LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 85, seit 20. November im HandelEs sollte ein rauschendes Fest werden. Vom 12. bis 16. Mai 2021 war Leipzig als Austragungsort des 44. Internationalen Deutschen Turnfestes vorgesehen (LZ Nr. 80 vom 26.06.2020 berichtete). Doch die Corona-Pandemie ließ diesen sportlichen Traum nun platzen. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sahen sich die Veranstalter aufgrund des Infektionsgeschehens dazu gezwungen, dieses Großspektakel abzusagen.

Einzig die leistungssportliche Komponente – also die Deutschen Meisterschaften samt Olympiaqualifikation – könnte erhalten bleiben. Die Leipziger Zeitung (LZ) sprach mit Kati Brenner, der Geschäftsführerin des Turnfest-Organisationskomitees, über die Absage und darüber, wie es nun weitergeht.

Frau Brenner, das Turnfestes 2021 in Leipzig ist abgesagt worden. Warum musste diese Entscheidung getroffen werden?

Mit der Absage vom 21. Oktober ist deutlich geworden, dass die Zuwendungsgeber, allen voran die Stadt Leipzig, die Einschätzung geben, dass es aus jetziger Sicht schwer vorstellbar ist, dass wir hier im Jahr 2021 ein Turnfest in der gewohnten Größenordnung durchführen können.

Am Ende gab es die Entscheidung, das Turnfest 2021 abzusagen und sich jetzt mit einem neuen Format, einer neuen Veranstaltung auseinanderzusetzen, die in Teilen aber auf dem Turnfest und den Planungen, die wir im Organisationskomitee gemacht haben, aufbauen kann.

Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 85, Ausgabe November 2020. Foto: Screen LZ

In unserem letzten Gespräch im Juni hatten Sie bereits erwähnt, dass mit Blick auf mögliche Einschränkungen schon verschiedene Handlungsszenarien ausgearbeitet waren. Welche „Eskalationsstufe“ ist diesbezüglich mit der jetzigen Entscheidung erreicht?

Es ist die Entscheidung, die wir im Sommer noch am wenigsten in Erwägung gezogen hatten. Die Absage ist etwas, das niemand wollte. Aus Sicht der Turnbewegung ist sie das denkbar schlechteste Szenario. Für uns ist das ein harter Schlag zu wissen, dass erst nach acht Jahren wieder ein Turnfest stattfindet.

Nichtsdestotrotz sind wir uns natürlich auch unserer Verantwortung bewusst, was die Gesundheit der Bürger/-innen und Athlet/-innen betrifft, die daran hätten teilnehmen wollen – zumal das Turnfest ja auch international ausgelegt war. Daher hoffen wir nun auf 2025 und wollen die Menschen bis dahin trotzdem für unserem Sport begeistern, damit sie dann alle wieder mit dabei sind.

Hinter dem Turnfest steht ein großer Organisationsapparat, der seit Jahren mit der Vorbereitung beschäftigt war. Welche Reaktionen hat die Absage des Festes bei den Organisator/ -innen ausgelöst?

Sie hat es wohl am schwersten getroffen. Denn wir waren mit den Planungsprozessen schon sehr weit vorangeschritten. Es gab ein wunderbares Programm, und wir hatten bereits rund 19.000 Teilnehmer/-innen, die sich für das Turnfest angemeldet hatten. Auch international waren aus 16 Nationen schon mehrerer hundert Teilnehmer/-innen gemeldet.

Wir waren mit unseren Planungen also schon komplett auf der Ziellinie. Von daher war die Absage für das Team sehr schwer. Einige von ihnen waren extra wegen des Events nach Leipzig gezogen und können nun das Turnfest gar nicht durchführen.

Wie hat sich inzwischen die Arbeit des Organisationskomitees verändert?

Wir müssen uns von den ersten Kolleg/-innen verabschieden, deren Arbeitsverhältnisse jetzt kurzfristig zu Ende November enden. Wir sind nun dabei, die Vorbereitung des Turnfestes zu dokumentieren und zu evaluieren. Wenn es das Projekt „Turnen 21“ geben sollte, wird das nur noch mit einem deutlich kleineren Team stattfinden können, die dieses hauptamtlich organisieren.

Für alle anderen fühlen wir uns aber auch noch verantwortlich und schauen in unseren Netzwerken, wie es beruflich für sie dort vielleicht weitergehen kann. Der eine oder andere hat bestimmt auch im Hinterkopf, dann 2023 wieder in die Organisation eines Turnfestes einsteigen zu wollen.

Sie erwähnten das Projekt „Turnen 21“. Was genau verbirgt sich dahinter, und wie soll es ablaufen?

Mit „Turnen 21“ planen wir verschiedene leistungssportliche Wettkämpfe, von der Jugend bis zu den Senioren. Alle Deutschen Meisterschaften in den Individualsportarten, die im Rahmen des Turnfestes vorgesehen waren, sollen somit ausgetragen werden. Nach aktuellem Planungsstand werden wir diese Wettkämpfe aber nur auf dem Messegelände umsetzen und zusätzlich in einem Leichtathletik-Stadion, da wir auch die Deutschen Mehrkampfmeisterschaften dabei haben, die leichtathletische Disziplinen einschließen.

In den verschiedenen Sportarten werden dann jeweils an ein bis maximal drei Tagen die Meisterschaften durchgeführt. Wir funktionieren das große Messegelände damit sozusagen in verschiedene Turnhallen um. Dadurch sollten auch unter Pandemiebedingungen die Hygienekonzepte umsetzbar sein, so dass im Mai nächsten Jahres die Wettkämpfe hoffentlich auch wirklich stattfinden können.

Doch es ist dann eben nicht so, dass man die Wettkämpfe insgesamt als Gemeinschaft erlebt, sondern jeder fährt an seine Veranstaltungsstätte, also die jeweilige Messehalle, absolviert dort den Wettkampf und reist wieder ab. Wir werden also einen komplett anderen Charakter der Veranstaltung haben. Es sind nicht alle Athlet/-innen vom ersten bis zum letzten Tag anwesend, sondern individuell immer nur so, wie deren Wettkämpfe ausgelegt sind.

Wenn man das so erzählt, blutet einem natürlich das Herz. Aber es ist wichtig, dass wir den Sportler/-innen eine Perspektive bieten. Sie hatten 2020 alle keine Deutschen Meisterschaften, da diese in allen Sportarten ausfielen. Ein zweites Jahr ohne Meisterschaften wären da natürlich gravierend.

Über die Meisterschaften hinaus werden wir online eine Akademie absolvieren, womit auch das Thema Bildung eine Rolle spielt. Dabei setzen wir auf den Planungsstand vom Turnfest auf und werden diese mit wenigen Teilnehmer/-innen vor Ort aber ganz vielen Menschen online und hybrid durchführen.

Impression von der Turnfest-Stadiongala 2017 in Berlin. Foto: DTB / Volker Minkus
Impression von der Turnfest-Stadiongala 2017 in Berlin. Foto: DTB / Volker Minkus

Für das eigentliche Turnfest wäre pro Tag mit etwa 80.000 Teilnehmer/-innen zu rechnen gewesen. Wie viele werden es in etwa bei „Turnen 21“ sein?

Pro Meisterschaft werden es maximal 1.000 Leute sein, die dort zusammenkommen. Da wir neun Deutsche Meisterschaften austragen werden, reden wir am Ende von insgesamt etwa 8.000 Sportler/-innen.

Zuschauer werden vermutlich nicht dabei sein können?

Momentan sieht es so aus. Wenn sich die Situation aber entspannen sollte, können wir das kurzfristig auch noch ändern. Das hängt alles von der dann gültigen Verordnung ab, die uns Anfang Mai die Regularien vorgibt. Wünschenswert wäre es natürlich mit Zuschauern, und wir planen zunächst auch mit Zuschauerkapazitäten. Ob wir die letztlich auch belegen dürfen, können wir im Moment noch nicht sagen.

Ist das Projekt finanziell bereits abgesichert und kann loslegen?

Wir hoffen, dass wir ab Januar in das Projekt „Turnen 21“ starten können. Dazu bedarf es jetzt natürlich noch der Unterstützung durch die Zuwendungsgeber. Wir hoffen, dass wir Ende November, Anfang Dezember von Bund, Freistaat Sachsen und Stadt Leipzig positive Signale dafür bekommen und uns die benötigte finanzielle Unterstützung bereitgestellt wird. Diese Beschlüsse stehen aktuell noch aus.

Außerdem steht ja zur Debatte, dass das nächste Turnfest 2025 dann tatsächlich in Leipzig stattfinden soll. Wie spruchreif ist diese Idee?

Es gab die Aussage des Oberbürgermeisters Jung, als Stadt dafür bereitzustehen. Darüber haben wir uns als Turner/-innen sehr gefreut. Auf dem Hauptausschuss des Deutschen Turnerbundes ist am Wochenende durch die Turnbewegung auch bestätigt und beschlossen worden, dass – wenn die entsprechenden Zuwendungsmittel von Bund, Land und Stadt für ein Turnfest 2025 bereitstehen – dieses Turnfest dann zu Christi Himmelfahrt tatsächlich in Leipzig durchgeführt wird, was dann dort zum 13. Mal stattfinden würde.

Aus organisatorischer Sicht käme dem entgegen, dass man auf den momentanen Planungsständen aufbauen kann, auch wenn man diese dann noch etwas anpassen müsste. Vieles entwickelt sich gerade sehr dynamisch, und wir im Sport schauen beispielsweise auch darauf, welche Auswirkungen die aktuelle Zeit auf Themen wie die Digitalisierung hat. Da kommen in nächster Zeit bestimmt noch neue, kreative Bereiche hinzu, die wir 2025 mit umsetzen könnten – oder auch neue Sportarten.

Parkour entwickelt sich beispielsweise weiter, und wir wissen heute noch nicht, wo wir mit dieser Sportart dann 2025 stehen werden. Vielleicht gibt es noch weitere Wettkampfformate, die sich bis dahin etabliert haben. Dennoch haben wir auf jeden Fall bereits eine sehr gute Basis, um weiter planen zu können.

Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit

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