Bei der zunehmenden Klimaerwärmung wird auch eine Rolle spielen, wie viel Fläche in einer Stadt wie Leipzig versiegelt ist. Denn versiegelte Flächen heizen sich nicht nur besonders auf, sie können auch kein Wasser speichern und haben keinen Bewuchs. Die SPD-Fraktion wollte deshalb wissen, wie viel des Leipziger Stadtgebietes versiegelt ist. Doch richtig aktuelle Zahlen hat die Stadt (noch) nicht.

Das Jahrbuch der Stadt hilft bei dem Thema auch nicht weiter. Das weist zwar Siedlungs- und Verkehrsflächen aus, die für gewöhnlich versiegelt sind. Aber nicht unbedingt komplett. Mal gibt es begrünte Hinterhöfe, mal kleine Wiesen, mal Bauminseln. Sodass 54,9 Prozent Siedlungs- und Verkehrsfläche am Stadtgebiet nicht bedeuten, dass auch über die Hälfte versiegelt ist.

Das Stadtplanungsamt ist in seinen Akten trotzdem fündig geworden.

Fast 78 Quadratkilometer sind versiegelt

„Im Jahr 2017 hat die Stadt Leipzig (Amt für Geoinformation und Bodenordnung) zusammen mit den Leipziger Wasserwerken eine Befliegung durchgeführt und anschließend auf Basis der Luftbilddaten flächendeckend im Stadtgebiet die Versiegelung erfasst“, teilt es mit. Dabei wurde auch nach unterschiedlichen Versiegelungsgraden unterschieden. Das Stadtgplanungsamt: „Aus den Kategorien ‚teilversiegelt‘, ‚versiegelt‘ und ‚bebaut versiegelt‘ errechnet sich für das Jahr 2017 eine Versiegelung von 77.989.051 m2 im Stadtgebiet.“

Das sind immerhin rund 78 Quadratkilometer. Und wenn man das auf die knapp 298 Quadratkilometer Stadtgebiet umrechnet, kommt man auf einen Versiegelungsgrad von knapp 26 Prozent.

Was unter anderem auch für Starkregenereignisse eine Rolle spielt, wie das Stadtplanungsamt betont: „Der Datensatz ist im Zusammenhang mit dem Projekt ‚kommunale Anpassungsstrategien für wassersensible Infrastrukturen in Leipzig‘ entstanden und wurde als Grundlage für die Erstellung einer Starkregengefahrenkarte verwendet. Der Prozess zur wassersensiblen Stadtentwicklung wird gegenwärtig fach- und ämterübergreifend fortgeführt.“

Mehrere Ämter arbeiten mit den Zahlen.

Künftig jedes Jahr neue Zahlen

Künftig aber soll es noch aktuelleres Material geben, teilt das Stadtplanungsamt mit: „Darüber hinaus ist durch das Fernerkundungsforschungsprojekt ‚Urban Green Eye‘ ein Monitoring zur Flächenverbrauch- und -entsiegelung zukünftig leistbar. Dabei wird u. a. der Indikator Versiegelung aus Satellitendaten der Copernicus-Mission (ESA) erhoben. Ziel ist es, die Daten jährlich zu aktualisieren. Derzeitiger Projektstand ist der Aufbau und das Training eines Modells zur automatisierten Berechnung der Daten. Erstmals werden Versiegelungsdaten abgeleitet aus der Satellitendaten ab Mitte 2023 verfügbar.“

Und dann wird es kompliziert, denn auch Versiegelungen sollen künftig im Stadtgebiet wieder ausgeglichen werden. Das Stadtplanungsamt: „Derzeit werden die Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Daten in der Stadtentwicklungsplanung diskutiert. Insbesondere im Zuge der Eingriffsregelung bspw. im Rahmen der Erstellung von Bebauungsplänen wird ein gleichartiger Ersatz bei Versiegelung priorisiert. Dies bedeutet, dass dort, wo durch Ausweisung von Baufeldern Versiegelung bauplanungsrechtlich zulässig wird, Entsiegelungsmaßnahmen möglichst nah am Eingriffsort als Ersatz gesucht werden.“

Das dürfte schwierig werden, da ja nicht einmal für jetzige Eingriffe in Grünanlagen im Stadtgebiet Ausgleich gefunden werden kann, ganz zu schweigen zur Anlage urbaner Wälder. Es sei denn, die Stadt entwickelt auch eine Vision, schon versiegelte Flächen systematisch aufzubrechen und wieder zu begrünen – etwa einige der mit Steinen zugepflasterten Stadtplätze.

Dass das aber nicht nur die Stadt betrifft, machen die Temperaturmessungen von „Urban Green Eye“ deutlich, in denen sich die riesigen versiegelten Flächen des Flughafens Leipzig/Halle mit erhöhten Temperaturen genauso abzeichnen wie die Gewerbegebiete im Nordraum, das Gelände der Neuen Messe und das BMW-Werk – allesamt mit den Vorstellungen einer Zeit gebaut, in der die Versiegelung in Gewerbegebieten noch nicht als Problem gesehen wurde.

Kein Wunder also, dass die Linksfraktion jetzt auch das Thema „Grüne Gewerbegebiete“ auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ein Thema, das die Unternehmen in diesen Gewerbegebieten durchaus interessieren sollte, denn wenn sich ihre Flächen im Sommer aufheizen und weit und breit kein Schatten und kein Wasserrückhalt ist, macht dort auch das Arbeiten keinen Spaß und das Herunterkühlen der Hallen wird umso teurer.

Ganz zu schweigen davon, dass die Gewerbegebiete dann zu regelrechten Heißluftinseln werden, die dann auch noch die Umgebung mit aufheizen. Da sollte wohl so manches Unternehmen an Pläne zur Entsiegelung gehen und für mehr natürliche Kühlung rund um die Firmengebäude sorgen.

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