Wenn die Sachsen am 31. August 2014 zur Landtagswahl schreiten, werden sie neben diversen Überlegungen zu den Parteien vielleicht auch die eine oder andere Sachfrage heranziehen, um sich für neue oder alte Konstellationen in der Landesregierung zu entscheiden. Ob ÖPNV, Betreuung der Kleinsten in den Kitas und die personelle Ausstattung der sächsischen Schulen - alles eine Frage der Beschlüsse im Landtag und der Umsetzung durch die entsprechenden Minister.

Brunhild Kurth (CDU) ist so eine Ministerin, verantwortlich für das Staatsministerium für Kultus (SMK) und damit für Bildung im Freistaat. Und für die Bezuschussung des “Katholikentag” 2016 in Leipzig.

3 Millionen Euro hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) beim Freistaat beantragt, eine weitere Million bei der Stadt Leipzig. Während die Abstimmung in Leipzig am 16. Juli unter hörbaren Unmutsgeräuschen mancher Stadträte verschoben wurde, hat die Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) die Beantragung des ZdK zwar erhalten, kann sie aber nicht bewilligen. Dies ergab nun eine Anfrage des Linken-Landtagsabgeordneten Dietmar Pellmann im sächsischen Landtag. Wörtlich heißt es in der Antwort der Ministerin, der Veranstalter, das Zentralkomitee, habe am 26. November 2013: “… durch den Generalsekretär stellvertretend beim SMK einen Zuschuss in Höhe von 3 Mio. EUR beantragt. Die Sächsische Staatsregierung hat eine finanzielle Beteiligung im Entwurf des Doppelhaushaltes 2015/2016 vorgesehen. Eine Bewilligung ist bislang nicht erfolgt.”

Konnte sie auch nicht, dazwischen liegt eine Landtagswahl und somit ein neuer Landtag im Anschluss, welcher voraussichtlich den Doppelhaushaltsvorschlag der CDU debattieren wird. In welcher Parteien- und Regierungskonstellation auch immer. Und wo eine gerade im Budget von Brunhild Kurth äußerst sparbereite bisherige Regierung die 3 Millionen Zuschuss als möglich ansieht, könnten sich nach dem 31. August auch andere Prioritäten ergeben. Die der fehlenden Lehrer im Freistaat wäre so eine. Die des fehlenden Personals in der Kita- und Krippenbetreuung eine weitere. Was ein Zuschuss an den Katholikentag im Bildungsetat des Freistaates zu suchen hat, ist vielleicht die grundsätzlichere Frage, welche bislang nur noch keiner gestellt hat.

Für Dietmar Pellmann (Linke) ist derzeit etwas anderes ebenfalls grundsätzliches fraglich. “Es hat sich offenbar eingebürgert, dass für Veranstaltungen der beiden Großkirchen finanzielle Zuschüsse aus Steuermitteln gewährt werden. Dabei scheint es relativ uninteressant zu sein, ob die jeweiligen Kirchen überhaupt zuschussbedürftig sind.” So sei doch zumindest die Katholische Kirche sehr wohl in der Lage, ” … ihre Kirchentage mit eigenen Mitteln zu finanzieren, zumal sie über den wahrlich nicht mehr zeitgemäßen Staatsvertrag mit dem Freistaat Sachsen jährlich ohnehin genügend finanzielle Mittel erhält”, so der Leipziger Landtagsabgeordnete.

Das mit der Zeit ist bei solchen lang gedienten Einrichtungen wie den Kirchen in Deutschland so eine Sache. Öffentlich einsehbar ist derzeit nur der Staatsvertrag zwischen Freistaat und dem Heiligen Stuhl, letztmalig geändert im Jahr 1996/97, gezeichnet durch den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU). Neben den diversen Steuererleichterungen, Finanzierungen bei katholischen Krankenhäusern durch den Freistaat, Kooperationen beim Erhalt von Kirchenbauten und Denkmälern, sowie der Zusage im “öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten ausreichend Sendezeit” und auch im privaten Rundfunk Raum eingeräumt zu bekommen, lag der direkte Zuschuss des Freistaates damals bei 1 Million D-Mark pro Jahr. Die evangelischen Kirchen, nur nebenbei erwähnt, erhielten einst 25 Millionen D-Mark jährlich zugesprochen.

Weiter heißt es im Staatsvertrag mit der katholischen Kirche “Dieser Betrag ändert sich entsprechend den nach dem 31. Dezember 1993 wirksam werdenden Änderungen der Besoldung der Beamten im Staatsdienst.” Es sollte also in den vergangenen 20 Jahren neben den indirekten Finanzierungen auch beim direkten Mittelzufluss an die Katholische Kirche eher bergauf, statt bergab gegangen sein. Das gastgebende Bistum Dresden-Meißen jedenfalls verfügt über einen Jahresetat von 60 Millionen Euro.

Im irdischen Tal der sächsischen Finanzierungsnotwendigkeiten wandernd, wendet sich Dietmar Pellmann in seinem Statement zur Ministerinnenantwort deshalb dem Leipziger Stadtrat und der weiteren Zuschuss-Million mit einer drängenden Bitte zu, “dass der hiesige Stadtrat der großzügigen Offerte des Oberbürgermeisters Einhalt gebietet.” Eigentlich kann der derzeitige Stadtrat nur ablehnen – er ist längst nichts mehr als eine Übergangsvertretung für die wartenden neuen Stadträte und der Beschluss greift der Haushaltsplanung 2015/16 vor. Das sogenannte “Königsrecht” des Parlamentes, wohlgemerkt eigentlich des Parlamentes, welches am 25. Mai gewählt wurde.

Wer auch immer letztlich die Hände zur Abstimmung heben wird, für Pellmann sollte “der von Oberbürgermeister Jung an allen Gremien vorbei zugesagte Zuschuss der Stadt Leipzig für den Katholikentag in Höhe von einer Million Euro für dringende soziale Aufgaben eingesetzt werden.”

Wird die Million nicht. Da sei die aufsichtführende Landesdirektion, die Dauerverschuldung der Stadt Leipzig und ein knapp genehmigter Haushalt 2014 davor. Jeder Cent wird hier dreimal gedreht, vor allem die Beträge, welche aus dem Bereich “Soziales” beantragt werden. Da wird sich diese Million auch 2015/16 garantiert nicht wiederfinden.

Im Rathaus des Oberbürgermeisters verkauft man die Million für den Katholikentag deshalb längst als eine lohnende Investition zur wirtschaftlichen Belebung der Geschäfte in den 5 Tagen vom 25. bis 29. Mai 2016. Und man stellt halbseidene Berechnungen an, wie die des OBM bei einem Interview in der LVZ, vergangene Woche freundlich abgefragt von Björn Meine.

Freundlich dann auch die Aussichten, die Burkhard Jung da ohne größere Anstrengungen zu verkünden hatte, während ein paar nach wie vor bohrende Fragen der L-IZ in seinem Arbeitszimmer lagen. Es sei ja so, wie auch immer berechnet, dass es das Vier- bis Fünffache in Mannheim gewesen sei, was in die Stadt zurückfloss. Schwammiger geht es letztlich nicht mehr, denn genau dass bedeutet eben nicht, 4 bis 5 Millionen Steuern für den Kommunalhaushalt. Umsatz und Gewinn sind kein gleichfarbiges Paar Hausschuhe und die Hochrechnung der oberbürgermeisterlichen Schätzung ergäbe eigentlich sogar ein Umsatzplus von 22 Millionen Euro in Leipzig, rechnet man die 4,4 Millionen Euro Steuergeld mal den Faktor 5.

Oder es ist und bleibt ein Nullsummenspiel, bei welchem der Katholikentag den Gewinn aus den Eintrittskarten mitnimmt und die Steuerzahler die Grundlast und die Mehraufwendungen tragen.

Was bislang aus der Runde Softballtennis mit der LVZ zu erfahren war, hat hingegen nichts mit Steuerrückflüssen, korrekten Umwegrenditeberechnungen und der Grundfrage zu tun: Wie ist der Zuschuss gegenüber der Gesamtheit der Steuerzahler fiskalisch genau zu begründen? Mannheim hat’s angeblich vorgemacht, in Leipzig kann es nur noch mehr werden. In dieser Argumentation geht es um Ausgaben des Geldes der Bürger und die Einnahmen für alle Bürger im Stadtsäckel. Also um Steuerarten, hiesige Gewerbesteuerzahler und den ganzen, scheinbar mysteriösen “Rest”-Potpourri einheimischer Unternehmer und lokale Wirtschaftskreisläufe im Umfeld von Großveranstaltungen.

Eine Berechnung, welche es noch zu keinem der 99 bisherigen Katholikentage öffentlich zu finden gibt, alle Angaben dazu bleiben im Dunkeln. Natürlich auch die aus Mannheim und der Rest ist der Glaube. Ein Nachweis sogenannter nachhaltiger Effekte fehlt ebenso.

Pfiffig deshalb die Argumentation des Oberbürgermeisters bis dato, den Katholikentag mit dem Turnfest 2002 (Sportstadt Leipzig) zu vergleichen und die World Skills (beruflicher Nachwuchs) ins Rennen zu werfen, um die Million zu begründen. Nur wie wird der Effekt des Katholikentages lauten? Pfiffig auch, nun zu behaupten, die Million flösse ja über die Mieten von städtischen Sälen und Räumen wieder direkt an die Stadt zurück. Das deutet eher nochmals ein Nullsummenspiel an.

Doch zu behaupten, der Zuschuss sei eine Frage des helfenden Umgangs zwischen Staat und Religion, vergleichbar etwa mit der Genehmigung des Moscheebaus der Ahmadiyya-Gemeinde ist nicht mehr pfiffig. Dass ist vollkommen schräg. Einen gesetzlich, anhand des Baurechtes zu genehmigenden Moscheebau, welchen die Glaubensgemeinde aus eigener Tasche zahlt, mit einem Millionenzuschuss an den Katholikentag zu vergleichen, ist gefährlich für die gänzlich unbeteiligten Ahmadis. So schiebt der OBM die Muslime mühsam an die Seite der katholischen Gäste und behauptet indirekt, der Genehmigungsakt wäre eine wie auch immer geartete Vorteilsgewährung.

Einig ist man sich bislang eigentlich nur über eines, das auch Dietmar Pellmann betont: “Ich wünsche mir, dass Leipzig ein guter Gastgeber für den 100. Deutschen Katholikentag ist und sich die zu erwartenden Gäste in meiner Heimatstadt wohlfühlen.”. Der Dissenz folgt auf dem Fuß: “Das muss aber nicht mit finanziellen Willkommensgeschenken verbunden sein!”

Doch, der Oberbürgermeister Leipzigs, welcher den Grünen nun auch noch ein Wahlkampfmanöver für den Absetzungsantrag im Stadtrat attestiert, hat auch schon eine “Zahl im Kopf”, wenn es im September ans Kompromisse machen gehen soll.

Die lautet 300.000 Euro, einsteigen wird der OBM mit mehr, doch er wird die Grünen bei der jetzigen Stimmenverteilung im Stadtrat für eine sichere Mehrheit benötigen. Im neu gewählten Stadtrat ebenfalls, denn wie sich Teile der SPD und der CDU bis hin zu den vier neuen AfD-Stadträten verhalten werden, ist derzeit unsicher.

Für die letztlich hinter dem ZdK stehende katholische Kirche hängen also derzeit rund 4 Millionen in Sachsen in der Luft.

Zur Kleinen Anfrage Dietmar Pellmanns an die Staatsregierung

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14828&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

Der Staatsvertrag Sachsens mit dem Heiligen Stuhl

www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/archivio/documents/rc_seg-st_19960702_s-sede-sassonia_ge.html

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