Einbürgerungen dauern in Leipzig aktuell drei Jahre, obwohl Verwaltungsverfahren eigentlich nicht länger als drei Monate beanspruchen sollten. Das war das Ergebnis einer Anfrage der Linksfraktion zur jüngsten Ratsversammlung im März. Nach drei Monaten besteht dann die Möglichkeit, eine Klage wegen Untätigkeit einer Behörde zu erheben. Doch auch das Verwaltungsgericht in Leipzig entscheidet derzeit nicht, wie eine Anfrage der Grünen-Faktion im Sächsischen Landtag jetzt ergab. Denn die Klagen ändern nichts an der massiven Überlastung der Ausländerbehörde.

Die Sachsens Innenministerium auch bekannt ist, wie Innenminister Armin Schuster in der Antwort auf die Grünen-Anfrage erklärte. „Der erhebliche Anstieg der Zahl der Einbürgerungsanträge wie auch die Tatsache, dass es dadurch zu verlängerten Verfahrensdauern kam, ist dem Staatsministerium des Innern bekannt. Für die Bewältigung der gesteigerten Antragszahlen zu sorgen ist Aufgabe der unteren Staatsangehörigkeitsbehörden selbst, die Staatsregierung kann diese hiervon nicht entlasten.

Da, wo es für die Staatsregierung die Möglichkeit gibt, die unteren Staatsangehörigkeitsbehörden zu unterstützen, kommt sie dem aber nach. Das betrifft vor allem die Einführung des Eine-für-Alle-Dienstes (EfA-Dienst) zur elektronischen Antragstellung. Rechts- oder fachaufsichtliche Maßnahmen wurden bisher nicht ergriffen. In dieser Hinsicht ist insbesondere auch die vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht umfasste Personal- und Organisationshoheit der Stadt Leipzig zu beachten.“

Es fehlen Sachbearbeiter

Ein Eingriff des Freistaats würde auch nicht viel bewirken, denn die Unterbesetzung in der Leipziger Ausländerbehörde hängt aufs engste mit dem Problem fehlender qualifizierter Bewerbungen zusammen, wie Leipzigs Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal am 19. März bestätigte. Dass jetzt vor allem die Menschen, die 2015 in Sachsen Asyl fanden, die Einbürgerung beantragen dürfen, hat die Lage nur zusätzlich verschärft.

Aber so ganz nebenbei zeigt auch die Antwort von Innenminister Armin Schuster, dass auch die sächsischen Gerichte längst unter Überlastung leiden: „Die durchschnittliche Verfahrensdauer erledigter Untätigkeitsklagen im Zusammenhang mit einem Antrag auf Einbürgerung betrug beim VG Leipzig im Jahr 2024 264Tage.“ Das sind auch schon mal locker acht Monate.

Die Antwort der sächsischen Staatsregierung auf die Kleine Anfrage (Drs 8/1689) der Bündnisgrünen-Abgeordneten Dr. Claudia Maicher macht also mehr sichtbar als nur die personelle Unterbesetzung in der Leipziger Ausländerbehörde.

„Die stockenden Einbürgerungsverfahren sind ein großes Problem für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Leipzig“, geht Claudia Maicher dabei auf einen besonderen Aspekt dieser massiven Verzögerungen ein. „Denn ohne die Einbürgerung können sie ihre Tätigkeit nicht angemessen ausüben, weil sie beispielsweise nicht ohne weiteres ins Ausland reisen können. Es darf nicht sein, dass Menschen derart lange auf eine Einbürgerung warten müssen und hingehalten werden. Wenn Behörden und selbst Gerichte nicht entscheiden, muss dringend Abhilfe geschaffen werden.“

Kann der Freistaat helfen?

Die Ausländerbehörden brauchten sofort Unterstützung, fordert Claudia Maicher: „Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat schon im Februar 2023 angemahnt, dass dem Bearbeitungsstau in der Leipziger Ausländerbehörde mit Personalzuwachs entgegengewirkt werden muss. Die Staatsregierung muss deshalb jetzt alle Möglichkeiten ausloten, Personal abzuordnen und die Situation durch mehr Digitalisierung zu verbessern.“

Letztlich geht es auf allen Ebenen – nicht nur in der Spitzenforschung – um Fachkräfte für Sachsen, die das Land mit seiner niedrigen Geburtenrate schon lange nicht mehr bereitstellen kann.

„Wir brauchen in Sachsen Fach- und Arbeitskräfte. Dafür brauchen wir Zuwanderung“, sagt Maicher etwas eigentlich Selbstverständliches.

„Das kann nur gelingen, wenn Zugewanderte sich bei uns gut integrieren können. Dazu gehört es, dass die Verfahren in den Ausländerbehörden zügig bearbeitet werden und so Aufenthalt, Arbeit und Einbürgerung möglich machen. Wir haben deshalb bei der Staatsregierung nachgefragt, ob auch in anderen Ausländerbehörden in Sachsen derartige Verfahrensverzögerungen die notwendige Einbürgerung behindern. Denn das schadet dem Freistaat im Wettbewerb um Fachkräfte.“

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Es gibt 7 Kommentare

Hallo Urs,
auch wenn der Vergleich zum Wohngeld hinken sollte: Können Sie nicht erkennen, dass es ein nerviger, unsicherer und persönlich hemmender Umstand ist, wenn jemand auf einen Entscheid 5 Jahre warten muss? Sei es erst mal egal ob dann positiv oder negativ entschieden wird – so lange müssen die Leute doch nicht auf die Folter gespannt werden. Ich finde das unprofessionell, mal ganz von der utilitaristischen Sicht (gutes Stichwort übrigens) abgesehen, dass ein Bundesland mit Industrie und Exzellenz-Uni zu heutigen Zeiten angewiesen ist auf Leute aus dem Ausland, die hier arbeiten.

Die LVZ bringt heute eine dpa-Meldung genau zum Thema: https://www.lvz.de/politik/regional/einbuergerung-in-sachsen-dauert-oft-mehrere-jahre-ETD242GOVNCHZLTIHNEZTU7MBE.html Darin wird auch klar, daß der Vergleich zum Wohngeldantrag nicht ganz paßt.

Und so sehr man den Wunsch der Antragsteller auf Einbürgerung verstehen und unterstützen kann: die utilitaristische Sicht, also die Rede von Fachkräftemangel und Standortnachteil, geht m.E. weit am Thema vorbei. Warum Sachsen besonders wenig Personal für Einbürgerungsaufgaben aufweist, kann man nur mutmaßen. Der ehemalige Justizminister Mackenroth runzelt nun die Stirn. Seine Partei ist bestimmt nicht unverantwortlich für die Lage.

Erlauben Sie mir noch ein Wort zur Wissenschaft: die Bundesrepublik leistet sich ein grauenhaftes Wissenschaftssystem. Wissenschaftlern wird hierzulande ein extrem steiniger Weg bereitet. Kettenbefristungen über Jahre und Jahrzehnte sind schon lange eine Pest, die Budgets sind und bleiben mau, die Energien werden weithin im “Grantwriting” verpulvert, meist ohne Erfolg, und internationales Niveau findet oft genug anderswo statt. Unter diesen Bedingungen als Wissenschaftler/in nach Deutschland zu wechseln, erfordert ein ausgeprägtes Maß an Hartgesottenheit. Da kann man nur hoffen, daß denjenigen, die sich trotz der Bedingungen entschließen, etwa in Sachsen Fuß fassen zu wollen, die Einbürgerung jedenfalls nicht ausdrücklich erschwert wird.

Warum auch immer kayto hier das “Du” verwendet, bringt dieser Beitrag doch ein Zeugnis der Missstände. Ich kann nicht nachvollziehen, warum so ein Antrag Jahre zur Bearbeitung braucht. Entweder will man es, dann muss es sich um Monate handeln, oder man will es nicht, dann kann die Ablehnung auch schneller kommen. Aber bisschen Ehrlichkeit wäre schon gut. Da verstehe ich auch Diskussionen um zweifelhafte Exzellenz oder kritikwürdige Vergleiche nicht.

Sie können, lieber User “kayto”, mit Ihrem bisherigen Reisepass nicht vernünftig reisen, verstehe ich Sie richtig? Konnten Sie Ihren Antrag auf Einbürgerung nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland stellen? Und jetzt warten Sie bereits vier Jahre, weil Sie den Antrag in Sachsen stellen müssen, hingegen, wenn Sie in Berlin leben würden, wäre Ihre Einbürgerung schon vor Jahren erfolgt?

Der Vergleich mit dem Wohngeld passt m.E. nicht so ganz, auch wenn es sich ebenfalls um ein Antragsverfahren handelt.

Weltführende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen werden wohl kaum Wohngeld beantragen.

Ich bin genau so ein Wissenschaftler. Ich lebe seit 9 Jahren in Deutschland, aber ich kann meine Integration in die deutsche Gesellschaft nicht abschließen, kann nicht wählen, kann nicht für Projekte reisen. Meine Antragstellung wird voraussichtlich 5 Jahre dauern. Wenn du ein gesetzliches Recht auf Wohngeld hättest und die Stadt 5 Jahre für die Bearbeitung deines Antrags bräuchte, würdest du das auch nicht akzeptieren. In Berlin bearbeiten sie es innerhalb von 3 Monaten. Warum sollten weltführende Wissenschaftler nach Sachsen kommen?

Hat Frau Dr. Maicher eigentlich auch das eine oder andere anschauliche Beispiel angeführt, lieber Autor, wo eine hier tätige Wissenschaftlerpersönlichkeit tatsächlich mit der beschriebenen Einbürgerungsverzögerung zu hadern begonnen hatte? Und nicht etwa andere Optionen an anderem Ort gehabt hat? Und ist die hiesige Wissenschaft i.a. wirklich sooo attraktiv?

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