Mit einem politischen Kniff will Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche den Boom von Solar- und Windenergie in Bürgerhand ausbremsen. Ihr Vorschlag: Erneuerbare Energien sollen künftig für den Ausbau der Stromnetze zahlen, d.h. Netzentgelte sollen von den EE mit getragen werden – während Kohle und Gas das Netz weiterhin kostenlos nutzen dürfen. Wie in anderen Bereichen zahlen bisher beim Strom vorrangig die Verbraucher den Ausbau der Netzinfrastruktur als Aufschlag auf den Stromtarif für das Netzentgelt mit.

Katherina Reiche wird dabei mit unterstützt durch das Schreiben vom 3. Juli 2025 der Konzerne LEAG, ArcelorMittal, BASF und der Gewerkschaft IGBCE, um die Industrie „dauerhaft vollständig“ von Übertragungsnetzentgelten zu befreien. Diese Kosten für den Ausbau der Übertragungsnetze tragen nach Ansinnen der Großkonzerne damit die Verbraucher allein.

Im Artikel in der LZ vom 15.05.2025 „Angemessene Strompreise in Deutschland – gelingt das bei uns?“ habe ich unter Punkt Teil 4 (ungerechte Lastenverteilung der Netzentgelte) darüber geschrieben, dass PV-Anlagen-Betreiber bei Eigenerzeugung von Strom nur reduzierte Netzentgelte zahlen. Und unter Pkt. 4.1. habe ich den Vorschlag für ein mögliches Reformmodell gemacht, eine Art Grundgebühr für alle Netzanschlüsse, unabhängig von der Bezugsmenge.

Diese Aussage revidiere ich hiermit, wenn also nach Katherina Reiche Netzentgelte auferlegt werden, dann also für alle Betroffenen oder für keinen, d.h. entweder Netzentgelte für erneuerbare Energieerzeuger ebenso wie für Stromerzeuger aus Kohle und Gas oder keine Entgelte für alle Stromerzeuger.

Wie Reiche die Unsicherheit der Erneuerbaren puscht

Würden die erneuerbaren Energieerzeuger die Netzgebühren „selbst“ zahlen, würden sie diese Kosten natürlich auf ihren Verkaufspreis aufschlagen – und sie wären damit automatisch teurer als fossile Erzeuger, die weiter umsonst ans Netz angeschlossen sind. Ein Wettbewerbsnachteil für grüne Energie.

Wind- und Solarenergie sind mit Abstand die günstigsten Stromerzeugungstechnologien – und sie werden jedes Jahr noch günstiger. Natürlich müssen diese Investitionen finanziert werden. Aber wenn man es geschickt macht, braucht es dafür auch immer weniger Geld.

Katherina Reiche macht aber bewusst das Gegenteil: Indem sie die Unsicherheit gerade für die EE und Bürgerenergie erhöht, steigert sie die Risikoprämien und damit die Kapitalkosten. Damit würde jede Kilowattstunde grüner Strom teurer – auch wenn die Kosten für Solar- und Windenergie gleich bleiben beziehungsweise weiter fallen.

Dieser Angriff auf die Erneuerbaren passt aber zu Katherina Reiche, die ja auch unbedingt den Bau von 40 neuen Gaskraftwerken mit 25 GW Leistung durchsetzen will – gegen die Einschätzung vieler Energieexperten und gegen geltendes EU-Recht.

Wie mit Klimageldern die Fossilen gefördert werden sollen

Diese neuen GKW sollten ursprünglich der Versorgungssicherheit und Netzstabilisierung dienen.
Die Probleme dieser bevorzugten „reinen“ Gaskraftwerke sind dabei:

  • – dass sie eben nicht klimaneutral betrieben werden können (auch nicht mit CCS, also CO₂ Verpressung im Boden, wozu ebenfalls viel Energie erforderlich würde),
  • – entsprechend der aktuellen Diskussion sollen diese GKW auch normal am Strommarkt betrieben werden und würden damit:

a) den Ausbau von benötigten Erneuerbaren Energien durch Subventionen in das Gasnetz verhindern,
b) nicht helfen, Negativpreise zu vermeiden,
c) den mittleren Strompreis (also den tatsächlichen Marktpreis) erhöhen,
d) eine anhaltende Abhängigkeit von Erdgas begründen.
e) diese neuen GKW nur in Strom-Flautezeiten laufen zu lassen, bedeutete, dass sie die meiste Zeit im Jahr aber still stehen und subventioniert werden müssten.

Zudem will die Regierung künftig die Gasspeicherumlage aus ihrem Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanzieren. „Wir schaffen die Gasspeicherumlage ab – 3,4 Milliarden Euro – für alle“, sagt Reiche. Gemeint sind mit „alle“, aber nur die, die noch mit Erdgas heizen.

Für Subventionen von fossilem Gas war aber der Klimafonds nicht vorgesehen. Damit vernachlässige sie die „dringend notwendigen Investitionen in ein zukunftsfähiges und resilientes Energiesystem“, ärgert sich die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae.

Den Koalitionsvertrag völlig ignoriert

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD haben sich die Partner unter Pkt. 1.4 Klima und Energie zur Senkung von Strompreisen und Strom-Netzkosten einiges vorgenommen:

Strompreise: „Es sollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft durch ein Maßnahmenpaket um bis zu 5 Ct/kWh entlastet sowie die Stromsteuer von 2,05 auf 0,1 Ct/kWh gesenkt werden. Es soll ein spezieller Industriestrompreis für Großverbraucher eingeführt werden.“

Netze: „Die Umlagen und Netzentgelte sollen reduziert und die Netzentgelte gedeckelt werden. Der Ausbau und die Modernisierung der Netze wird vorangebracht und synchronisiert, dazu Stärkung der Übertragungs- und Verteilnetze, Vereinfachung des Ausbaus mit Smart Metern für dynamische Stromtarife, die Übertragungsnetze sollen möglichst als Freileitungsnetze ausgebaut werden, die Netzanschlusskosten für bestehende Unternehmensstandorte sollen gesenkt werden, die Direktversorgung der Industrie soll ausgeweitet werden und es soll weiterhin eine einheitliche Stromgebotszone für Deutschland geben.“

Laut Koalitionsvertrag sollte also die Senkung der Stromsteuer erfolgen. Auch auf eine soziale Ausgestaltung der Energiewende legt Reiche offenbar wenig Wert: „Unternehmen und Verbraucher in Deutschland sollen dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde“ entlastet werden, lautete ein zentrales Koa­li­tions­versprechen. Nun erhalten nur Industrie und Landwirtschaft eine Senkung der Stromsteuer. Geringere Netzentgelte? Nicht mehr geplant. „Hier trifft Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit“, stellte Reiche dazu trocken fest.

Reiche will den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft deutlich beschleunigen – dabei aber grünen Wasserstoff nicht länger bevorzugen. Laut einem neuen Gesetzentwurf soll künftig jede Form von Wasserstoff gefördert werden, auch solcher, der mit fossilen Quellen produziert wird. Das wäre ein Rückschritt zur geplanten Klimaneutralität bis 2045 und somit kontraproduktiv.

Diese Entscheidung beeinflusst mehrere Großprojekte für grünen Wasserstoff, deren Umsetzung aus wirtschaftlichen Gründen in den letzten Tagen absagt wurden. Tagesschau vom 20.6.2025: ArcelorMittal stoppt Pläne für „grüne“ Stahlproduktion, 25.6.2025, Lausitzer Rundschau: „Absagen großer Wasserstoffprojekte in Brandenburg und Sachsen“.

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