Mit zwei Worten lassen sich die drei Anträge der AfD-Fraktion in der Stadtratssitzung am Mittwoch, dem 15. März 2023, beschreiben: realitätsfremd oder rechtswidrig.

Wer es gern etwas genauer wissen möchte: Bei der ersten Vorlage handelte es sich um einen Änderungsantrag zu einem Vorschlag der Grünen-Fraktion für den Ausbau der Windenergieerzeugung in und um Leipzig. Der Änderungsantrag negierte die Ausgangsvorlage komplett mit Hinweis auf die Gesundheitsschäden durch Windräder und die Gefahr für Vögel und Insekten.

Der Änderungsantrag wurde abgelehnt. Stattdessen wurde die AfD-Fraktion durch SPD-Stadtrat Zenker darauf hingewiesen, dass vielleicht eher Hauskatzen – der Vogelkiller Nummer eins in Leipzig – abgeschafft werden müssten und dass gegen die Gesundheitsschäden durch Windkraftanlagen Aluhüte helfen würden.

Zum Rest in Sachen Vogelkiller Windrad ist durch Arte.TV seit Jahren eigentlich alles gesagt.

Hat die AfD alle wichtigen politischen Debatten verschlafen?

Der zweite Antrag forderte die Erstellung eines Blackout-Notfallplans und wurde auch direkt wieder zurückgenommen. Der Verwaltungsstandpunkt hatte erläutert, dass bereits alle möglichen Maßnahmen getroffen würden, die auf Stadtebene getroffen werden könnten. Gleichzeitig wurde dort aber auch betont, wie unwahrscheinlich ein Blackout in Deutschland sei. Anscheinend hatte die AfD die wissenschaftlichen Einschätzungen dazu, die im vergangenen Jahr zur Genüge angestellt wurden, verpasst.

Bei Nummer drei wurde es ganz absurd: Die Forderung nach einem Leipziger Aufnahmestopp für Geflüchtete. Als wäre nicht oft genug in den letzten Wochen klargemacht worden, dass es sich bei der Aufnahme von Geflüchteten um eine „Pflichtaufgabe nach Weisung“ handelt.

Die Stadt darf keinen Aufnahmestopp verhängen. Das muss der AfD-Fraktion eigentlich klar sein. Der Antrag ist aber nicht nur rechtswidrig, die AfD ignoriert dabei auch die Menschenwürde flüchtender Personen. Der Antrag wurde von allen Fraktionen – außer der AfD selbst – abgelehnt.

Unwissenheit oder politische Strategie?

Da fragen Menschen sich: Warum stellen die Fraktionsmitglieder der AfD diese Anträge? Scheinbar ist ihnen die Sinnlosigkeit nicht genug bewusst. Das spiegelt die Arbeit der AfD sachsenweit sehr gut wider: Sich kaum in Ausschüssen beteiligen, parlamentarisch schwache Arbeit liefern.

Stattdessen wird die Zeit und Energie in populistische Meinungsmache investiert. So wurden trotz der Rechtswidrigkeit des Antrags lang und breit einschlägige Narrative verbreitet, zum Beispiel dass die europäischen Außengrenzen nicht „geschützt“ würden. Wenn die AfD den sicheren Fluchtweg kennt, dann freuen sich sicherlich viele Menschen, wenn er ihnen gezeigt wird.

Solche Anträge bieten ein Sprungbrett für Meinungsmache. Der Auftritt von AfD-Stadtrat Christian Kriegel im Lindenthaler Ortschaftrat bezüglich der geplanten Unterkunft für Geflüchtete spricht dabei für sich. Kriegel warf den Vertreter/-innen der Verwaltung vor, sie würden sich hinter der „Pflichtaufgabe nach Weisung“ verstecken, es solle der Landesdirektion Sachsen einfach mitgeteilt werden, dass die Unterbringung aus Kapazitätsgründen nicht möglich sei.

In der aktuellen Stunde hatte sich gezeigt, dass die Kommunikation und Transparenz des Dezernats Soziales unzureichend war. Der AfD geht es darum allerdings nicht wirklich, wie jede/-r im Statement von Siegbert Droese zum Aufnahmestopp-Antrag nachhören kann. In diesem Statement werden menschenverachtende Meinungen und sogenannte Sorgen geschürt.

Das größere Bild, das dahinter steht, ist nicht nur ein rassistisches. Kriegel erweckte das Bild, dass die Menschen in Deutschland nicht mitzubestimmen hätten, dass die Meinung des Volkes, die die AfD zu vertreten glaubt, von Verwaltungen und Regierungen immer wieder übergangen werde.

Dabei wähnt die AfD sich auf die Seite des sogenannten Volkes. Nur meinen sie damit wohl kaum auch die Migrationsgesellschaft, die Deutschland tatsächlich ist. Der Mensch, dessen Dönerimbiss aufgrund der neuen Unterkunft für Geflüchtete umziehen muss, ist in diesem Fall nur der gute Freund, weil es gerade ins Narrativ passt.

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