Städte wie Nürnberg und Hamburg haben es bereits eingeführt, Leipzig soll es auch bekommen: ein vergünstigtes Deutschlandticket für Menschen mit geringem Einkommen beziehungsweise Empfänger*innen von Sozialleistungen. Die Ratsversammlung hat Oberbürgermeister Burkhard Jung am Mittwoch beauftragt, mit den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) über die Aufwertung der Leipzig-Pass-Mobilcard zum Deutschlandticket zu verhandeln.

Vergünstigtes Deutschlandticket vonseiten des Bundes bisher nur für Angestellte und Studierende

Den entsprechenden Antrag hatte die Linksfraktion im Stadtrat gestellt. „Das Deutschlandticket schließt mit dem Preis von 49 Euro gerade die Menschen aus, die auf preiswerte Mobilität angewiesen sind“, heißt es darin.

Das 9-Euro-Ticket habe bewiesen, dass preiswerte Mobilität vielen Menschen dabei geholfen hat, am sozialen Leben teilzunehmen. Ein vergünstigtes Deutschlandticket würde Bezieher*innen von Sozialleistungen und Personen im Niedriglohnbereich die Möglichkeit eröffnen, über die Grenzen von Leipzig hinaus mobil zu sein.

Franziska Riekewald, Sprecherin für Mobilität der Linksfraktion, betonte in ihrer Rede im Stadtrat am 5. Juli, dass Leipzig gemeinsam mit anderen Städten Vorreiter für ein deutschlandweit angebotenes Sozialticket werden könnte.

Denn der Bund hat im Rahmen der bundesweit einheitlichen Tarifbestimmungen zum Deutschlandticket bisher lediglich Sonderregelungen zum sogenannten Jobticket-Deutschland und zum sogenannten Semesterticket-Upgrade eingeführt. Davon profitieren allerdings nur Angestellte derjenigen Unternehmen, die Jobtickets anbieten, und Studierende.

„Dass die Option eines Sozialtickets von niemandem in der Bundesregierung mitgedacht wurde, sagt viel über das soziale Gewissen der Regierungsparteien aus“, so Riekewalds Analyse. „Also müssen wir als kommunale Verantwortungsträger mal wieder ran und versuchen, das zu heilen, was dort oben vergessen wurde.“

Bürgergeld sieht für Mobilität monatlich 45 Euro vor

Riekewald veranschaulichte mit einer Rechnung am Mittwoch im Stadtrat, wie teuer das 49-Euro-Ticket nach wie vor für Menschen ist, die nur wenig Geld zur Verfügung haben: Im Bürgergeld sind monatlich aktuell 45,02 Euro für Mobilität eingeplant, zu wenig also.

Die Empfänger*innen von Bürgergeld können mit dem Regelsatz von 502 Euro zwar machen, was sie wollen, doch auch Ausgaben für andere Lebensbereiche sind sehr eng bemessen. Das Bürgergeld soll laut dem Bund zwar das „soziokulturelle Existenzminimum“ sichern, Sozialverbände kritisieren aber seit langem, dass das Deutschlandticket zwar einen Beitrag zur Verkehrswende leiste, soziale Teilhabe aber nicht ermögliche.

Riekewald wies zudem darauf hin, dass Angestellte der Stadt in Leipzig 31,54 Euro für ihr Deutschlandticket bezahlen müssen. Also in etwa genau so viel, wie Leipzig-Pass-Inhaber*innen für ihre Mobilcard bezahlen (31,20 Euro) – Mit dem Unterschied, dass die städtischen Angestellten für diese Summe in ganz Deutschland mobil sind, die Inhaber*innen der Leipzig-Pass-Mobilcard aber nur in Leipzig.

Das Fazit der Linkenpolitikerin lautete deshalb: „Diese Aufwertung ist dringend notwendig.“

Zenker: „Bundesregierungs-Bashing ist lame“

Stadtrat Christopher Zenker (SPD) entgegnete Riekewald, dass er das „Bundesregierungs-Bashing“ auf Dauer „immer bisschen lame“ finde, grundlegend unterstütze seine Fraktion aber den Antrag der Linksfraktion zu Einführung eines deutschlandweiten Sozialtickets.

Auch Zenker signalisierte Hoffnung, dass Bund und Länder beim Sozialticket nachziehen würden, sobald Kommunen die Initiative zeigten und in die Vorkasse gingen. Er verwies auf viele andere Projekte, bei denen diese Strategie geklappt hätte.

Zum Schluss einigten sich Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), Antragstellerin Franziska Riekewald und Sozialbürgermeisterin Martina Münch (SPD) noch darauf, dass das Ergebnis der Verhandlungen mit den LVB bis Ende September vorliegen müsse – im Antrag stand ursprünglich der 31. August als Vorlagetermin, was Münch als „unmöglich“ bezeichnete.

Die Stadt sei bereits in Verhandlungen mit den LVB und anderen Partner*innen. Doch das Deutschlandticket sei ein komplexes, vom Bund ausgehandeltes Verfahren mit vertraglichen Bindungen der unterschiedlichen Partner*innen, deshalb könne eine Kommune nicht ohne Weiteres ein paar Euro zum Sozialticket zuschießen, erklärte Münch.

Münch versicherte, dass das Thema die Stadtverwaltung seit Monaten umtreibe.

Oberbürgermeister Jung sprang Münch bei und berichtete von Gesprächen mit Kolleg*innen aus Städten, in denen ein solches Sozialticket bereits beschlossen wurde. „Tariflich und finanziell ist es auch dort aber noch nicht geklärt“, betonte Jung.

Andere Städte haben bereits Sozialtickets

Hamburg beispielsweise hat seinen städtisch finanzierten Sozialrabatt für den ÖPNV zum 1. Mai von 24,80 Euro auf 30 Euro angehoben, sodass Personen, die „existenzsichernde Leistungen“ erhalten, das Deutschlandticket für 19 Euro pro Monat erwerben können. Menschen mit geringem Einkommen haben in der Hansestadt also keinen Anspruch auf dieses vergünstigte Deutschlandticket.

Und Wohngeld zählt in Hamburg nicht zu den „existenzsichernden Leistungen“. Im Gegensatz zu Hamburg sollen in Leipzig auch Geringverdiener*innen von dem Sozialticket profitieren.

In Nürnberg wird seit Ende Juni das vergünstigte Sozialticket für 19 Euro verkauft. Ab August kann es im deutschlandweiten ÖPNV und Regionalverkehr genutzt werden. Es ist – ähnlich den Leipziger Plänen – an den Nürnberg-Pass gekoppelt, auf den Menschen mit geringem Einkommen allerdings ebenfalls keinen Anspruch haben. Im Gegensatz zu Hamburg können in Nürnberg aber Empfänger*innen von Wohngeld den Nürnberg-Pass bekommen.

Die Leipzig-Pass-Mobilcard, über deren Aufwertung der Oberbürgermeister nun mit den LVB verhandeln soll, ist an den Leipzig-Pass gebunden. Der Leipzig-Pass steht allen Leipziger*innen zu, die Bürgergeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder andere Sozialleistungen beziehen.

Aber auch Menschen mit geringem Einkommen können den Leipzig-Pass und somit die Leipzig-Pass-Mobilcard erhalten, wobei die Einkommensgrenzen anhand des Bürgergeld-Regelsatzes, der Wohnungskosten und der Haushaltsgröße berechnet werden.

CDU stimmte dagegen, AfD enthielt sich

Beschlossen wurde der entsprechende Antrag am 5. Juli mit deutlicher Mehrheit: 42 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und zehn Enthaltungen. Für den Antrag stimmten – mit zwei Ausnahmen, die nicht abstimmten – alle anwesenden Stadträt*innen von SPD, Linken und Grünen.

Ein Großteil der anwesenden CDU-Fraktion stimmte dagegen, die AfD-Fraktion enthielt sich geschlossen. Somit ist Oberbürgermeister Jung jetzt aufgefordert, mit den LVB über die Aufwertung der Leipzig-Pass-Mobilcard zum Deutschlandticket in Verhandlung zu gehen. Ende September soll ein erstes Verhandlungsergebnis inklusive Kostenvoranschlag vorliegen.

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