, können die Leipziger/-innen auch darauf pochen, dass sich Verwaltung und Eigenbetriebe daran halten. Immerhin war die offizielle Petitionsübergabe schon vor einem Jahr, Zeit genug, dass sich die Beschaffungsabteilung umstellen konnte und die Abbiegeassistenten bei jedem Lkw-Kauf zur Bedingung gemacht hat.

„Alle Neuanschaffungen der Fahrzeuge vom Typ LKW mit einer zulässigen Gesamtmasse ab 3,5 t werden grundsätzlich mit Abbiegeassistenten ausgeschrieben und wenn verfügbar, auch nur noch mit dieser Ausstattung beschafft“, hatte die Verwaltung berichtet.

„Vorhandene LKW im städtischen Fuhrpark werden zeitnah mit Abbiegeassistenten nachgerüstet. Auf die Stadtverwaltung Leipzig, Hauptamt, sind derzeit noch 34 Fahrzeuge vom Typ LKW mit einer Nutzlast von mehr als 3,5 t ohne Abbiegeassistenten zugelassen. Da von dieser Fahrzeugklasse die größte Gefahr beim Rechtsabbiegen ausgeht, liegt hier auch der Vorrang bezüglich der Nachrüstung. Im Zeitraum Dezember 2019 bis September 2020 konnten bereits haushaltsneutral 14 Nutzfahrzeuge mit Abbiegeassistenten nachgerüstet werden. Weitere Nachrüstungen sind vorgesehen und finden in der HH-Planung 2021/2022, im Budget der Nutzenden und damit zuständigen Organisationseinheiten Beachtung.“

Stadtreinigung in L-Konzern rüsten um

Gleichzeitig meldete die Verwaltung, dass die Stadtreinigung Leipzig inzwischen 63 Prozent ihrer Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten ausgerüstet hat.

Und auch im Stadtkonzern werde an der Umrüstung gearbeitet: „Bei Neubeschaffungen von LKW und Bussen werden die entsprechenden Fahrzeuge ab Werk mit Abbiegeassistenten geordert. Sollte die Lieferung von Neufahrzeugen ab Werk mit Abbiegeassistenzsystemen nicht möglich sein, werden diese vor Auslieferung an den Endnutzer durch eine Tochtergesellschaft der LVV, die LTB Leipziger Transport und Logistik GmbH (LTB), entsprechend nachgerüstet.

Ebenfalls koordiniert die LTB die Maßnahmen für alle Nicht-ÖPNV-Bestandsfahrzeuge. Insgesamt sollen 98 gewerbliche Fahrzeuge der LW-Unternehmensgruppe mit einem ASS ausgestattet werden. Seit Mitte September 2020 wurden bereits 28 Fahrzeuge nachgerüstet. Es ist geplant bis Jahresende 2020 ca. 70 Fahrzeuge mit einem ASS auszustatten. Die restlichen Fahrzeuge sollen im 1. Quartal 2021 nachfolgen.“

Man merkt, wie lange die Petition schon vor sich hinschmort. Eigentlich stand sie schon im Juni zum Beschluss in der Ratsversammlung an.

Einfahrverbot für Lkw ohne Abbiegeassistent

Länger dauern wird nur der Wunsch, Lkw ohne Abbiegeassistent künftig die Einfahrt nach Leipzig zu untersagen: „Der Vorschlag, die Straßenverkehrs-Ordnung dahingehend zu ändern, dass Einfahrverbote für Lkw ohne Abbiegeassistenten erlassen werden können, wird befürwortet. Die Stadt Leipzig wird sich auf Bundesebene über den Deutschen Städtetag sowie über dessen Fachkommission Großstädtischer Straßenverkehrsbehörden, in der die Stadt Leipzig Mitglied ist, für die Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung einsetzen.“

Und seit dem tragischen Unfall am Martin-Luther-Ring ist auch im VTA klar, dass man auch die Radwege anders gestalten muss, damit solche Abbiegeunfälle nicht mehr passieren. Das ist zwar andernorts schon länger klar, aber es wird in Leipzig so langsam auch umgesetzt:

„Mit der Förderung des Radverkehrs wird das Ziel verfolgt, ebenso dessen Sicherheit zu erhöhen. Auf der Grundlage des Regelwerkes Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) werden planerische Lösungen geprüft und innerhalb des straßenverkehrsrechtlichen Rahmens berücksichtigt. Dazu zählen unter anderem das Herstellen der Sichtbarkeit des Radverkehrs durch Führung im Blickfeld des Kfz-Verkehrs im Längsverkehr, das Vorziehen von Haltelinien für den Radverkehr in Knotenpunktzufahrten und damit der Möglichkeit des Aufstellens im Blickfeld des Kfz-Verkehrs.“

Und auch das Entkoppeln der Ampelschaltungen für Radfahrer und Kfz-Verkehr bringt Radfahrende besser ins Blickfeld der Kraftfahrer. Was natürlich den Einbau von Abbiegeassistenten nicht überflüssig macht.

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