Da hatte die Linksfraktion durchaus die richtige Frage gestellt, als sie wissen wollte, warum der Flughafen Leipzig/Halle auf der Homepage der Stadt zweimal völlig unterschiedlich dargestellt wird und auf der Seite der Wirtschaftsförderung einseitig nur positiv. „In ihrer Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle hat die Stadt Leipzig eine Vielzahl von Bedenken hervorgebracht. Auf der stadteigenen Homepage hingegen wird der Flughafen damit beworben, dass er ‘ideale Bedingungen für Investoren’ bietet“, hatte die Linksfraktion geschrieben.

Und weiter: „Die von Anwohnerinnen und Anwohnern kritisierten Starts und Landungen in der Nacht beschreibt die Stadt als ‘optimale Flexibilität dank des 24-Stunden-Betriebs für Frachtflüge’.“

Und das Amt für Wirtschaftsförderung hatte geantwortet: „Die Kommunikation auf der Webseite der Stadt Leipzig ist nach Zielgruppen strukturiert. Damit sollen die Informationsbedarfe der jeweiligen Adressaten optimal bedient werden.“

Ein Widerspruch, den Linke-Stadtrat Michael Neuhaus so nicht stehen lassen wollte, weshalb er am 28. Februar in der Ratsversammlung noch einmal nachfragte. Und nicht nur Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke versuchte dann, den Spagat noch einmal zu erklären. Auch OBM Burkhard Jung tat es und nannte den Widerspruch dann sogar dialektisch. Doch irgendwie hat er in seinem Studium eine Wortbedeutung von Dialektik gelernt, die weder zur Ursprungsbedeutung des Begriffs passt noch zur Hegelschen Definition.

Weder ergeben hier These („wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort“) und Antithese („laut, dreckig, umweltschädlich“) eine Synthese und damit etwas Neues, was beide Anliegen in sich vereint. Da wäre der Hegelsche Sinn von Dialektik. Noch kommt es in der griechischen Wortbedeutung zum Dialog der Positionen. Was auch Schülke und Jung nur zu deutlich machten. Für sie bleiben das zwei völlig getrennte – und damit unvereinbare – Positionen.

„Ich erkenne hier keinen Widerspruch“, sagte Schülke.

Auf der Seite der Wirtschaftsförderung würde der Flughafen als wichtiger Standortvorteil beschrieben. Und auf der Seite des Dialogforums käme die kritische Position zum Flughafen zum Ausdruck.

Fossile Denkschablonen

Aber das richtige Wort brachte dann wohl SPD-Stadtrat Andreas Geisler in die Debatte. Denn Leipzig hat nun einmal aus guten Gründen 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Auch wenn der Flughafen nicht auf Leipziger Territorium liegt und am Ende die Haupteigentümer – der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt –entscheiden, ob der Frachtflughafen für 500 Millionen oder wohl eher 1 Milliarde Euro ausgebaut wird. Geld, das in anderen Bereiche der Wirtschaftsförderung besser angelegt wäre, wie Andreas Geisler zu Recht bemerkte.

Es stimmt schon, dass die Stadt Leipzig auf die Subventionsentscheidungen des Landes keinen Einfluss hat. Aber die kleine Debatte, in der dann auch noch Heiko Bär und Sven Morlok versuchten, die Denkweise der Stadt zu untermauern, zeigte eben auch, dass Neuhaus durchaus recht hat, wenn er hier eine echte Brandmauer sieht zwischen dem, was in der Ratsversammlung diskutiert und beschlossen wurde und auch in der Stellungnahme der Stadt zum Flughafenausbau seinen Niederschlag fand, und einer Wirtschaftsförderung, die letztlich an den Denkschablonen der fossilen Vergangenheit festhält.

Die Klimakrise verschärft sich immer weiter und es ist nicht zu begründen, warum trotzdem immer mehr eilige Fracht mit Flugzeugen und bei Nacht transportiert werden muss. Deklariert als Express-Gut, obwohl es eigentlich kein Express-Gut ist, sondern größtenteils simple Konsum-Ware. Und dieser Gedanke nicht einmal auf der Seite der Wirtschaftsförderung auftaucht. Womit Neuhaus – unterstützt auch von Bert Sander aus der Grünen-Fraktion – wohl recht hat, dass die Bedenken der Stadt gegenüber einem umweltschädlichen Flughafen auch auf die Werbeseite der Wirtschaftsförderung gehören.

Gilt der Klimanotstand nicht für Unternehmen?

Denn warum sollen eigentlich Investoren und Unternehmen, die sich ansiedeln möchten, immer verschont werden mit dem so wichtigen Anliegen, dass auch das Wirtschaften in und um Leipzig umweltfreundlich werden muss? Will man nur Investoren anlocken, denen das völlig egal ist? Wo bleiben eigentlich die Initiativen zur Ansiedlung ökologisch vorbildlicher Unternehmen in Leipzig?

Um diesen Punkt drehte sich doch eigentlich die Debatte. Und letztlich hat Michael Neuhaus eigentlich nur vorsichtig angeklopft am verschlossenen Kosmos Leipziger Wirtschaftsförderung, wo man noch lange nicht verinnerlicht hat, dass man vielleicht bevorzugt um Unternehmen werben sollte, die klimagerecht arbeiten und damit auch die klimafreundliche Wirtschaftslandschaft entwickeln, die Leipzig spätestens 2040 haben will.

Wenn man immer nur dem Freistaat mit seiner fossilen Wirtschaftspolitik recht gibt, kommt dieser Prozess der Veränderung schlicht nicht in Gang. Und niemand entwickelt wirklich Visionen, wie ein Wirtschaftsstandort ohne nächtliche Frachtfliegerei aussehen könnte.

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