Für eine Nacht ist der 1. FC Lokomotive Leipzig an die Spitze der Regionalliga Nordost zurückgekehrt. Im Duell des Tabellendritten beim Tabellenvierten setzte sich Lok in Berlin vor 561 Zuschauern mit 2:1 (0:1) durch. Matthias Steinborn und Robert Zickert drehten mit ihren Treffern die umkämpfte, temposcharfe Partie, an deren Rand es zu langen Diskussionen gekommen war. Hertha-Stürmer Jessic Ngankam erhob Rassismus-Vorwürfe gegen Lok-Verteidiger David Urban. Am Sonnabend treffen der bisherige Tabellenführer VSG Altglienicke und der bisherige Tabellenzweite Energie Cottbus aufeinander.

„Das war wieder eine tolle Willensleistung von uns“, war Lok-Kapitän Robert Zickert nach dem Spiel überglücklich. „Schon an unseren Gesichtern hat man während des Spiels gesehen, dass wir es heute unbedingt schaffen wollten.“ In den vergangenen Partien hatten die Leipziger gegen Union Fürstenwalde, gegen den SV Lichtenberg und auch bei der VSG Altglienicke nur 2:2 gespielt.

Der Kapitän selbst hatte mit einem Torschuss in der 63. Minute für den Zwischenhalt der Lok gesorgt. Nach einem langen Einwurf und einer Ablage von Stürmer Djamal Ziane hatte Zickert mit links aus 13 Metern draufgehalten. Florian Baak, dem Schiedsrichter Daniel Köppen das Tor später zugeschlagen hatte, fälschte den Ball noch unhaltbar für Luis Klatte ab. Die 1:0-Führung der Hertha war egalisiert.

Die beste Offensive der Liga, 47 Tore vor dem Spiel, hatte nach 30 Minuten durch Lazar Samardzic die Führung erzielt. Ausgerechnet durch einen Konter. Die Lok-Elf hatte die ersten 20 Minuten – selbst tiefstehend auf Konter lauernd – Hertha den Ball überlassen. „Wir wollten erstmal sehen, wie sie spielen“, so Patrick Wolf, der es immer wieder mit dem zweitbesten Torjäger der Regionalliga Nordost, Muhammed Kiprit mit bisher 13 Toren, zu tun bekam und nach einigen Zweikämpfen ein paar Worte für den jungen Stürmer übrig hatte. „Ich war der Meinung, dass er zuviel am Boden liegt. Das musste er sich anhören.“

Als Leipzig dann nach 25 Minuten vermehrt ins Angriffspressing schritt und die Hertha im eigenen Strafraum unter Druck setzte, hatten die Hausherren Mühe sich freizuspielen. Über mehrere Stationen landete der Ball nach einer halben Stunde schließlich bei Kiprits kongenialem Partner Jessic Ngankam, der auf außen David Urban umkurvte und zurück auf Sarmardzic legte. Dieser traf satt mit links ins rechte Ecke.

Matthias Steinborn bejubelt seine Siegestreffer. Foto: Thomas Gorlt
Matthias Steinborn bejubelt seine Siegestreffer. Foto: Thomas Gorlt

Mit dem Gegentor legte Lok die Fesseln ab, spielte nun selbst nach vorn und hätte durch Steinborn kurz vor der Pause schon ausgleichen können. Doch Klatte bekam die Beine noch rechtzeitig zusammen, um den Einschlag durch den schön von Schinke freigespielten Steinborn zu verhindern.

Nach der Pause öffneten beide Teams das Visier. Einmal mehr Steinborn scheiterte noch nach 55 Minuten, ehe eben Zickert traf – und 13 Minuten später auch Steinborn. „Ich war selbst entsetzt als ich feststellte, wie frei ich bin. Da bin ich einfach losmarschiert. Zum Glück wird der Ball noch abgefälscht.“ Mit Glück landete der Ball im Netz. Herthas Trainer Andreas „Zecke“ Neuendorf hatte das Tor außerhalb der Coaching-Zone verfolgen müssen. Er war von Schiedsrichter Köppen nach mehrmaligen Reklamierens mit Gelb-Rot hinter die Bande verdammt worden.

Nach dem Führungstor schwanden bei Leipzig allerdings die Kräfte. Sowohl Berger als auch Steinborn mussten mit Krämpfen ausgewechselt werden, Wolf quälte sich mit muskulären Problemen dem Ende entgegen. In großen Notfällen konnte Herbert Schötterl im Lok-Tor diesmal seine Klasse zeigen. Der Ersatz des Ersatzes strahlte Ruhe aus und parierte in beiden Halbzeiten mehrmals sehenswert.

Gesprochen wurde nach dem Spiel aber vor allem über eine Szene in der 1. Halbzeit. Der in Deutschland geborene dunkelhäutige Ngankam wollte den Platz nach 38 Minuten verlassen, nachdem er nach eigenen Aussagen von Lok-Verteidiger David Urban als „Affe“ bezeichnet worden sein soll. Ohne dass die Zuschauer wussten, warum das Spiel unterbrochen ist, kam es zu einer Rudelbildung und minutenlangen Diskussionen.

Hertha-Trainer Neuendorf informierte Köppen zur Halbzeit, dass Hertha überlegen wird, wieder rauszukommen. Das Spiel wurde schließlich ohne weitere Zwischenfälle fortgesetzt. Hinterher äußerte sich Ngankam gegenüber dem MDR, dass ihn „der Fünfer von Lok rassistisch beleidigt“ habe. „Er hat mich Affe genannt.“ Für den Stürmer ein „No-Go“. Weder Schiedsrichter-Trio noch die Lok-Bank hat von dem Vorfall, der sich in der Nähe der Hertha-Bank ereignet haben soll, etwas mitbekommen. Urban äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.

Die Statistik zum Spiel:
http://www.fussball.de/spiel/hertha-bsc-ii-1-fc-lokomotive-leipzig/…

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