So manches, was in der letzten Ratsversammlung auf den Tisch kam, stand unter erheblichem Termindruck. So wie die überarbeitete Gewässerunterhaltungssatzung für Leipzig. Da sie noch vor Jahresende beschlossen werden sollte, war nicht nur die Behandlung in den Stadtratsausschüssen knapp. Auch Ortschaftsräte und Landwirte konnten nicht noch einmal einbezogen werden.

Letztere meldeten sich dann mit dicken Schreiben noch einmal bei den Fraktionen zu Wort. Die CDU-Fraktion reagierte und stellte entsprechend einen Änderungsantrag, der im Wesentlichen eine Verschiebung der Vorlage zum Inhalt hatte: „Der Entwurf der Gewässerunterhaltungssatzung wird nochmals in die Gremien zurückverwiesen.“

Womit dann eine mögliche Gebührenerhebung noch für 2022 nicht mehr möglich geworden wäre.

Dabei hatte die Stadt schon seit Jahren auf Gebühren von Anliegern und Nutzern wie den Bootsbetreibern verzichtet, weil das Oberverwaltungsgericht in Bautzen 2019 die erste Satzung für ungültig erklärt hatte. Aber es hatte auch ganz genau erklärt, welche Punkte aus der Satzung nicht rechtskonform waren. Und die haben nun einmal wenig mit den Landwirten zu tun, die an solchen Gewässern ihre Felder haben.

Natürlich steht die Frage, was sie nun von den Gräben, Bächen und Kanälen haben, an denen ihre Felder liegen. Aber Landwirte, die sich schon mit den Themen Artenvielfalt, Gewässerschutz und Klimawandel beschäftigt haben, wissen es.

Und ziemlich deutlich sagte Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek in der Ratsversammlung am 15. Dezember, wie sehr das Ansinnen der Agrarbetriebe, die Satzung jetzt noch einmal aufzudröseln und durch alle möglichen Gremien zu schicken, am eigentlichen Thema vorbeigeht. Denn die vom Gericht benannten Stellen in der Satzung, die rechtlich nicht haltbar sind, seien geheilt worden.

Was war eigentlich der Schwachpunkt der alten Satzung?

„Die zuletzt am 22.04.2017 in Kraft getretene Gewässerunterhaltungssatzung, wurde mit dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes (SächsOVG) vom 27.08.2019 zu den Aktenzeichen 4 A 891/16, 4 A 229/17, 4 A 230/17 und 4 A 231/17 aufgrund mangelnder Bestimmtheit des Kreises der Abgabenpflichtigen für unwirksam erklärt. Ein Formulierungsfehler, der bereits in der Mustersatzung des Sächsischen Städte- und Gemeindetags enthalten war und in den Satzungstext der Gewässerunterhaltungssatzung übernommen wurde, hat dazu geführt, dass die Satzung gekippt werden konnte, weil eine Unbestimmtheit der Satzung zulasten des Satzungsgebers geht“, beschreibt das Amt für Stadtgrün und Gewässer das Problem, das die 2017 beschlossene Satzung gerichtlich angreifbar gemacht hat.

Die Vorlage zur Gewässerunterhaltungssatzung.

Aber es gab noch einen Grund zur Überarbeitung:

„Eine Revision hätte nur geringe Erfolgsaussichten gehabt, zumal das Gericht in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hatte, dass in Zukunft die Frage nach der Gewässerunterhaltungslast an künstlichen Gewässern eine Rolle spielen wird. Die Stadt Leipzig kann eine Gewässerunterhaltungsabgabe nur für die Gewässer erheben, für die sie eindeutig unterhaltungspflichtig ist.

Bisher wurde keine Unterscheidung zwischen Gewässern II. Ordnung und künstlichen Gewässern getroffen. Nach früherer Gesetzeslage galten alle Gewässer, die nicht Gewässer I. Ordnung waren automatisch als Gewässer II. Ordnung. Nach neuerer Gesetzeslage gilt bei künstlichen Gewässern entsprechend § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SächsWG derjenige als Träger der Unterhaltslast, der das Gewässer angelegt hat.“

Also musste das Amt noch einmal richtig Arbeit in die Überarbeitung der alten Satzung stecken:

„Das erforderte eine Überprüfung sämtlicher von der Stadt Leipzig unterhaltenen Gewässer durch die Untere Wasserbehörde dahingehend, ob die Gewässer natürlichen oder künstlichen Ursprungs sind. Im Ergebnis der Überprüfung wurden 28 Fließgewässer als künstliche Gewässer eingestuft. Entsprechend § 32 Abs. 4 S. 2 SächsWG können Gemeinden künstliche Gewässer durch Verwaltungsakt in ihre Unterhaltslast übernehmen. Das ist erforderlich, um Rechtssicherheit für die Erhebung der Gewässerunterhaltungsabgabe zu erlangen. Die Übernahme in die Unterhaltslast geschieht per Allgemeinverfügung.“

Das heißt: Die Stadt muss sich um die Pflege dieser künstlichen Gewässer kümmern, darf aber diese Kosten für die Unterhaltung umlegen.

Um Bäche und Kanäle muss sich jemand kümmern

„Die Allgemeinverfügung zur Übernahme der künstlichen Gewässer in die Unterhaltslast der Stadt Leipzig wurde in der DB OBM am 17.05.2022 ungeändert bestätigt. Am 13.07.2022 wird die Vorlage in die Ratsversammlung eingebracht. Die Veröffentlichung der Allgemeinverfügung erfolgt nach Beschlussfassung im Amtsblatt mit einer Widerspruchsfrist von einem Monat“, heißt es in der Vorlage.

Was auch bestätigt, was Kasek kritisiert hat: Die Vorlage zur Gewässerunterhaltungssatzung lag schon länger vor, kam aber erst mit Torschlusspanik in den Stadtrat zur Beschlussfassung.

Dass Leipzig so eine Satzung braucht – auch um Geld einzunehmen – machte in der Sitzung SPD-Stadtrat Andreas Geisler deutlich, der besonders auf die Bauern einging, von denen ja die deutlichste Kritik kam.

Aber ganz offensichtlich gibt es Bauern, die die Gewässer in ihrem Bereich gut pflegen und auch die Böschungen und Uferrandstreifen freihalten, wie es das Sächsische Wassergesetz vorschreibt. Andere aber, so Geisler, halten sich nicht daran und pflügen bis zur Böschungskante. Was dann bei Starkregen die altbekannten Folgen hat: Da wird dann nicht nur wertvoller Boden, sondern auch jede Menge Nitrat und so manches Pestizid in die Gräben gespült.

Und das Geld, das das Amt für Stadtgrün und Gewässer mit der Gewässernutzungssatzung einzunehmen hofft – rund 600.000 Euro pro Jahr – ist nur ein Bruchteil der Summe, die Leipzig aufwenden muss, um die Gewässer im Stadtgebiet der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gemäß aufzuwerten. Abgesehen davon, dass das Aussetzen der Satzung von 2017 in die Planungen des Amtes für Stadtgrün und Gewässer ein Loch von 1,5 Millionen Euro gerissen hat.

Kein Vertagen mehr

Dass die Stadtratsmehrheit ganz und gar nicht sieht, dass weitere Gremienbeteiligungen noch wesentliche Änderungen an der Satzung bringen könnten, war dann ziemlich schnell klar. Der völlig das Thema verfehlende Antrag der AfD-Fraktion, Leipzig solle auf Gewässerunterhaltungsgebühren komplett verzichten, fand dann auch nur in der AfD-Fraktion Zuspruch.

Der Wunsch auf Vertagung ins nächste Jahr und noch einmal die große Gremientour durch die CDU-Fraktion fand mit 13:34 Stimmen bei sieben Enthaltungen ein bisschen mehr Unterstützung, aber auch keine Mehrheit. Lediglich als Protokollnotiz ist jetzt eine nachträgliche Information der Ortschaftsräte vorgesehen.

Und der Rest war dann eindeutig: Mit 37:16 Stimmen bei vier Enthaltungen wurde die überarbeitete Gewässerunterhaltungssatzung für Leipzig angenommen. Sie erlangte damit noch für 2022 Wirkung, sodass die Gebühren noch für 2022 erhoben werden können.

Was natürlich Klagen nicht ausschließt, wie Rechtsanwalt Jürgen Kasek feststellte. Denn wenn jemand mit Kosten belastet wird, ist er nun einmal ein Betroffener und hat das Recht, den Klageweg zu beschreiten. Nur dass die Chancen für einen Erfolg nicht unbedingt groß sind, nachdem die neue Satzung die Kritikpunkte des Oberverwaltungsgerichts geheilt hat.

Der Spaß an dieser kleinen Debatte war: Es gab gleich zwei Rügen für einen AfD-Stadtrat und eine CDU-Stadträtin, die aus der Ausschusssitzung plauderten. Das dürfen sie nämlich nicht.

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