Am Donnerstag, 16. September, entscheidet der Stadtrat Borna über den Verkauf einer rund zehn Hektar großen Fläche am Bockwitzer See. Es geht um viel Geld: Für den Preis von 1,5 Millionen Euro will die Stoke GmbH laut Pressemeldungen das Gelände unmittelbar neben einem Naturschutzgebiet kaufen und einen Surfpark errichten. Das wäre eine Katastrophe für das Naturrefugium.

Der NABU Sachsen möchte den wertvollen Lebensraum erhalten – und appelliert deshalb an die Stadträtinnen und -räte, dem Verkauf nicht zuzustimmen.„Der Bockwitzer See ist der einzige Tagebaurestsee südlich von Leipzig, der eine natürliche, vom Menschen weitgehend ungestörte Entwicklung genommen hat“, erklärt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen. „Dies schlägt sich nieder in der Ausweisung eines Naturschutzgebietes, eines europäischen Fauna-Flora-Habitat-Gebietes und schließlich eines Europäischen Vogelschutzgebietes. Besondere Schutzwürdigkeit kommt dabei der Förderung der Unzerschnittenheit und der Vermeidung von inneren und äußeren Störeinflüssen auf das Gebiet zu.“

Bedeutende Brutgebiete auf Ruhe angewiesen

Das Vogelschutzgebiet „Bergbaufolgelandschaft Bockwitz“ ist eines der bedeutendsten Brutgebiete Sachsens für den Brachpieper und die Sperbergrasmücke. Zudem stellt das Vogelschutzgebiet ein bedeutendes Rast- und Nahrungsgebiet für Saatgänse dar. Insgesamt sind im Gebiet über 180 Vogelarten, zwölf Amphibienarten, vier Reptilienarten, 31 Libellenarten, 20 Heuschreckenarten und fast 400 Arten der Höheren Pflanzen erfasst. Viele Menschen finden zudem Ruhe und Erholung im Gebiet.

„Vielfältige Outdoor-Aktivitäten und reges Treiben sind an vielen Seen in der Umgebung möglich, aber der Bockwitzer See muss für derartige Freizeitgestaltungen tabu bleiben“, konstatiert Bernd Heinitz. „Dafür werden wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzen und fordern die Stadträtinnen und Stadträte Bornas auf, einem Verkauf nicht zuzustimmen – im Interesse von Natur und Landschaft, des Klimaschutzes und im Interesse eines lebenswerten Umfeldes, vor allem auch für kommende Generationen.“

LaNU fordert nachhaltige Entwicklung am Bockwitzer See

Und auch die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU) spricht sich deutlich gegen die Surfpark-Pläne aus. Damit hat der Konflikt auch die Landesebene erreicht. Und das auch, weil sich die LaNU direkt am Bockwitzer See selbst engagiert.

Die Stadtverwaltung Borna möchte ein Areal im Nordteil des Sees von etwa 10 Hektar zu einem Preis von 1,5 Millionen Euro an die Stoke GmbH veräußern. Die LaNU ist Eigentümerin der direkt an den geplanten Surfpark angrenzenden Naturschutzflächen. Die Stiftung befürchtet mit der geplanten Ansiedlung nicht reparierbare Schäden für eines der größten Naturschutzgebiete Sachsens durch den geplanten Massentourismus.

„Der Bockwitzer See ist ein besonderes Naturparadies im Süden von Leipzig. Es gehört zu den bedeutenden Rast- und Schlafgewässern während des Vogelzuges. Hier hat sich eine einzigartige Natur ausgeprägt, für deren Erhalt und Entwicklung die LaNU mit dem Ankauf der Fläche seit 20 Jahren die Verantwortung übernommen hat“, erläutert Dietmar Kammerschen, Direktor der LaNU.

„Der Surfpark mit geplanten 230.000 Besuchern pro Jahr stellt einen erheblichen Stör- und Unruhefaktor für diesen Naturraum dar. Nicht nur für die Natur geht Lebensraum verloren, sondern auch ein wertvoller Erholungsraum für die Bürgerinnen und Bürger der Region. An dieser Stelle ist sanfter und naturnaher Tourismus gefragt“, ergänzt der Stiftungsdirektor.

Im Jahr 1992 durch das Sächsische Naturschutzgesetz gegründet und bei der LaNU als Sondervermögen eingerichtet, ist der Naturschutzfonds ein wichtiges Förderinstrument in Sachsen, mit dem verschiedenste Projekte in Natur und Landschaft und die praktische Naturschutzarbeit vor Ort gefördert werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Sicherung und Entwicklung von rund 1.500 Hektar naturschutzbedeutsamer Flächen in Sachsen auf derzeit 41 Standorten.

Zur Sicherung der naturschutzfachlich besonders wertvollen Fläche in Bockwitz, hat die LaNU 2001 rund 475 Hektar des Bockwitzer Sees erworben. Hier konnte sich bis heute eine einmalige Artenvielfalt ausbilden. Deshalb befindet sich heute an dieser Stelle eines der größten Naturschutzgebiete Sachsens und zugleich Schutzgebiete des europäischen Netzwerkes NATURA 2000 (FFH, SPA). Rund um den Bockwitzer See leben über 180 verschiedene Vogel-, zwölf Amphibien- und 31 Libellenarten. Außerdem ist der See ein wichtiges Schlaf- und Rastgewässer für Tausende nordische Gänse und viele Möwen.

Auch Grüne kritisieren Beschlussvorlage im Bornaer Stadtrat

Die Kreisgrünen kritisieren den von der Bornaer Oberbürgermeisterin Luedtke eingebrachten Beschlussvorschlag zum Verkauf einer 10.000 Quadratmeter großen Fläche am Bockwitzer See, zur Errichtung eines Surfparks. Besonders die Nichtbeachtung des zweiten Projektes, der Errichtung eines Campingplatzes und einer Streuobstwiese, hätte den Stadträten und damit auch der Öffentlichkeit vorgelegt werden müssen.

„Das ist nicht nur ein Mangel an Transparenz gegenüber der Bevölkerung, sondern auch ein fatales Signal, Natur- und Klimaschutz zu ignorieren. Die zu erwartenden Besucher werden große Verkehrsprobleme mit sich bringen. Angedacht ist, die Besucher über Bus und Bahn anreisen zu lassen. Ich habe bis jetzt noch nichts gehört, wie die Surfbretter auf die Busse geschnallt oder der Fußmarsch vom Bahnhof bis zum See zurückgelegt werden soll. Alles läuft auf Pkw-Verkehr hinaus. Hinzu kommt: Am See gibt es eine große Artenvielfalt an Flora und Fauna. Dies mit einem solchen Prestigeprojekt zu gefährden und den Stadträten nicht mal die Wahlmöglichkeit in öffentlicher Sitzung zu geben, ist schon ein starkes Stück“, findet der Fraktionsvorsitzende der Grünen Kreistagsfraktion Tommy Penk.

Sein Fraktionskollege Joachim Schruth, als Naturschutzreferent für juristische Fragen beim NABU zuständig, erklärt: „Aus naturschutzrechtlicher Sicht wäre ein Verkauf an den Surfparkinvestor ein fatales Signal. In diesem Fall werden die Verbände die Unterlagen sehr genau prüfen, bei Bedarf auch unter Hinzuziehung von Rechtsbeiständen.“

Die Grünen sind jetzt gespannt, wie sich die SPD und die Linken verhalten werden: „Auf allen Wahlplakaten der beiden Parteien liest man derzeit von Ökologie, Natur- und Klimaschutz. Doch nun wird es konkret – und es stellt sich die Frage, ob das alles nur Lippenbekenntnisse sind oder ob auf kommunaler Ebene die Weichen für eine naturverträglichere Entwicklung des Sees und eine im Sinne der Bornaer gestellt werden. Wir stehen in jedem Falle an der Seite der Naturschutzverbände und damit auch auf der unserer Kinder und Enkel“, sagt Penk.

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