Wenn Legida in Leipzig auftrat, waren auch die jungen Männer mit ihrer gelben Flagge mit dem griechischem Lambda-Symbol dabei: die sogenannten Identitären. Das ist eine fremdenfeindliche Splittergruppe aus dem rechten Spektrum, die 2003 in Frankreich entstand und ungefähr seit 2010 auch in Deutschland festen Fuß gefasst hat. Der Bundesverfassungsschutz hat sich nun endlich aufgerafft, diese ausländerfeindliche Gruppe zu beobachten.

„Wir sehen bei der ‚Identitären Bewegung‘ Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“, sagte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, als er den Schritt in der vergangenen Woche bekannt gab.

„Verfassungsschützer in neun Bundesländern – Bremen, Bayern, Hessen, Berlin, Baden-Württemberg, NRW, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen – beobachten die ‚Identitären‘ bereits“, hatte der „Spiegel“ bei der Gelegenheit festgestellt.

Aber das wäre neu, denn so oft Landtagsabgeordnete bei der Sächsischen Regierung angefragt haben, bekamen sie von Innenminister Markus Ulbig die stereotype Antwort, das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz würde die Identitären nicht beobachten. Und gerade die Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Landtag, Kerstin Köditz, hatte immer wieder nachgefragt.

Die stereotype Antwort des Innenministers lautete jedes Mal: „Die ‚Identitäre Bewegung Deutschlands‘ (IBD) bzw. die ‚Identitären‘ sind kein Beobachtungsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen. Dem LfV Sachsen liegen keine Erkenntnisse über tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen der IBD bzw. der ‚Identitären‘ vor.“ So für das Jahr 2014 geantwortet, ebenso für 2015 und eigentlich auch für 2016, als auch die Asyl- und Migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Petra Zais, nachfragte und von Ulbig trocken auf die letzte Auskunft an Kerstin Köditz verwiesen wurde.

Und während er auf die Detailfragen aus den früheren Anfragen von Kerstin Köditz gar nicht antwortete, schickte er nun ausführliche Erklärungen nach, warum man die Staatsregierung mit solchen Fragen nicht nerven solle.

Dabei hatte Köditz klipp und klar den Verdacht geäußert, dass Überschneidungen der Identitären in Sachsen mit der vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Szene wahrscheinlich sind. Der „Spiegel“ beschreibt auch Überschneidungen mit dem Klientel der AfD.

Mit Aufkommen der AfD sind gerade im rechten Spektrum eine Menge Grenzen, die vorher als gesetzt galten auch im bürgerlichen Lager, ins Fließen gekommen. Und die Identitären mit ihrer rigiden Ablehnung von Einwanderung und Integration gehören eindeutig ins rechte Spektrum. Einige Forscher ordnen sie auch als rechtsextrem ein. Die Identitären propagieren einen sogenannten Ethnopluralismus – was im Endeffekt bedeuten würde, dass es nur „reine“ Staaten, Gesellschaften und Kulturen geben dürfe – also genau das, was die Nazis mit ihrer sogenannten Volksgemeinschaft meinen. Einflüsse von als fremd erachteten Kulturen werden als Gefahr für die eigene Identität gesehen. Daher der Begriff: Identitäre.

Auch wenn sich diese Identität augenscheinlich aus einem altbackenen Kanon rassistischer Vorstellungen von „Reinheit“ zusammensetzt.

Logisch, dass Beobachter so ihre Schwierigkeiten haben, die Reinheits-Verfechter von waschechten Rechtsextremen zu unterscheiden. Tatsächlich ist es purer „Sozialdarwinismus“, der hier zum tragen kommt (und der mit Darwinismus wirklich nichts zu tun hat). Von Sozialforschern wird Sozialdarwinismus – der stets auch mit einer Herabsetzung anderer Kulturen und Menschengruppen einhergeht – als eindeutig rechtsextreme Dimension eingestuft.

Dass es die Überschneidung mit rechtextremen Gruppen in Sachsen gibt, hatte Markus Ulbig dann im Januar in einer Antwort an Kerstin Köditz zugestanden: „Aus der Beobachtung der rechtsextremistischen Szene in Sachsen wurden Informationen bekannt, nach denen Rechtsextremisten Mitglieder der ‚Identitären Bewegung‘ sind und sich an deren Veranstaltungen beteiligt haben.“

Man sammelt also indirekt – über die Beobachtung der rechtsextremen Akteure – auch ein paar Fakten zu den Identitären, beobachtet die Identitären selbst aber nicht.

Was sich nun möglicherweise auch in Sachsen ändern könnte, nachdem auch der Bundesverfassungsschutz seine laxe Haltung von 2013 geändert hat. Denn die Identitären versuchen längst – genauso wie die Neonazis – junge Leuten mit einer Art Pop-Kultur für ihre engstirnige Sicht auf die Welt zu begeistern, kupfern auch politische Aktionsformen aus dem linken Spektrum ab und verkaufen sich somit als jung und hipp. Rassismus wird damit zu so einer Art Spaßkultur. Höchste Zeit eigentlich, dass Innenminister und Verfassungsschützer was merken.

Auskunft von Innenminister Markus Ulbig an Kerstin Köditz vom Januar 2016. Drs. 3716

Auskunft von Innenminister Markus Ulbig an Petra Zais vom April. Drs. 4503

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