Wer von den wirklichen Problemen ablenken will, der entfacht lauter Strohfeuer. Die beschäftigen dann die Medien, die willig darauf anspringen und nicht mehr nachfragen, warum ein Innenminister überhaupt Kameras mit Gesichtserkennung, PreCops und Wachpolizisten im regulären Polizeieinsatz braucht. Denn das ist ja das neue Schweinchen, das Sachsens CDU-Fraktion nun durch Sachsen treiben lässt.

Eigentlich weiß noch niemand, ob die mit viel Tamtam vor zwei Jahren (wieder) eingeführte Wachpolizei überhaupt die Effekte gebracht hat, die man sich davon versprochen hat. Und eingeführt wurde sie ja kurzfristig, weil die Löcher im Personalbestand der regulären Polizei längst unübersehbar waren und Ulbig dringend etwas brauchte, die Löcher zu stopfen.

Die Löcher sind noch da. Die neuen Einstellungskorridore für den Polizeidienst werden erst in den nächsten Jahren so langsam greifen. Und vielleicht ein bisschen Entspannung bringen. Als Plattform, um immer neue spektakuläre Ideen zur sächsischen Sicherheitspolitik zu lancieren, nutzt die sächsische Regierungspartei immer öfter die „Freie Presse“ in Chemnitz.

Die zitiert vor allem den innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Christian Hartmann, dem bei der Idee zum verstärkten Einsatz der Wachpolizisten tatsächlich das Wort „Charme“ über die Lippen kommt. Oder hat es ihm die „Freie Presse“ in den Mund gelegt?

„Die Maßnahme hätte in den Augen der CDU-Abgeordneten Charme: Falls Wachpolizisten bei Polizeistreifen eingesetzt werden dürften, ließe sich die Anzahl der Kontrollgänge und -fahrten erhöhen. Statt eine Streife mit zwei Polizisten zu bestücken, könnten nun zwei Streifen mit jeweils einem Polizisten und einem Wachpolizisten gebildet werden. Das bedeute mehr Präsenz, was das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärke“, kann man dort lesen.

Und das, nachdem erst einmal über 1.000 echte Polizisten weggespart wurden?

Die heute überall fehlen. Ganz regulär fehlen. Bis hin zu Berichten mitten aus dem eigentlich noch leidlich bestückten Leipzig, wo ein Mann, dessen Auto in der Nacht aufgebrochen wurde, beim Anruf bei der Dienststelle zu hören bekommt, man könne keine Streife schicken und werde auch keine schicken, weil man keine habe?

Es sind nicht nur Leipzig-Besucher, die sich bei solchen Zuständen an den Kopf fassen. Und nur so am Rande: Für solche Einsätze sind Wachpolizisten auch nicht ausgebildet. Tatsächlich versucht Sachsens CDU augenscheinlich schon wieder ein Loch zu stopfen mit einem Mittel, das dafür gar nicht geeignet ist.

Entsprechende Kritik für die geäußerten Pläne, die Wachpolizei künftig an Streifenfahrten und -gängen der Polizei zu beteiligen und auch über das Jahr 2020 hinaus einzusetzen, gibt es postwendend von Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag.

„Dass die Koalition die Wachpolizei nun − nicht einmal zwei Jahre nach Einführung der Wachpolizei und weit vor der im Gesetz vorgesehenen Evaluierung − zur Dauerlösung mit erweiterten Aufgaben ausbauen will, kommt einer Kapitulation vor den Personalproblemen bei der Polizei gleich. Eine solche Ausweitung der Aufgaben der Wachpolizei lehne ich ab“, sagt der Landtagsabgeordnete, der sehr genau zugehört hat, als über Ausbildung und Befugnisse der Wachpolizei diskutiert wurde. Dass vor allem die CDU jetzt über eine Ausweitung der Befugnisse nachdenkt, hat damit zu tun, dass das sächsische Polizeigesetz noch aus den 1990er Jahren stammt und viele Rahmenbedingungen der heutigen Polizeiarbeit noch gar nicht abdeckt.“

Auch all die Träume von Markus Ulbig, so Lippmann weiter, „der Polizei mehr Überwachungsbefugnisse zu verleihen, sind durch das geltende Polizeigesetz nicht abgedeckt. Also wird aktuell über eine Novellierung des Gesetzes diskutiert und die CDU, die hauptsächlich verantwortlich ist für die radikalen Kürzungen beim Polizeipersonal, versucht jetzt möglichst viele der Ulbigschen Ideen mit unterzubringen.“

„Nicht ohne Grund sind die Einsätze der Wachpolizei laut Gesetz auf Objektschutz und Personenüberwachung begrenzt. Es handelt sich dabei um wenig gefahrengeneigte Aufgabenbereiche, so dass etwa der Einsatz von Schusswaffen relativ selten ist“, betont Lippmann seine Sicht auf die Dinge.

„Wir Grünen haben die Einführung der Wachpolizei von Anfang an kritisiert. Wir sind überzeugt, dass der Einsatz einer bewaffneten Wachpolizei nach nur 12-wöchiger Ausbildung im hohen Maße gefährlich ist. Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols muss Beamtinnen und Beamten vorbehalten bleiben, die über eine gute Ausbildung verfügen. Mit der Ausweitung des zeitlichen Einsatzes und der Aufgaben würde die Koalition das bei der Einführung der Wachpolizei gegebene Versprechen brechen, genau derartiges nicht zu planen. Die damaligen Beteuerungen scheinen sich nun als Lüge zu entlarven.“

 

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