Über die seltsame – und anonyme – Petition, das Gedenken an Carl Friedrich Goerdeler in Leipzig abzuschaffen, und die deutliche Stellungnahme des Kulturdezernats dazu haben wir an dieser Stelle schon im Dezember berichtet. Am 15. Januar kam die Petition samt dem Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses in die Ratsversammlung. Und selbst Oberbürgermeister Burkhard Jung als Sitzungsleiter schien kurzzeitig zu erwarten, dass sich aus den Ratsfraktionen jemand meldet, um das Anliegen der Petition zu verteidigen. Aber das war nicht der Fall.
Schon zum ursprünglichen Antrag des Jugendparlaments, das forsch und ohne wirklich tiefere Kenntnis der Materie den Abbau des Goerdelerdenkmals am Neuen Rathaus beantragt hatte, hatte das Kulturamt eine klare und ablehnende Stellungnahme geschrieben. Worauf die Jugendparlamentarier ihren Antrag dann doch lieber zurückzogen.
Was irgendeinem anonym bleibenden Leipziger nicht passte und er schrieb eine Petition mit demselben Anliegen. Auf die das Kulturamt wieder nur sehr deutlich reagieren konnte und betont, dass hier mit gutem Recht ein Mann geehrt wurde, der sich aktiv gegen die Nationalsozialisten engagierte und am Ende von ihnen ermordet wurde.
Kulturamt: Denkmalentfernung kommt nicht in Betracht
„Die kritische Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe der Stadt und insbesondere der Epoche des Nationalsozialismus ist eine selbstverständliche und mit großem Engagement wahrgenommene Aufgabe der Stadtverwaltung und ihrer im Bereich Erinnerungskultur tätigen Institutionen. Insofern widersprächen ‚überzogene Ehrungen‘ jedweder Art der Intention des Konzeptes Erinnerungskultur und der gelebten Geschichtspolitik der Leipziger städtischen Akteure“, schrieb das Kulturamt in seiner Stellungnahme.
„Dies gilt auch für die Person und das Wirken Carl Friedrich Goerdelers, dessen mutiges Eingebundensein in die Opposition ab etwa 1937 und dann im Umfeld des 20. Juli 1944 ebenso gewertschätzt wird, wie seine Tätigkeit als Oberbürgermeister und Reichspreiskommissar von 1930 bis 1936 eine differenzierte Wahrnehmung verdient und erfordert.
Wie bereits im Verwaltungsstandpunkt zum in der Petition dezidiert genannten entsprechenden Antrag des Jugendparlamentes VII-A-09544 niedergelegt wurde, kann die hier erneut geforderte Entfernung des Goerdeler-Denkmals unter keinen Umständen in Betracht kommen, da Goerdeler an dieser Stelle als vom NS-Regime verfolgter und ermordeter Oppositioneller geehrt wird, dessen schwer errungene Gewissensentscheidung ausdrücklich als Maßstab für heute nicht nur im Neuen Rathaus Tätige dienen soll.“
Längst liegt mit Peter Theiners Biografie „Carl Goerdeler“ eine fundierte Aufarbeitung zu Goerdelers Leben und Karriere vor, die akribisch zeigt, wie Goerdeler regelrecht zum Motor des bürgerlichen Widerstands im Nazi-Deutschland wurde.
Und tatsächlich meldete sich am 15. Januar in der Ratsversammlung niemand, der für die mehr als obskure Petition sprechen wollte. Es kam also gleich zur Abstimmung über den ablehnenden Vorschlag des Petitionsausschusses. Und erstaunlicherweise folgte dem die Ratsversammlung einstimmig.
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