In der neuen „Leipziger Zeitung“, die am heutigen Freitag, 27. April, erscheint, haben wir das Thema schon aufgegriffen: die massiven Grundrechtseingriffe durch das geplante neue Polizeigesetz in Sachsen. Am Donnerstag kam dann noch der Leak des Referentenentwurfs hinzu, der bestätigt, wie tief die geplanten Eingriffe in die Grundrechte der Bürger sein sollen. Valentin Lippmann hat die Liste der Zumutungen schon einmal aufgemacht.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag hat seine Rede zum Antrag der Grünen-Fraktion „Ausverkauf der Bürgerrechte als Preis für die Sicherheit? Transparenz über geplante Grundrechtseingriffe herstellen – Märchen von der Notwendigkeit der Verschärfung von Sicherheitsgesetzen beenden“ (Drs 6/8620) am Donnerstag, 26. April, dazu genutzt, die geplanten Eingriffe in die Grundrechte der Bürger aufzulisten und ihren Sinn zu hinterfragen.

Treibende Kraft hinter der Big-Brother-Politik in Sachsen ist die CDU, die ihre Eingriffe in die Grundrechte der Bürger zwar gern mit viel Klamauk ankündigt, aber dann nicht verraten will, welche Zumutungen sie ins Gesetz geschrieben hat.

„Bei Grundrechtseingriffen ist Transparenz gegenüber denen, die es betrifft, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, oberste Priorität. Und dann legt man entweder alle Karten auf den Tisch oder man schweigt gänzlich zur Materie. Sensibelste Grundrechtseingriffe eignen sich einfach nicht für eine Publicity-Show des Ministers – das gebietet schlicht das Wesen unserer Verfassung“, sagte Lippmann am Donnerstag.

„Wenn es mit dieser Intransparenz im Verfahren weitergeht, dann ist mir klar, wie das endet: Geheimniskrämerei, schmallippige Begründungen und eine große Portion Gesetzgebungspfusch. Damit wir uns in den kommenden Monaten hier im Landtag nicht auch noch in einer Märchenstunde ergeben, was angeblich alles notwendig sei, um den Freistaat zu schützen, wollen wir Grüne jetzt Klarheit über geplante und noch evtl. dazu kommenden Eingriffe in unser alle Freiheit.“

Die Liste der Zumutungen:

Erstens: die Präventiv-Überwachung

„Sie erzählen die Mär von den Lücken im Polizeigesetz, weshalb Sachsen zum Rückzugs- und Ruheraum für Verbrecher aller Art und Terroristen werden könnte und deshalb Maßnahmen wie die Präventiv-TKÜ brauche. Daran bestehen erhebliche Zweifel! Glauben Sie ernsthaft, dass potenzielle Terroristen vorher ein Lektüreseminar der Polizeigesetze besuchen, um zu schauen, wo es am günstigsten ist, sich niederzulassen?

Dazu kommt: Die Mittel der Strafverfolgung und der Bereich der strafbaren Handlungen sind in den letzten Jahren bereits bis in das Vorfeld von Straftaten und bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen ausgeweitet worden. Gleiches gilt für die Befugnisse des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei bei der Bekämpfung des Terrorismus und Grenzkriminalität.

Deshalb wollen wir, dass das Innenministerium darlegt, wie sich diese in anderen Bundesländern bzw. beim Bund bewährt hat, in welchen konkreten Fällen sich das bisherige Fehlen dieses Instrumentariums im Sächsischen Polizeirecht wie ausgewirkt und Ermittlungen erschwert hat und welche Anforderungen die Sächsische Verfassung bzw. das Grundgesetz an die Einführung einer solcher Maßnahme stellt.

Schwere Eingriffe in Grundrechte eignen sich nicht für das Nerz-Mantel-Prinzip – nach dem Motto, mein Nachbar hat es, dann ich will es auch. Der Maßstab ist hier nicht Neid und ‚Wünsch Dir was‘, sondern unsere Verfassungsordnung.

Und auch wenn die Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ (noch) nicht im Gesetz enthalten sind, so hätten wir auch dazu gern eine Analyse hinsichtlich der Auswirkungen eines solchen Instrumentariums auf die Grundrechte. Denn die CDU hat das ja offenbar auf ihrem Wunschzettel des Schreckens.“

Zweitens: Fußfessel und Videoüberwachung

„Sie erzählen das Märchen, dass die geplanten Maßnahmen mehr Sicherheit bringen würden. Auch das gilt es mal zu hinterfragen und vor allem zu belegen. Jeder in diesem Raum hier weiß, dass Videoüberwachung oder die Fußfessel keine Straftaten verhindert. Jede Straftat, die auf einer Überwachungskamera zu sehen ist oder jeder sogenannte Gefährder, der mit einer Fußfessel per Flugzeug das Land verlässt, ist der Beweis dafür. Und letzteres ist leider kein Witz, sondern bizarre Realität.“

Drittens: Intelligente Videoüberwachung und stationäre automatisierte Kennzeichenerfassung

„Sie erzählen was von Ausgewogenheit und Balance ihres Gesetzgebungsvorhabens. Nach einem Blick auf den Referentenentwurf, empfehle ich schon mal der Staatsregierung und Koalition an dieser Stelle den Gang zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt wegen akuten Gleichgewichtsproblemen.

Die intelligente Videoüberwachung und die stationäre automatisierte Kennzeichenerfassung sind Ausdrucksformen einer neuen Dimension der Überwachung der Bürgerinnen und Bürger durch den Staat. Hier braucht es eine Analyse, die über jeden kleinsten Zweifel erhaben ist, dass Grundrechte für bloße Illusionen der Sicherheitsbehörden geopfert werden.

Schon die mobile automatisierte Kennzeichenüberwachung, die massenhaft Fahrzeuge erfasst, personenbezogene Daten im Millionenbereich erhebt und im letzten Jahr zur Feststellung von 14 gestohlenen Autos geführt hat und in erster Linie zur Feststellung von Verstößen gegen den Pflichtversicherungsschutz genutzt wird, steht vollkommen außer Verhältnis. Und genau diesen Datenabgriff wollen Sie jetzt noch ausweiten.

Die geplante Verschärfung des Polizeigesetzes, das umfassende Befugnisse zur präventiven Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Personen einräumt, macht jede Bürgerin und jeden Bürger in diesem Freistaat verdächtig – denn grundsätzlich könnte doch jeder in absehbarer Zeit eine Straftat begehen.“

Schon jetzt arbeitet Sachsens Polizei auf fragwürdigen Grundlagen

„Wir haben bereits 2016 eine umfassende Evaluierung der sächsischen Sicherheitsgesetze gefordert“, sagte Lippmann. „Im vergangenen Jahr haben wir nach der Ankündigung des neuen Polizeigesetzes die Einrichtung einer Task-Force gefordert, die die polizeilichen Datenbanken auf ihre Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit überprüft und bewertet. Alle Anträge wurden abgelehnt. Die Evaluation der Regelung zur Bestandsdatenauskunft nach Paragraf 42 Polizeigesetz sind Sie uns übrigens bis heute schuldig, sie sollte bis Ende 2016 durchgeführt werden und liegt immer noch nicht vor.“

Das schlechte Vorbild CSU

„Sie brüsten sich in Teilen der Koalition jetzt damit, dass das doch alles längst nicht so schlimm wie in Bayern sei. Herzlichen Glückwunsch! Das ist doch aber nicht der Maßstab. Ich habe die schlichte Erwartung, dass sich eine SPD nicht auf CSU-Niveau begibt, andernfalls können Sie sich gleich einbuddeln“, warnte Lippmann.

„Ich verwahre mich dagegen, dass wir uns als Sachsen am schlechtesten orientieren und uns freuen, dass wir vielleicht die Einäugigen unter den Blinden sein könnten. Vielleicht stehen wir als Grüne mit unserem Kampf für Freiheit und Bürgerrechte etwas altmodisch da: aber bei schweren Grundrechtseingriffen ist unser Anspruch größtmögliche Zurückhaltung zu üben und im Zweifel der Freiheit gegenüber den wirren Träumen des Innenministeriums den Vortritt zu geben.“

Der lange Schatten des Überwachungsministers Markus Ulbig

Der lange Schatten des Überwachungsministers Markus Ulbig

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