Es ist ja nicht ganz neu, dass man genauer hinsehen muss, wenn BILD etwas enthüllt. Es gibt natürlich dort auch seriöse Berichterstattung, aber große „Skandale“ haben meist ein Geschmäckle. Das liegt wohl an der generellen politischen Ausrichtung in der Firmenleitung, eventuell auch der von Investoren des Konzerns. Gehen wir sechs Jahre zurück. Einige erinnern sich vielleicht an die Massendemonstrationen 2019 gegen den Artikel 13 der Urheberrechtsreform der EU.
Damals berichtete BILD über den Skandal mit dem Demogeld.

Als Kronzeugen führte sie Daniel Caspary, den damaligen Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, an. Dieser behauptete: „Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu verhindern. Bis zu 450 Euro werden von einer sogenannten NGO für die Demoteilnahme geboten.
Das Geld scheint zumindest teilweise von großen amerikanischen Internetkonzernen zu stammen. Wenn amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere Demokratie bedroht.“
Caspary relativierte das einen Tag später auf Twitter (heute: X), er habe selbstverständlich nicht gemeint, dass alle Demonstranten bezahlt wurden. Das ist für die Demonstrantinnen und Demonstranten von damals natürlich schade, auch der Autor wartet noch auf das Geld. Egal, die BILD hatte ihre Schlagzeile und manche Leserinnen und Leser hatten sich ihre Meinung geBILDet.
Aktuelle „Demos gegen Rechts“ und BILD
Wieder eine Enthüllung: „BILD erklärt, wie Bundesministerien die Proteste mit Steuergeldern fördern“.
Als Quelle beruft sich BILD im Text auf „Nius“, das „Nachrichtenportal“ von Julian Reichelt, also just demjenigen, der 2019, als Chefredakteur der BILD, die „Enthüllung“ über das Demogeld verantwortete. Man könnte von einer konstanten Meinungsbildung sprechen.
Worin sieht BILD den aktuellen Skandal?
Machen wir es kurz: Die Organisatoren der Demonstrationen sind oft Mitglieder von NGOs, von Verbänden und Vereinen und anderen Organisationen, die von Landes- oder Bundesministerien gefördert werden. Ob und in welcher Höhe angeblich Fördermittel für die Demonstrationen aufgewendet werden, darüber wird kein Wort verloren.
Es werden Fördersummen genannt, manchmal auch nur angesprochen, nicht einmal der Verdacht auf eine missbräuchliche Verwendung wird kommuniziert. Allerdings eignet sich der Text dazu, bei Leserinnen und Lesern diesen Eindruck zu erwecken. Das wirklich Pikante an der Sache erwähnt BILD nicht: Es handelt sich ausschließlich um solche, die sich mit Demokratieförderung beschäftigen. Man könnte sagen, dass die einfach ihre Arbeit machen.
Dürfen deren Mitglieder Demonstrationen organisieren und anmelden? Eindeutiges Ja, warum auch nicht?
Selbstverständlich dürfen auch „Enthüllungen“ über familiäre Verstrickungen nicht fehlen, wie die um Verena Graichen. Das ist immer gut für Schlagzeilen und MeinungsBILDung.
Es bleiben Fragen
Warum diese selektive Skandalisierung? Warum wurde nicht über Fördermittel und Betriebe oder Personen, welche diese in Anspruch nahmen, bei den Bauernprotesten berichtet? Wird künftig bei allen Protesten über vermeintliche Finanzierungen berichtet, oder nur, wenn es gegen die CDU/CSU geht?
Fazit: Skandalisierung und selektive „Enthüllungen“ sind leider bei einigen Medien an der Tagesordnung. Im konkreten Fall sollen sie dazu dienen, die demonstrierenden Menschen zu diskreditieren. Fragen wir nach der Verflechtung zwischen BILD, Großkapital und konservativen Politikern, dann ergibt sich ein Bild, warum das so ist.
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