Da schaute am 14. März nicht nur Wulf Gallert, der kurz darauf ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, bedrippelt aus der Wäsche: Über 7 Prozent hatte die Linke verloren, war auf 16 Prozent - und damit deutlich hinter die 24 Prozent der AfD - zurückgefallen. Und das mit deutlichen Verlusten ausgerechnet bei Arbeitern und Arbeitslosen. Ein Signal auch für Sachsen, findet Rico Gebhardt.

Er ist Fraktions- und Landesvorsitzender der Linken in Sachsen und hat am Freitag, 18. März, fünf Tage nach den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ein Grundsatzpapier mit dem Titel „Aus der Mitte der Linken dem Rechtstrend die Stirn bieten – in Sachsen Weichen stellen, wie’s mit Deutschland weitergeht“ vorgestellt.

Das Ding ist – na ja – neun Seiten lang. Was eines der Probleme ist, die die Linken in Deutschland haben. Sie schreiben immer gleich Doktorarbeiten, um alle Probleme mit anzusprechen. Und wundern sich dann, dass kein Mensch mehr zuhört. Oder weiterliest. Das ist ein echtes Problem in der sogenannten Informationsflut, die eigentlich eine Häppchenflut ist. Und zwar nicht erst seit Erfindung des Internets, sondern auch schon seit dem Siegeszug von Radio und Fernsehen. Schuld daran sind eigentlich die Medien, die ihre Nutzer daran gewöhnt haben, dass alles Wichtige in einen 1-Minuten-Schnipsel passen muss.

Deswegen stampfen wir die Meldung hier einfach mal zusammen. Tut uns gar nicht leid.

„Kulturkampf“? – Weg damit. Ist ein abendfüllendes Thema.

Enttäuschung der Arbeiterschaft? – Geschenkt. Weg damit. Andermal.

Vielleicht ein bisschen zum Kurz-drüber-Nachdenken die vier Punkte, an denen Rico Gebhardt meint, dass jetzt repariert werden müsste, damit es besser wird – gerade für die Armen und prekären im Land:

„Garanten grundsätzlicher Gleichheit in unserer Gesellschaft“ nennt es Gebhardt.

1. Längeres gemeinsames Lernen an der Schule bis mindestens Klasse 8 für alle Kinder.
2. Eine Bürger_innenversicherung für alle.
3. Eine solidarische Mindestrente.
4. Eine sanktionsfreie Mindestsicherung für alle.

Ließe sich alles sofort umsetzen. Wenn die Linke die Mehrheit hätte. Oder SPD und CDU überzeugen könnte.

Und dann macht Gebhardt einen Spaß und fragt sich, wie denn nun die Linke mit einer für alle verständlichen Sprache wieder zu einer gefragten Ansprechpartnerin werden könnte.

Seine Antwort: „Die Akademisierung unseres Polit-Sprech ist abseits hochschulpolitischer Verlautbarungen breiter Meinungsbildung abträglich.“

Sollen wir’s übersetzen? Vielleicht so: „So hochgestochen, wie wir daherkommen, versteht uns keine Sau.“ Natürlich hat er Recht, dass es für den rechtsdriftenden Groll der Sachsen mehr als nur vier Gründe gibt. Oder fünf. Denn er nennt ja auch noch den „Bürokratieabbau von links“. Denn gerade wer in Deutschland arm ist und Hilfe braucht, ob beim Jobcenter oder anderen „Dienstleistungseinrichtungen“ erlebt, was Gebhardt „ungesicherte Arbeits- und Lebensverhältnisse“ nennt, die von entwürdigenden Regeln befreit werden müssen.

Kann man auch übersetzen: Wer nichts hat und Hilfe braucht, erlebt die ganze schikanöse Bürokratie des Landes. Der muss sich nackig machen. Und wird meistens trotzdem noch schikaniert. Und da wundern sich die vereinigten Demokratien, dass die Leute sich radikalisieren?

Dazu kommt, das stellt Gebhardt quasi als Sechstens fest, eine „Krise der Regionen“. Es sind ja nicht die Großstädter, die demonstrieren, sondern die Leute aus den sächsischen Provinzen, wo die wirtschaftlichen Strukturen verschwinden. Und die jungen Frauen.

Ganz am Ende will er auch noch die Prekarisierten aller Länder vereinen. Was natürlich überhaupt keinen Sinn macht, wenn man gleichzeitig eine „gesellschaftliche ganz große Koalition des guten Willens, die von Wertkonservativen bis Linken reicht und Christen wie Atheisten umfasst“ haben will.

Na was denn nun?

Das Fazit aus dem Papier: Fasse dich kurz. Und dampf den ganzen Schmonzens auf das Wesentliche ein. Wer alles auf einmal lösen will, was die anderen verbockt haben, verzettelt sich nur. Und kein Schwein hört ihm zu.

Wir hängen das Papier trotzdem mal drunter.

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