Windkraft in Sachsen soll ausgebaut werden. Auch der Freistaat muss 2 Prozent des Landesgebietes als Vorrangfläche für Windkraft ausweisen. Aber das ist ein mühsamer Abstimmungsprozess. Auch im Planungsverband Westsachsen, zu dem Leipzig gehört. In der Ratsversammlung sollte der Stadtrat die Stellungnahme der Stadt zu den Vorschlägen des Planungsverbandes verabschieden. Eine herrliche Gelegenheit für einen ahnungslosen AfD-Stadtrat, sein Unwissen am Rednerpult auszubreiten.

Wäre OBM Jung noch Lehrer, hätte er nach Udo Bütows Redebeitrag trocken sagen können: „Thema leider nicht verstanden. Setzen, Sechs.“

Darauf kommen wir noch.

Denn eigentlich bot der vom Regionalen Planungsverband Westsachsen vorgelegte Rohentwurf „‚Teilfortschreibung Erneuerbare Energien‘ des Regionalplans Leipzig-Westsachsen“ ganz andere Schwachstellen, die nach der Abstimmung Linke-Stadtrat Michael Neuhaus benannte, weil sie auch durch die Stellungnahme der Stadt nicht ausgeräumt wurden.

Denn die Linksfraktion hatte sich in der Abstimmung – etwas überraschend – enthalten, der doch eigentlich sachgerechten Stellungnahme der Stadt also nicht zugestimmt, aber auch nicht dagegen gestimmt, wie die Klimawandelleugner aus der AfD-Fraktion.

1.000 Meter oder weniger?

Auf wesentliche Fragen, so Neuhaus, gab auch die Stellungnahme der Stadt keine Antwort. Er benannte die 1.000-Meter-Abstandsregel für Windräder, Windkraftanlagen im Wald oder auf dem Acker.

Wobei die Stellungnahme betonte, dass Leipzig auf jeden Fall auch weiteren Windkraftausbau auf eigenem Gebiet wolle, denn man könne nicht die gesamte benötigte regenerative Energie von außerhalb importieren. Einen Teil der benötigten Energie muss Leipzig selbst erzeugen.

Wobei die Stellungnahme deutlich macht, dass Leipzig durchaus auch eine Unterschreitung der 1.000-Meter-Regel befürwortet: „Die nach Sächsischer Bauordnung geltende Abstandsregelung sagt aus, dass Windenergieanlagen außerhalb von Windenergiegebieten in Sachsen nur errichtet werden können, sofern ein Mindestabstand von 1.000 m ab Mitte Mastfuß zu zulässigen Wohngebäuden (im Geltungsbereich von Bebauungsplänen nach § 30 BauGB oder innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile nach § 34 BauGB) sowie zu zulässiger Wohnbebauung im Außenbereich, bestehend aus mindestens fünf Wohngebäuden, eingehalten wird (§ 84 Abs. 2 SächsBO).

Allerdings kann mit Zustimmung der betroffenen Gemeinden diese Abstandsregelung unterschritten werden. Insofern steht einem Unterschreiten des Abstandes aus dieser Sicht wenig entgegen …“

Die Formel „der betroffenen Gemeinden“ hatte dann noch ein paar Folgen in den Ortschaftsräten der Stadt, die sich mit der Stellungnahme beschäftigten. Sie interpretierten diese so, dass letztlich die Ortschaftsräte eingebunden werden müssten, wenn Windkraftanlagen gebaut werden. Das ist mit der Formel nicht wirklich gemeint, denn da geht es um die eigentlich politische Entscheidungsebene – Stadt und Stadtrat.

Aber für die CDU-Fraktion war es Anlass, noch einen Änderungsantrag einzureichen, der die Einbeziehung der Ortschaftsräte zum Ziel hatte, wenn Windkraftanlagen geplant werden. Ein Antrag, den CDU-Stadträtin Sabine Heymann vorerst aber wieder zurückzog, weil diese Entscheidung eigentlich nichts mit der Stellungnahme zu tun hätte. Das muss an anderer Stelle geklärt werden.

Auf keinen Fall im Auwald

Und auch zu den Themen Wald und Acker, die Michael Neuhaus ansprach, gibt es zumindest vorsichtige Aussagen in der Stellungnahme der Stadt.

Stellungnahme der Stadt Leipzig zum Rohentwurf der „Teilfortschreibung Erneuerbare Energien“ des Regionalplans Leipzig-Westsachsen

Zum Wald liest man da: „Die Errichtung von Windenergieanlagen im Wald ist aus Sicht der Stadt Leipzig nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und soll aufgrund der vielfältigen Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen der Wälder grundsätzlich vermieden werden.“ Und ein streng geschütztes Gebiet wie der Auwald käme für Windkraftanlagen sowieso nicht infrage. Auf Ackerflächen geht die Stellungnahme nur in Bezug auf den Bau von Fotovoltaik-Anlagen ein.

Die Stellungnahme betont dabei ein wesentliches Konfliktfeld: „Der Landesentwicklungsplan weist einen Großteil des Leipziger Stadtgebietes als Gebiet mit speziellem Bodenschutzwert aus. Die raumordnerische Sicherung von Gebieten mit aus landwirtschaftlicher Sicht landesweit und regional bedeutsamen Böden verfolgt das Ziel, langfristig die natürlichen Voraussetzungen für eine leistungsfähige Landwirtschaft auch vor dem Hintergrund des Klimawandels zu sichern sowie die Voraussetzung für eine verbrauchernahe und krisensichere Versorgung der Bevölkerung zu erhalten.

Dieses Ziel kann nur mit ausreichend vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzflächen erreicht werden. Daher kommt den Böden im Leipziger Stadtgebiet eine besondere Bedeutung zu. Ackerflächen mit hoher Bodenwertzahl, wie in Leipzig vorhanden, sollen auch künftig für die ackerbauliche Nutzung zur Verfügung stehen. Derartige Böden sollen daher grundsätzlich einer landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten bleiben, zumal die Landwirtschaft in der Planungsregion ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist.

Zur Streichung landwirtschaftlicher Nutzflächen mit einer Bodenwertzahl > 50 unter Z 5.1.4.3 hat die Stadt Leipzig noch keine abschließende Position.“

Die meisten Böden um Leipzig haben eine deutlich höhere Bodenwertzahl. Sie sollten also dringendst für die Landwirtschaft erhalten bleiben.

Ein AfD-Stadtrat liest die NZZ

Die Enthaltung der Linksfraktion gefährdete freilich die Zustimmung zur Stellungnahme nicht: Diese bekam ein klares Votum mit 27 : 10 Stimmen. 15 Stadträt/-innen enthielten sich der Stimme, machten also auf diese Weise deutlich, dass die Stellungnahme doch noch wesentlich deutlicher hätte formuliert werden können.

Und die zehn Klimawandelleugner der AfD-Fraktion stimmten dagegen.

Eigentlich aus Prinzip. Sie mögen auch die Energiewende nicht, die AfD-Stadtrat Udo Bütow als Hauptargument in seiner Rede anführte – insbesondere die Windkraftanlagen, die er reineweg für Zuschussgeschäfte hält, weil sie sich – er hatte ja was in der Zeitung gelesen – wirtschaftlich nicht rechnen sollen.

Als Quelle benannte er den in der „Neuen Zürcher Zeitung“ justament zur Weltklimakonferenz im November 2022 veröffentlichten Beitrag, in dem die Zeitung mit enormem Aufwand „vorrechnete“, dass sich die meisten Windräder in Deutschland gar nicht rechnen. Das Argument, das auch Udo Bütow genüsslich auswalzte. Als würden die Windanlagenbauer die Anlagen tatsächlich nur hinstellen, weil der Staat sie mit Milliarden subventioniert.

Bei Bütow dann auch noch zugespitzt in der Behauptung, die Energiewende würde sich überhaupt nicht rechnen und sei gescheitert.

Nur dass der NZZ-Beitrag genauso Mumpitz war wie Bütows Glaube, die Energiewende sei gescheitert. Was in dem NZZ-Beitrag alles nicht stimmte, das hat schon am 9. November 2022 die Website „Der Graslutscher“ auseinandergenommen – mit sachtem Hinweis darauf, dass schon ein paar Gundlagenkentnisse in BWL ausreichen würden, den Unfug des NZZ-Beitrags zu erkennen. Dieser hatte eben nicht die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen berechnet – dazu findet man nämlich kein Wort in dem Beitrag.

Wirtschaftlichkeit ergibt sich aus den Erlösen, die man mit der Anlage erzielt, gegengerechnet gegen die Investitionen und Aufwendungen. Normalerweise weiß das jeder, der ein Unternehmen führt.

Auslastungsgrad vs. Wirtschaftlichkeit

Was aber hat die NZZ da tatsächlich berechnet? Die Auslastung der Anlagen. Oder mit der wunderschönen Überschrift des „Graslutscher“: „Anti-Windkraft-Story der NZZ findet heraus, dass in Deutschland nicht immer der Wind weht“. Wer Spaß an Zahlen hat und Lust darauf, ein bisschen in das Verständnis von Auslastung von Windkraftanlagen einzutauchen, dem kann man den Artikel des „Graslutscher“ nur empfehlen.

Hinterher weiß man, dass in Deutschland nicht nur nicht ständig der Wind weht, sondern dass er auch oft nur schwach weht, die Windräder also mit geringerer Auslastung rotieren und dennoch Strom produzieren können. Der Auslastungsgrad sagt nichts, aber auch gar nichts über die Wirtschaftlichkeit der Anlage aus.

Die NZZ kam sogar zu dem wilden Schluss, dass sich Windräder in Deutschland nur an der Küste rechnen und in Süddeutschland fehl am Platze wären.

Am 23. August 2023 meldete dieselbe Zeitung dann übrigens: „Der Zürcher Baudirektor sieht Potenzial für 120 Windanlagen im Kanton“. Die Dinger scheinen sich also auch in der Schweiz zu rechnen.

Und wie steht es nun wirklich um die Energiewende? Wir stecken mittendrin. Die 16 verlorenen Jahre unter den diversen Merkel-Regierungen haben nun einmal zur Folge, dass der Ausbau von Windkraft und Solar regelrecht ausgebremst wurde und jetzt erst wieder Bewegung in die Sache gebracht werden muss. Und das dauert. Auch in Westsachsen.

Denn bis selbst der Regionale Planungsverband Westsachsen seine 2 Prozent Fläche für Windkraft ausgewiesen hat, vergehen noch Jahre, wie auch die Vorlage der Stadt feststellt: „Der Regionale Planungsverband gedenkt neben der laufenden Beteiligung zum Rohentwurf der Teilfortschreibung des Regionalplans Anfang 2025 den Beteiligungsentwurf öffentlich auszulegen und Ende 2026 die Teilfortschreibung zum Satzungsbeschluss zu bringen.“

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Keine Kommentare bisher

Ich kenne den Lebenszyklus einer Windkraftanlage nicht, vernehme allerdings, dass eine Erneuerung wohl nach Ablauf der Förderung (welcher Art auch immer) realisiert wird. Die Thematik, wie die Entsorgung erfolgt ist ein weiteres Thema.

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