Die Zeichen mehren sich, dass einige Leipziger Stadtratsfraktionen überhaupt nicht zufrieden sind mit dem, was sich der Landkreis Leipzig, die Stadt Markkleeberg und der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) da ausgedacht haben mit der Streichung der Straßenbahn Linie 9 nach Markkleeberg-West. Im Rahmen der Leipziger ÖPNV-Strategie hält Leipzigs Linksfraktion die Einstellung der Straßenbahn für Mumpitz.

Und noch mehr für Mumpitz, weil der komplette Leipziger Stadtrat dem Drama nur als Zuschauer beiwohnen kann, obwohl der Einsatz der Straßenbahn direkt Leipziger Gebiet betrifft und ein Leipziger Verkehrsunternehmen.  Die Frage steht durchaus im Raum: Wer macht eigentlich Verkehrspolitik in Leipzig?

Auch die Leipziger Linksfraktion hat im Frühjahr erst aus den Medien erfahren, was da abgeht in Markkleeberg. Da berichtete auch die L-IZ über das neue Markkleeberger Verkehrskonzept, das die künftigen Besucherströme aus Leipzig gern auf die S-Bahn konzentrieren möchte, die Linie 9 für verzichtbar hält und die Besucher des Neuseenlandes in Markkleeberg gern zum Umsteigen auf die Buslinien überreden möchte. Ein Programm, das ÖPNV-Nutzern schon beim Lesen Bauchschmerzen macht, denn es bedeutet Umwege und möglicherweise lange Wartezeiten auf Busse, die eben nicht – wie in Leipzig gewohnt – alle 10 Minuten kommen, sondern im Halbstundentakt. Solche Angebote können sich tatsächlich nur Reißbrettplaner ausdenken, die selber nicht mit dem ÖPNV unterwegs sind.

Die Linksfraktion brachte deshalb im Juni einen Antrag ins Verfahren des Stadtrates, um die Stilllegung der Linie 9 ab Connewitz Kreuz zu verhindern und die Linie 9 zumindest bis zum Wildpark bzw. zum Wohngebiet Wolfswinkel weiterfahren zu lassen.

Ein Antrag, auf den die Leipziger Stadtverwaltung keineswegs adäquat reagierte. Man versuchte die Linken auf eine Fortschreibung des Leipziger Nahverkehrsplans irgendwann in den nächsten Jahren zu vertrösten. Als hätte man überhaupt Zeit, über das Thema noch nachzudenken, obwohl im Landkreis Leipzig die Einstellung der Linie 9 für Dezember 2015 vorgesehen ist. Das nennt man für gewöhnlich “vollendete Tatsachen schaffen”. Die jetzigen Nutzer der Linie 9 werden gezwungen, sich andere Wege zu suchen. Und selbst die Bürgerdiskussion in Markkleeberg hat deutlich gemacht, dass auch die Verantwortlichen für den neuen Nahverkehrsplan in Markkleeberg damit rechnen, dass die meisten Straßenbahnnutzer aus Markkleeberg-West nicht auf die S-Bahn oder die Busse der Linien 107 oder 70 umsteigen, sondern wieder mit dem Auto nach Leipzig fahren. Man nimmt die Erhöhung des Kfz-Verkehrs entlang der Koburger Straße in Kauf.

Na gut, das Wort Mumpitz hat Franziska Riekewald, verkehrspolitische Sprecherin der Leipziger Linksfraktion jetzt nicht benutzt. Aber sinngemäß steckt es drin, wenn sie dieses seltsame Vorhaben im Leipziger Süden vergleicht mit den vollmundigen Verlautbarungen der Stadt, den ÖPNV-Anteil bis 2025 auf 25 Prozent hochpuschen zu wollen. Das Dümmste, was man da machen kann, ist die Kappung einer Straßenbahnlinie, stellt Riekewald fest.

“Angesichts der wachsenden Bevölkerungszahlen und des erklärten Ziels der Stadt, den Modal Split weiter zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel zu verschieben, halten wir eine Kürzung der Linie 9 für ein vollkommen falsches Signal”, sagt sie. “Attraktive Ausflugsziele und randstädtische Wohngebiete sollten eher stärker und attraktiver an das ÖPNV-Netz angeschlossen, zumindest auf dem aktuellen Niveau verbleiben, aber auf gar keinen Fall ‘abgehängt’ werden. Für jetzt schon über 550.000 Einwohner muss der öffentliche Nahverkehr erweitert und ausgebaut, nicht eingeschränkt werden.”

Umso peinlicher ist die Eigenbrötelei an der Leipziger Zonengrenze. Die aber nicht mehr überrascht, seit die Kritik am unübersichtlichen Tarif- und Liniensystem innerhalb des MDV-Gebietes nicht mehr abreißt und der Verkehrsverbund, statt – wie erwartet – 2014 erste Lösungsvorschläge vorzulegen, nur ein Gutachten hinbekommt, das auf Dutzenden Seiten nur bestätigt: Nein, so geht es nicht weiter.

Und statt über eine sinnvolle Neuorganisation des ÖPNV im MDV-Gebiet zu diskutieren, zerfetzt man sich über das Thema fahrscheinloser ÖPNV, der selbst nach Aussage des MDV im zersplitterten Tarifgebiet in der Region nicht durchsetzbar ist. Also muss man andere Wege gehen. Geht sie aber nicht, sondern verschiebt die Diskussion in Leipzig erst mal ins Jahr 2017. Gleichzeitig schafft man im Leipziger Süden Tatsachen, die künftig nur noch mit viel Aufwand wieder zu reparieren sind.

“Der jetzt im Raum stehende Einsatz von Bussen ist für uns kein adäquater Ersatz, da schon heute zu Spitzenzeiten nicht alle Kinderwagen, Rollstühle, Rollatoren und Laufräder in der Straßenbahn der Linie 9 Platz finden”, stellt Franziska Riekewald fest. “Diese Situation würde sich bei den kleineren Bussen nur noch erheblich verschärfen. Dass dies auch viele Bürgerinnen und Bürger so sehen, zeigt die laufende Petition des Ökolöwen zum Erhalt der Linie 9, welche bisher immerhin schon über 8.700 Unterschriften sammeln konnte.”

Die vom Ökolöwen gestartete Petition soll übrigens im Herbst in den Stadtrat. Das wäre für die Ratsversammlung eine Chance, in Sachen ÖPNV Farbe zu bekennen.

“Wir halten die Entscheidung, die Linie 9 zu verkürzen, für einen unzulässigen Vorgriff auf die längst überfällige Fortschreibung des Nahverkehrsplanes”, sagt Riekewald. Die Fraktion der Linken habe deshalb jetzt den Standpunkt der Verwaltung zu ihrem Antrag eingefordert und werde auf eine Befassung des Stadtrates mit dem Thema „Linie 9“ im September drängen.

Über den Standpunkt haben wir ja berichtet. Wenn die Verwaltung das Thema “Linie 9” tatsächlich im Rahmen des Nahverkehrsplans klären will, verbietet sich eine Einstellung der Linie eigentlich – bis man eine mehrheitsfähige Lösung für Leipzig gefunden hat. Möglicherweise kann die Linie 9 bis dahin bis zur Wendeschleife in Markkleeberg-Mitte fahren. Und Markkleeberg wäre vielleicht gar nicht schlecht beraten, am Forsthaus Raschwitz eine Mobilitätsstation nach Leipziger Vorbild einzurichten.

Der Antrag der Linksfraktion.

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