„Rund 74.000 Hektar des sächsischen Staatswaldes und damit rund ein Drittel der gesamten Staatswaldfläche sind ab sofort nach dem Deutschen FSC-Standard 3.0 (Forest Stewardship Council) zertifiziert“, meldete das Sächsische Umweltministerium am 1. Oktober 2023. Da war noch ein Grüner Umweltminister in Sachsen. Doch kaum zwei Jahre später ist alles anders und der Staatsbetrieb Sachsenforst schreckt die sächsischen Umweltverbände mit der Meldung auf, dass er die FSC-Ausweisung der sächsischen Staatsforste wieder massiv zurückfährt. Das sorgt bei BUND und NABU für Entsetzen.

Denn die Zertifizierung der sächsischen Staatswälder hatte einen langen Vorlauf. Mit der letztlich unter dem grünen Umweltminister Wolfram Günther großflächig angelegten FSC-Zertifizierung holte Sachsen vieles nach, was schon Jahre zuvor in der sächsischen Umweltpolitik hätte geschehen müssen. Doch gerade der nun von der CDU gestellte Umweltminister Georg-Ludwig von Breitenbuch sieht sein Amt wohl eher darin, die Standards wieder zurückzufahren.

Seit 2020 hat Sachsen die FSC-Zertifizierung (Forest Stewardship Council) im sächsischen Staatswald erprobt. Künftig soll nur noch die vergleichsweise kleine Fläche des Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft bis 2028 nach FSC-Standard zertifiziert bleiben. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Sachsen, kritisiert diese Entscheidung als Rückschritt für eine nachhaltige und ökologisch verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung.

Aus für die zukunftsfähige Waldbewirtschaftung?

„Mit dem Ausstieg aus der FSC-Zertifizierung verspielt Sachsenforst eine zentrale Chance, die Waldwirtschaft in Sachsen zukunftsfähig zu machen“, erklärt Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen. „Gerade angesichts der massiven Klimakrise, der dramatischen Waldschäden und des Artensterbens braucht es höhere und nicht niedrigere ökologische Standards. Der PEFC-Standard erfüllt diese Anforderungen nicht.“

Der FSC-Standard gilt international als glaubwürdiger Nachweis für eine nachhaltige Waldwirtschaft. Er stellt höhere ökologische Anforderungen als das weniger strenge PEFC-System, unter dem der sächsische Staatswald seit vielen Jahren zertifiziert ist. Dazu gehören u. a. größere Flächen für natürlichen Waldumbau, strengere Regeln beim Pestizideinsatz sowie ein höherer Schutz wertvoller Lebensräume.

Und wie begründet Sachsenforst den Ausstieg? Mit dem höheren „betrieblichen Aufwand“, den man nicht länger leisten wolle oder könne. Das, so der BUND Sachsen, sei ein falsches Verständnis von Nachhaltigkeit. „Wälder sind nicht nur Holzlieferanten, sondern Lebensräume, Klimaschützer und Erholungsorte. Wer nachhaltige Forstwirtschaft ernst nimmt, darf sie nicht allein an kurzfristigen Kosten bemessen“, so Ekardt.

Und er ordnet es ein in ein ganzes Bündel politischer Rückschritte, die mit dem Ausscheiden dev Grünen aus der sächsischen Regierung vollzogen werden. „Der ökologische Rollback ist nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Sachsen in vollem Gange. Ökologisch und ökonomisch ist eine solche Kurzsichtigkeit fatal.”

Der kleinste Nenner

Ganz ähnlich sieht es der NABU Sachsen.

„Der Eindruck drängt sich auf: Der Freistaat zieht sich aus allem zurück, was nutzungskritisch ist – ob FSC oder Wolf. Aus dem Klimawandel allerdings lässt sich nicht aussteigen“, stellt Maria Vlaic, Vorsitzende des NABU Sachsen, fest.

Das Land Sachsen hat sich 2019 entschlossen, seinen Staatswald FSC-zertifizieren zu lassen, was auch vom NABU Sachsen begrüßt wurde. Nun tritt der Freistaat aus der FSC-Zertifizierung großer Teile seines Staatswaldes aus. Das muss nicht zwangsläufig einen Rückschritt in eine rein wirtschaftsorientierte Holzindustrie bedeuten, erfordert vom Freistaat aber umso mehr Transparenz und Anstrengung, die im Klimawandel notwendigen ökologischen Anforderungen einzuhalten und nachvollziehbar zu gestalten.

Mit der Beibehaltung der Zertifizierung für das Biosphärenreservat Oberlausitzer Teich- und Heidelandschaft hat der Freistaat den kleinsten gemeinsamen Nenner gewählt, denn in einem Biosphärenreservat gelten ohnehin naturnähere Bewirtschaftungsstandards. Der zertifizierte Waldbestand umfasst dort 3.100 Hektar – von insgesamt 205.423 Hektar Wald in Landesbesitz. Der Freistaat bewirtschaftet also gerade einmal 1,5 % seines Waldes nachweislich ökologisch. Vorbildwirkung sieht anders aus.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD stand übrigens von diesem Rollback nichts, da war zunächst nur eine Evaluierung der FSC-Zertifizierung vorgesehen. Die plötzliche Entscheidung des Umwelt- und Landwirtschaftsministers zum vorgezogenen Ausstieg – gestützt auf eine rein „verwaltungsinterne Evaluierung“ – irritiert nicht nur den NABU.

Der NABU Sachsen empfiehlt dringend, den Ausstieg zurückzunehmen. Zudem fordert er die Veröffentlichung der zugrunde liegenden Evaluierung sowie eine transparente, offene Diskussion.

In Zeiten, in denen die sächsischen Wälder unter Dürre, Schädlingsbefall und erhöhter Waldbrandgefahr leiden, sei eine Abkehr von den höchsten ökologischen Standards das völlig falsche Signal. Eine ökologische Waldbewirtschaftung sei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um die Wälder widerstandsfähiger zu machen und ihre wichtigen Funktionen für Wasserhaushalt, Artenschutz und Klimaschutz zu sichern. Eine FSC-Zertifizierung macht die notwendigen Maßnahmen sichtbar und für die Gesellschaft nachvollziehbar, so der NABU.

Mit dem vorzeitigen und intransparenten Ausstieg ohne eine wirkliche Alternative nehme Umwelt- und Landwirtschaftsminister von Breitenbuch Wirtschaft und Gesellschaft die Chance, den Kampf gegen die Klimakrise gemeinsam anzugehen und setze ein fatales Zeichen in die falsche Richtung.

Der FSC-Standard

Das Forest Stewardship Council (FSC) ist ein international anerkanntes Zertifizierungssystem für nachhaltige Waldbewirtschaftung, das ökologische, soziale und wirtschaftliche Interessen gleichberechtigt berücksichtigt. Es setzt auf strengere ökologische Standards, jährliche Kontrollen jedes einzelnen Betriebs und eine gleichberechtigte Mitbestimmung von Umwelt- und Sozialverbänden.

Es gibt weitere Siegel: Naturland-Kriterien beispielsweise gehen noch über die des FSC hinaus und hat mit den „Verarbeitungsrichtlinien für Holz aus ökologischer Waldnutzung“ die Grundlagen für die Zertifizierung verarbeiteter Holzprodukte geschaffen. Diese Richtlinie umfasst neben der Rückverfolgbarkeit auch Aspekte einer ökologischen und gesundheitsverträglichen Produktion. PEFC hingegen ist ein holzwirtschaftliches Zertifizierungssystem, das sich zwar ebenfalls ökologischen Standards verschrieben hat, jedoch auf die Eigenverantwortung teilnehmender Betriebe setzt.

Nach PEFC wird der sächsische Staatswald bereits seit 2001 bewirtschaftet; ein jährlicher Bericht nach seinen Standards wird auf der Internetseite des Sachsenforst veröffentlicht. Eine Doppelzertifizierung mag den Akteuren – vor allem in Zeiten überbordender Bürokratie – als unsinnig und teuer erscheinen und selbstverständlich hindert der Ausstieg aus FSC den Freistaat nicht an der Umsetzung hoher ökologischer Standards im Sinne des Kampfes gegen Klima- und Biodiversitätskrise.

Allerdings sinken damit Kontrollierbarkeit und Transparenz der behaupteten nachhaltigen Bewirtschaftung deutlich. Auch sendet der Ausstieg das falsche Signal an Privatwaldbesitzer.

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