Seit dieser Woche liegt der gemeinsame Antrag von SPD- und Linksfraktion im Leipziger Stadtrat vor, für Leipzig die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets zu prüfen. Mögliche Zieljahre der Einführung wären 2021, 2024 und 2027. Und der Fahrgastverband Pro Bahn unterstützt die Forderung nach der schnellen Einführung eines solchen preiswerten LVB-Abos.

Und da die Vorlage in der Maisitzung auf der Tagesordnung des Stadtrats stehen sollte, fordert Pro Bahn den Stadtrat jetzt schon einmal auf, für die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets zu stimmen. Denn eins hat sich spätestens nach Einführung dieses Modells 2012 in Wien gezeigt: Der attraktive Preis bestimmt sehr wohl, ob Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen. Selbst Städte im Westen der Bundesrepublik, in denen aufgrund der hohen Stickoxidbelastung durch den motorisierten Verkehr nun Fahrverbote drohen, legten für mögliche Förderungen durch das Bundesverkehrsministerium sofort Pläne auf den Tisch, den ÖPNV sogar kostenfrei zu machen.

Das Bewusstsein dafür, dass die Bezahlbarkeit über die Nutzung von Bus und Bahn entscheidet, ist also da. Trotzdem ist es verblüffend, wie betoniert die Diskussion darum in der Vergangenheit war und wie beharrlich auch Leipzigs OBM Burkhard Jung immer wieder erklärte, dass saftige Fahrpreisanstiege jedes Jahr unumgänglich seien. Oder fiel gar das berühmt-berüchtigte Wort „alternativlos“?

„Tarife spielen für die Benutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) eine große emotionale Rolle. Das 365-Euro-Jahresticket ist für das Funktionieren einer dicht bebauten Stadt ein wichtiges Mittel, allen Menschen Mobilität zu verschaffen. Der Marktanteil des ÖPNV muss durch Neukundengewinnung gesteigert werden, so wie das in dem Stadtratsbeschluss zum nachhaltigen Verkehrsszenario fixiert wurde“, kommentiert Carsten Schulze-Griesbach, Sprecher des Landesverbandes Mitteldeutschland von Pro Bahn, den jetzt fälligen Spurwechsel.

„Neben besseren Angeboten (u. a. mehr Linien, mehr Haltestellen, kürzere Wege) gehört dieser günstige Tarif zu den Lösungsansätzen, die gemäß dem beschlossenen Nachhaltigkeitsszenario umzusetzen sind. Der ÖPNV-Preis wird auf nur noch einen Euro am Tag reduziert, im Gegenzug bindet sich jeder Käufer wie bei einer Flatrate für ein Jahr. Das ist die wichtige Symbolkraft, um vom vermeintlich billigen PKW umzusteigen.“

Und nicht erst im Nachhaltigkeitsszenario steht das Ziel, den Anteil des ÖPNV in der Verkehrsmittelwahl der Leipziger bis 2025 auf 23 Prozent zu steigern. Das Ziel steht auch in mehreren Stadtratsbeschlüssen seit 2012, anfangs waren sogar 25 Prozent als Ziel gesetzt. Dazu gehört nun einmal neben der spürbaren Erhöhung der Transportkapazitäten auch ein Preis für die Benutzung des ÖPNV-Systems, den sich alle Leipziger leisten können, auch diejenigen, die heute mit der keineswegs mehr billigen Leipzigpass Mobilcard unterwegs sind.

„Die Jahreskarte, deren Preis sich mit der Einführung des 365-Euro-Tickets halbieren würde, wird momentan nur von einem geringen Teil der ca. 80.000 Abonnenten (ohne Schüler/Studenten) genutzt. Insofern sind größere Einnahmeausfälle nicht zu erwarten. Erfahrungsgemäß ist grundsätzlich von einer langfristigen Verschiebung der Nutzerzahlen auszugehen. Geringere Einnahmen durch das günstigere Ticket werden mit einem Zuwachs an neuen Fahrgästen ausgeglichen werden können“, betont Carsten Schulze-Griesbach.

Er ist sich aber auch sicher: „Für eine Einführung ab 2021 reichen die Kapazitäten des ÖPNV aus! Es sind einige zentrumsnahe Abschnitte der Straßenbahnen und einige S-Bahnfahrten im Berufsverkehr besonders gut gefüllt. Die übrige Zeit und in den äußeren Bereichen der Stadt steht freier Platz in Bussen und Bahnen zur Verfügung. Ein gewollter und absehbarer Erfolg des 365-Euro-Tickets tritt ja nicht über Nacht ein. Stetig, wie beim Vorbild Wien, wird die Nachfrage ansteigen. Genauso stetig können die nötigen Angebotsverbesserungen erfolgen.“

Mit der kleinen Einschränkung: Wien hat die Angebotserweiterungen Jahre vor Einführung des 365-Euro-Jahrestickets begonnen. Gerade Umbauten am City-Ring oder tatsächlich neue Gleisverbindungen brauchen Jahre Vorlauf.

Der Leipziger Umweltverband „Ökolöwe“ hat eine Petition für die Einführung des 365-Euro- Tickets eingerichtet. Pro Bahn wirbt für die Mitzeichnung, „damit dem Stadtrat schon jetzt deutlich gemacht wird, wie wichtig den Bürgern dieses Anliegen ist.“ Und deshalb plädiert der Fahrgastverband sogar für eine zügige Einführung gleich im Jahr 2021.

Leipziger Zeitung: Wo ein Wille ist … zwei Wahlen stehen vor der Tür

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