Im Leipziger Stadtrat gehören die Themen Mobilität und Verkehr aktuell zu den umstrittensten Themen. Das zeigte sich bereits bei den Diskussionen um die Änderungen am Hauptbahnhof, aber auch am 20. April anlässlich einer Verwaltungsvorlage zum Nachhaltigkeitsszenario. An diesem möchte die Stadt festhalten, hat aber nicht mehr die breite Zustimmung wie noch vor einigen Jahren.

Das aktuelle Nachhaltigkeitsszenario für den Verkehr der kommenden Jahre bleibe Grundlage der Überlegungen, betonte Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) zu Beginn der Debatte. Aber die geänderten Rahmenbedingungen könnten nicht ignoriert werden. Gemeint sind damit unter anderem gestiegene Kosten und Fahrgastzahlen, die nicht den Prognosen der Vor-Corona-Zeit entsprechen.

Linie 64 muss warten

Eine Folge: „Die Erschließung der Halle 7 der ehemaligen Baumwollspinnerei mit der Linie 64 wird zunächst entgegen dem Nahverkehrsplan und dem Stadtratsbeschluss Nr. VI-DS-06352-ÄA-02 in 2023 und 2024 ausgesetzt, aber anlassbezogen angeboten.“ So lautete ein Punkt in der Vorlage, dem gerade mal 19 Stadträt*innen zustimmten. Für eine Mehrheit reichte es dennoch, weil sich unter anderem große Teil von AfD und Linkspartei enthielten.

Die eigentlichen Diskussionen im Stadtrat drehten sich um grundsätzliche Fragen. Franziska Riekewald aus der Linksfraktion beklagte, dass der ÖPNV nicht vorankomme und es wieder einmal nur darum gehe, das Angebot nicht auszubauen, sondern aufrechtzuerhalten. Dabei sei der ÖPNV das „Rückgrat der Verkehrswende“.

Zudem bemängelte Riekewald, dass der vorgelegte Sachstandsbericht an vielen Stellen zu unkonkret sei. Die Linksfraktion beantragte deshalb, jene Punkte noch nicht zu beschließen, sondern die Verwaltung aufzufordern, innerhalb eines halben Jahres genauere Zahlen hinsichtlich Finanzierung und Zeithorizont vorzulegen. Darüber abgestimmt werden musste nicht – die Verwaltung schrieb sich den Auftrag direkt auf die Agenda.

Verbesserungen im ÖPNV: Grüne vs. CDU

„Wir tun uns mit dieser Vorlage auch schwer“, schloss CDU-Stadtrat Michael Weickert an Riekewald an. „Aber aus anderen Gründen.“ Für ihn und seine Fraktion sei nicht verständlich, warum die Verwaltung am Nachhaltigkeitsszenario festhält, obwohl sich – wie Dienberg selbst mitteilte – die Rahmenbedingungen geändert haben. Zudem würde immer mehr Geld in den ÖPNV fließen, ohne spürbare Verbesserungen zu erzielen.

Dieser Auffassung widersprach Grünen-Stadträtin Kristina Weyh: Es würden beispielsweise Fahrzeuge mit größeren Kapazitäten angeschafft und Haltestellen ausgebaut. Auch das Flexa-Angebot werde ausgebaut, was unter anderem Pendler*innen nutze.

Die Linksfraktion konnte sich zudem noch knapp mit einem Änderungsantrag durchsetzen. Zur Vorlage ergänzt wurde der Satz: „Der LVB werden durch die Stadt Leipzig haushaltswirksame Zuschüsse in Höhe von jeweils bis zu 4,5 Millionen Euro für das Jahr 2023 und das Jahr 2024 bereitgestellt, mit denen tariflich begründete Mehrkosten, insbesondere für den Inflationsausgleich, gedeckt werden sollen.“

Tendenz: CDU lehnt ab, AfD enthält sich

In der anschließenden Abstimmung über die gesamte Vorlage, die Punkt für Punkt erfolgte, war es vor allem die CDU, die ablehnend votierte. Damit folgte sie im Prinzip nur ihrer Ankündigung von vor einigen Monaten, sich vom Nachhaltigkeitsszenario distanzieren zu wollen. Selbst die AfD war der Verwaltung freundlicher gesonnen und enthielt sich meistens.

Beschlossen wurde letztlich unter anderem, dass die LVB in 2023 und 2024 insgesamt zusätzlich rund 20 Millionen Euro erhalten sollen. Außerdem soll sich Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) weiterhin bei Bund und Ländern für eine Stärkung des ÖPNV einsetzen.

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Anhand dieser Vorlage ein Bröckeln zu erkennen, ist aber auch schwer. Die Vorlage ist ja explizit das Gegenteil von der Zielstellung. Im Nachhaltigkeitsszenario geht es um den Ausbau des ÖPNV, nicht um die Reduktion.
Im Prinzip hat sich nur die CDU vom Nachhaltigkeitsszenario verabschiedet. Die FCKAfD hatte damals schon nicht zugestimmt, sodass es “nur” 55 Ja-Stimmen gab. Als Dagegenpartei hatte sie sich enthalten bzw. nicht mit abgestimmt. Somit halten sie also “Kurs”.

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