Am Mittwoch, dem 25. Juni, soll bei der anstehenden Ratsversammlung auch der neue Migrantinnen- und Migrantenbeirat berufen werden – eigentlich. Doch geht es nach Robert Alia, dann wird dies gestoppt und die Anfang April erfolgte Wahl des Beirats wiederholt. Denn der 35-jährige Alia, der selbst erfolglos kandidierte, sieht massive Mängel bei der Wahlprozedur und hat jetzt das Verwaltungsgericht angerufen.

Der Leipziger Migrantenbeirat existiert seit 2009. Er soll Menschen mit migrantischer Biografie Teilhabe ermöglichen, damit spezifische Anliegen der Communitys Gehör in der Lokalpolitik finden. Eigene Beschlüsse fassen kann er nicht, aber Vorlagen in den Stadtrat einbringen, über die abgestimmt wird.

Wer mindestens 18 ist, wenigstens drei Monate den Hauptwohnsitz in Leipzig hat sowie eine ausländische Staatsbürgerschaft (oder eingebürgert wurde), darf den Beirat wählen bzw. sich zur Wahl stellen.

Verwaltungsgericht soll jetzt entscheiden

Auch Robert Alia hatte bei der letzten Wahl des Gremiums vom 7. bis 14. April für einen der 16 migrantisch besetzten Plätze kandidiert, blieb mit 157 Stimmen aber erfolglos. Der 35-jährige Albaner, der seit 2018 in Leipzig lebt, führt dies auf ein seiner Ansicht nach diskriminierendes Wahlsystem zurück, welches kleinere Gruppen benachteilige. Außerdem habe es neben rechtlichen, technischen und strukturellen Problemen bei der Online-Wahl auch unvollständige Wählerverzeichnisse gegeben, kritisiert Alia.

Herr Robert Alia (35). Foto: privat
Robert Alia sieht die Wahl des Migrantenbeirats als rechtswidrig und hat jetzt das Leipziger Verwaltungsgericht angerufen. Foto: privat

Daher erhob der BAMF-Dolmetscher und Ingenieur zunächst Beschwerde beim Rechtsamt, insgesamt gab es drei. Nun hat Alia mithilfe eines Anwalts ein Eilverfahren beim Leipziger Verwaltungsgericht angestrengt. Das bestätigt Gerichtssprecher Dirk Tolkmitt auf Anfrage.

Das Ziel: Per einstweiliger Anordnung möge festgestellt werden, dass die Wahl rechtswidrig war und wiederholt werden muss. Hilfsweise solle die für Mittwoch, den 25. Juni, geplante Berufung der Mitglieder des neuen Beirats in der Ratsversammlung bis auf Weiteres ausgesetzt werden: „Wenn Dialog fehlt und keine erkennbare Bereitschaft besteht, unsere berechtigten Anliegen ernsthaft zu prüfen, bleibt mir nur der Weg vor Gericht – und das bedauere ich sehr“, erklärt Alia auf LZ-Anfrage.

Diese Punkte werden hauptsächlich kritisiert

Zum einen moniert er, dass viele Wahlberechtigte nie eine Benachrichtigung erhalten hätten. Mutmaßlich, weil es sich um Eingebürgerte handelt, die im Gegensatz zu Menschen ohne diesen Status nicht automatisch von der Stadt angeschrieben werden. Vielmehr müssen Erstere selbst aktiv werden und anzeigen, dass sie wählen möchten. Alia hat nach Angaben seines Rechtsanwalts Unterschriften von 102 Personen gesammelt, die keine Benachrichtigung erhalten, ihm aber ihre Stimme gegeben hätten.

Zum anderen sei auch das Wahlsystem ungerecht: Dieses System, das 2022 eingeführt worden war, legt acht globale Herkunftsregionen fest (Asien I, Asien II, Asien III, Afrika I, Afrika II, Europa I, Europa II sowie Amerika, Australien, Ozeanien). In jeder Gruppe erhalten die jeweils Erst- und Zweitplatzierten einen Sitz. Alia landete in der Gruppe „Europa I“, welche europäische Nicht-EU-Staaten umfasst und von Ukrainern dominiert wird, mit 157 Stimmen nur auf Platz fünf. Kleinere Gruppen wie die Wahlberechtigten aus Balkanländern seien so im Nachteil.

Das sagt die Stadt zu den Vorwürfen

Die Stadt Leipzig weist die Vorwürfe gegen die Wahl zurück. Manuela Andrich, Leiterin des Referats für Migration und Integration, hatte zwar bereits im Mai auf Anfrage eingeräumt, dass die Wahlbeteiligung enttäuschend sei. Von 74.931 Wahlberechtigten gaben nur 4.929 ihre Stimme ab, was einer Quote von 6,6 Prozent entspricht. 2021 waren es 7,87 Prozent.

Hinsichtlich der Wahlbenachrichtigungen habe man allerdings keine Liste deutscher Staatsbürger mit Migrationsbiografie gehabt, weil diese nicht existent sei, und diese Menschen nicht aktiv anschreiben können. Das Wahlsystem mit Herkunftsregionen sei außerdem durch den Stadtrat, ein demokratisch gewähltes Gremium, beschlossen worden. Insgesamt habe die Stadt trotz begrenzter Mittel deutlich mehr geleistet als vorgeschrieben ist, auch was die Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Wahl betrifft, betont Manuela Andrich.

Auch die Beschwerden beim Rechtsamt stünden laut eigener Prüfung „im Ergebnis einer Besetzung des Beirates auf Grundlage der Ergebnisse der Online-Wahl nicht entgegen“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadtverwaltung.

Berufung bisher weiter auf der Agenda

Robert Alia überzeugt das nicht. Seiner Ansicht nach hätte Leipzig hinsichtlich lückenhafter Wahlverzeichnisse und eines unangepassten Wahlsystems trotz erkennbarer Probleme zu lange untätig verharrt. Dazu führt der 35-Jährige Städte wie Dresden oder Halle/Saale an: Dort würden „sowohl eingebürgerte als auch nicht eingebürgerte Migrantinnen und Migranten gleichberechtigt und diskriminierungsfrei informiert.“

Auch München zählt Alia als Gegenbeispiel: Der Migrationsbeirat der bayerischen Landeshauptstadt will eigene Verfahrensweisen zur „Berücksichtigung marginalisierter migrantischer Gruppen und Minderheiten entwickeln“, wie es in einem Positionspapier von 2025 heißt.

Wie das Eilverfahren am Leipziger Verwaltungsgericht ausgeht, bleibt spannend. Möglich wäre, dass die Berufung der Beiratsmitglieder, die schon im Mai hätte stattfinden sollen, sich wieder nach hinten verschiebt. Bisher steht dieser Punkt für den Stadtrat am Mittwoch, dem 25. Juni, aber weiter auf der Tagesordnung.

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