Es dauert alles. Viel zu lange. Auch wenn man am Mittwoch, 29. September, mal wieder das kleine Gefühl haben dürfte, dass sich auch im verschlafenen Freistaat Sachsen endlich etwas rührt, wo das Thema Rückgewinnung der Flussauen zwar seit der Großen Flut von 2002 auf der Agenda steht, aber von CDU-Minister jahrelang ausgesessen und ausgebremst wurde. Der Sächsische Landtag hat nun am Mittwoch, 29. September, den Antrag „Auenprogramm realisieren und Renaturierung von Fließgewässern konsequent umsetzen“ der Koalitionsfraktionen CDU, Grüne und SPD beschlossen.
Dieser Antrag sieht unter anderem vor, Flüsse und Bäche in Sachsen wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen und dadurch Artenvielfalt und Hochwasserschutz zu verbessern.Zum Antrag erklärt Volkmar Zschocke, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Die Flüsse und Bäche in Sachsen sind in einem besorgniserregenden Zustand. Trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren entspricht die aktuelle Situation nicht den gesetzlichen Vorgaben. Dabei erbringen naturnahe Flüsse und Auen unzählige ökologische Leistungen von unschätzbarem Wert. Sie sind Grundlage für Reichtum von Natur und Landschaft. Doch die intensive Nutzung und Abwasserentsorgung haben häufig begradigte und verbaute Ufer, Deiche, fehlenden Gehölzsäume und Belastungen mit Schadstoffen hinterlassen.“
Wobei es nicht nur die staatliche Ebene war, die immer wieder gebremst hat. Oft waren es auch lokale Akteure, Gemeinden, Landräte, Flussanrainer, die sich dem Umdenken verweigerten oder sich so schwertaten wie Leipzigs Verwaltung, die selbst Jahre brauchte, um sich zur Einsicht durchzuringen, dass man die Leipziger Auenlandschaft nicht retten kann, wenn man es bei der 100 Jahre alten Flussregulierung belässt.
Es braucht ein großes, gemeinsames Projekt zur Renaturierung der Flüsse, zur Bewässerung des Auenwaldes und zur Herstellung natürlicher Ausbreitungsgebiete, in denen sich die Flüsse bei Hochwasser wirklich ausbreiten können. Das soll ab 2022 ja endlich mit dem vom Stadtrat in Auftrag gegebenen Auenentwicklungskonzept in Angriff genommen werden. Vom sächsischen Umweltministerium gibt es dafür seit 2020 auch Rückenwind.
Artenvielfalt und Selbstreinigung der Flüsse
„Zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Sächsischen Auenprogramms durch die vorherige Regierungskoalition wollen wir mit dem vorliegenden Antrag konkrete Maßnahmen und Flächen in den Blick nehmen. Gleichzeitig wollen wir uns den Konflikten bei der Auenentwicklung und deren Lösung annehmen“, sagt Zschocke.
„Für uns Bündnisgrüne bietet das Auenprogramm mit seinen vielfältigen Maßnahmen gleich mehrere Vorteile: Neben einem naturnahen Hochwasserschutz sehen wir diese in Wasserreinigung und Nährstoffrückhalt, der Sicherung und Verbesserung der Artenvielfalt und zusätzlich auch in erhöhter Landschaftsqualität mit großem Erholungswert und höherer Attraktivität der sächsischen Flussregionen.“
Aber auch ihm ist bewusst, dass es massive Zielkonflikte zwischen Auenschutz, Landwirtschaft und Hochwasserschutz gibt. Aber die müssten nun gemanagt und zügig gelöst werden. „Dabei sollen Biodiversität und der Erhalt auentypischer Lebensräume oberste Priorität bekommen“, so Zschocke.
„Wir Bündnisgrüne stehen dabei dafür ein, die Anforderungen des Hochwasser-, Gewässer-, Natur- und Klimaschutzes sowie die einer nachhaltigen Landnutzung zukunftsfähig miteinander zu verbinden. Nur so können wir das Auenprogramm weiter realisieren und die Renaturierung von Fließgewässern konsequent fortsetzen.“
Schon 2015 die Wasserrahmenrichtlinie nicht eingehalten
Druck freilich kommt auch von ganz anderer Seite. Denn schon 2015 schaffte es Sachsen nicht, die nötigen Verbesserungen in den Flüssen für die Europäische Wasserrahmenrichtlinie zu schaffen. Und die Fristverlängerung endet in sechs Jahren, ohne dass sich wirklich Nennenswertes zur Verbesserung der Gewässerqualität – zu der auch ein natürlicher Artenreichtum gehört – getan hätte.
Alle Mitgliedstaaten der EU waren und sind verpflichtet, schon bis 2015 und in Ausnahmefällen bis 2027 alle Gewässer in einen „guten ökologischen“ und „guten chemischen“ Zustand zu bringen. Jedoch befinden sich erst 7 Prozent der sächsischen Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand. Deshalb drohen in diesem Bereich Vertragsverletzungskonflikte mit der Europäischen Union.
Was eben auch bedeutet, dass gerade an den künstlich eingeschnürten und hoch belasteten Flüssen etwas passieren muss – und zwar deutlich vor 2027. Und das Leipziger Auensystem soll nach dem Willen des Umweltministeriums dabei eine zentrale Rolle spielen.
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