Der Sächsische Landtag hat am Mittwoch, dem 5. Januar, einen Antrag der AfD-Fraktion abgelehnt, der sich mit Einschränkungen der Versammlungsfreiheit befasste. Demonstrationen sind zum Zwecke der Pandemiebekämpfung aktuell nur ortsfest und mit höchstens zehn Teilnehmenden erlaubt. Nach der Vorstellung der AfD hätte der Landtag die Landesregierung auffordern sollen, den entsprechenden Paragraphen der Corona-Notfallverordnung „unverzüglich aufzuheben“.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban erklärte zu Beginn der Landtags-Sondersitzung, dass die Versammlungsfreiheit „völlig unverhältnismäßig“ eingeschränkt werde. Das Grundrecht, demonstrieren zu dürfen, sei durch die Corona-Notfallverordnung „quasi ausgehebelt“.

Urban kritisierte eine angeblich fehlende Begründung für die Einschränkung und argumentierte: „Zusammenkünfte von Menschen im Freien sind keine Infektionstreiber.“Anlass für den AfD-Antrag dürften die anhaltenden Demonstrationen von Corona-Verharmloser/-innen sein, die trotz Verbots regelmäßig in Dutzenden Städten in Sachsen stattfinden. Wiederholt kam es dabei zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmenden und Polizei. In den sozialen Medien kursieren Videos, die beispielsweise zeigen, wie Teilnehmer/-innen die Absperrungen der Polizei durchbrechen.

Eskalationen gäbe es aber erst dann, wenn die Polizei die „Spaziergänge“ mit Gewalt aufhält, behauptete Sebastian Wippel, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion und selbst Polizist. Wegen angeblich rechtswidriger Maßnahmen seien Teilnehmende zunehmend frustriert; so würde sich eine Gewaltspirale in Gang setzen. Auch Urban betonte, dass sich die Teilnehmenden eigentlich friedlich verhalten würden.

Regierungsfraktionen und Linke widersprechen

Martin Modschiedler, der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, verwies auf das Infektionsschutzgesetz, das für Einschränkungen von Grundrechten den Rahmen bildet: Demnach ist jede Corona-Verordnung zeitlich befristet. Grundlage für einschneidende Maßnahmen seien immer Abwägungen und Gespräche mit Expert/-innen aus Wissenschaft und Medizin.

Modschiedler verwies zudem auf die besondere Situation, in der sich Sachsen noch vor einigen Wochen befunden hatte. Damals lag die 7-Tage-Inzidenz im Freistaat über 1.000 und in einigen Landkreisen sogar über 2.000 – deutlich höher als in anderen Teilen Deutschlands, wo die Versammlungsfreiheit weniger stark eingeschränkt wurde.

Kerstin Köditz, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, sprach sich ebenfalls gegen den AfD-Antrag aus, kritisierte jedoch, dass die Grenze von zehn Personen „aus der Luft gegriffen“ sei. Wenn sich die Teilnehmenden an Hygienemaßnahmen halten, könnte man beispielsweise auch 150 Menschen zulassen.

Unter den Demo-Einschränkungen leiden vor allem die Vernünftigen

Nach Ansicht von Köditz werden durch die aktuelle Obergrenze vor allem jene benachteiligt, die sich an die Regeln halten. Auch Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, bemängelte, dass die vernünftige Mehrheit derzeit nicht gegen die „überlaute Minderheit“, die sich nicht an Gesetze halte, auf die Straße gehen könne. Er sprach sich deshalb dafür aus, die Obergrenze „moderat“ anzuheben.

Ähnlich argumentierten später auch Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, und die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne). Letztere wies zudem den Vergleich mit 1989 zurück, den es aus den Reihen der AfD gegeben hatte. Anders als heute seien Grundrechte damals willkürlich eingeschränkt worden. Heute gebe es dafür einen Grund: den Kampf gegen die Corona-Pandemie.

Als „erbärmlich“ bezeichnete Innenminister Roland Wöller (CDU) die Rolle, die die AfD spiele. Die Partei denke nicht an das Gemeinwohl, sondern an das Eigenwohl. Für die Polizei konstatierte Wöller eine „einmalige Situation“ seit der Wiedervereinigung. Damit meinte er die Herausforderung, regelmäßig gleichzeitig mit mehreren dutzend verbotenen Demonstrationen konfrontiert zu sein.

Lockerungen, aber auch erneute Verschärfungen in Aussicht

Noch bis zum 14. Januar gilt die aktuelle Corona-Notfallverordnung. Danach könnte es Lockerungen bei den Demonstrationen geben, hatte die sächsische Sozialministerin Petra Köpping am Dienstag in Aussicht gestellt.

Denkbar wäre dann beispielsweise eine Rückkehr zur Höchstzahl von 1.000 Teilnehmenden, die während der sogenannten Vorwarnstufe galt. Eine Lösung für die Probleme mit den verbotenen „Spaziergängen“ wäre das aber wohl nicht.

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