Irgendwie klang die Argumentation des Planungsdezernats derart überzeugend, dass die meisten Stadträt/-innen dann doch lieber in der Ratsversammlung vom 24. Februar den Antrag der Linksfraktion ablehnten, ein Teilstück der Beethovenstraße einzuziehen und abzupollern. Aber gerade das würde die Beethovenstraße erst zu einer richtigen Fahrradstraße machen, kritisiert jetzt der Ökolöwe.

„Die Beethovenstraße ist seit Juni 2019 eine Fahrradstraße mit Zusatz ,Anlieger frei‘. Vor Albertina und GWZ gilt nun Tempo 30 statt wie bisher Tempo 20. Das wäre unproblematisch, jedoch gibt es noch immer einen hohen Kfz-Durchgangsverkehr in der Beethovenstraße. Folgt man den Empfehlungen zur Einrichtung von Fahrradstraßen, so wird explizit darauf verwiesen, dass Maßnahmen zur Verhinderung von Durchgangsverkehr zwingend sind, wenn eine Fahrradstraße gut funktionieren soll.Da es vor Albertina und GWZ einen sehr hohen Querungsbedarf durch Student/-innen gibt, bietet es sich an, diesen Bereich für den Kfz-Verkehr zu entwidmen. Somit wäre die Erhöhung der Verkehrssicherheit für den Fußverkehr gegeben, außerdem würde sich die Aufenthaltsqualität vor der Albertina erhöhen“, hatte die Linksfraktion ihren Antrag begründet. Aber sie unterlag trotzdem knapp mit 30 zu 34 Stimmen.

Eine leichte Mehrheit im Stadtrat kann sich einfach noch nicht vorstellen, dass Leipzigs auch weiter funktionieren würde, wenn man einzelne Straßen dem Kfz-Verkehr komplett entziehen würde.

„Ein Totalverbot des Kfz-Verkehrs in der Beethovenstraße vor dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum (GWZ) würde zu weiteren Umwegen für den Anliegerverkehr des Gebietes führen und weitere Mehrbelastungen, insbesondere für die Mozart- und Harkortstraße, bedeuten, da die beiden Parkhäuser (Zufahrt Wächterstraße und Zufahrt Beethovenstraße) dann ausschließlich aus östlicher Richtung über den Knoten Harkortstraße/Beethovenstraße/Str. d. 17. Juni angefahren und verlassen werden könnten. Dies ist jedoch weder gewollt noch zielführend. Studenten des GWZ ist es zumutbar, in dem Bereich eine Straße mit Anliegerverkehr zu queren“, hatte das Verkehrs- und Tiefbauamt argumentiert.

Aus Sicht des Ökolöwen war die Entscheidung eine verpasste Chance, aus der 2019 deklarierten Fahrradstraße wirklich eine solche zu machen, die zeigt, was möglich ist, wenn man Radfahrer/-innen wirklich mal die Straßenhoheit einräumt.

Und so fordert der Ökolöwe jetzt: „Als nächster Schritt muss ein Abschnitt der Beethovenstraße komplett für den Autoverkehr gesperrt werden. Auf Höhe der Albertina müssen sogenannte Modale Filter, umgangssprachlich auch Poller genannt, aufgestellt werden. Diese verhindern sehr wirksam den Auto-Durchgangsverkehr und haben damit den gleichen Effekt wie eine Diagonalsperre. Damit sorgen sie dafür, dass sich Radfahrer/-innen sicherer und entspannter durchs Musikviertel bewegen können“, weicht der Ökolöwe ziemlich deutlich von der Haltung des Leipziger Verkehrsdezernats ab, das sich in seiner Stellungnahme unübersehbar nur dafür interessiert hat, dass Autofahrer weiter ungehindert fahren können.

Und der Ökolöwe weist auch darauf hin, dass die Leipziger Umwelt- und Radfahrerverbände in der jüngeren Vergangenheit nie wirklich gefragt wurden, wenn es um die Umgestaltung des Leipziger Verkehrsraumes ging. Denn auch Fahrradstraßen können anders aussehen, betont der Ökolöwe: „Der Lieferverkehr kann weiterhin alle Gebäude problemlos andienen. Eine solche Lösung hatten wir Ökolöwen bereits vor der Einrichtung der Fahrradstraße empfohlen. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen hatten dies entsprechend im Jahr 2018 beantragt. Die Stadtverwaltung will das jedoch nicht umsetzen.“

Nun aber scheiterte der zweite Anlauf für eine echte Fahrradstraße vor der Albertina. Mit dem in der Februarsitzung des Stadtrats abgelehnten Antrag der Linksfraktion wäre der Bereich direkt vor der Albertina ausschließlich für Radfahrer/-innen und Fußgänger/-innen nutzbar gewesen.

„Eine sehr gute Lösung!“, stellt der Ökolöwe fest. „Doch der Stadtrat hat den Antrag knapp mit 30 Ja zu 34 Nein-Stimmen abgelehnt. Damit bleibt der Auto-Durchgangsverkehr vorerst weiter auf der Fahrradstraße. Teile des Rates sind leider immer noch nicht bereit für die Verkehrswende.“

Vielleicht ist es aber auch so, dass 30 Jahre Priorisierung des Automobils für viele gewählte Stadträt/-innen einfach nicht vorstellbar machen, dass der Verkehr trotzdem rollt, wenn einzelne Straßen tatsächlich für die umweltfreundlichen Verkehrsarten reserviert werden. Denn wenn sich dieses Denken nicht auflöst, wird Leipzig nie ein wirklich belastbares Radnetz bekommen, in dem Radfahrende wirklich ungefährdet und selbstverständlich unterwegs sein können.

Das Statement des Ökolöwen: „Leipzig braucht echte Fahrradstraßen ohne Autos!“

Bislang fehlt – im zuständigen Amt erst recht – der nötige Mut für einen so logischen Schritt.

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Es gibt 6 Kommentare

Wie haben denn die Fraktionen jeweils abgestimmt? Was haben die SPD und die Freibeuter gemacht?

Hallo Stefan,

> Aber wieso eigentlich versuchen Sie, die Erfahrungen kleinzureden[…]
Das war nicht der Sinn meines Kommentars, denn Erfahrungen hat ja nun mal jeder für sich. Und damit gelten sie auch. Allerdings nur für jeden*innen selbst, nicht als allgemeingültige Wahrheit.

Ich möchte mit meinen Kommentaren einfach auch ein anderes Signal senden, als es in den mitunter sehr gefärbten Artikeln und Kommentaren zu sehen ist. Ein Signal, was sich darüber wundert, dass in die Funktion von Brücken wie der Berliner Brücke oder der zukünftigen Böhlitz-Leutzscher Brücke eine schöne Aufenthaltsqualität hineininterpretiert wird. Oder dass eine Rhetorik des Ökolöwen mitunter eskaliert. Oder dass niemand erwähnt, wie nervig abgestellte Lastenräder direkt vorm Konsum sind, denn Radfahrer sind erst mal nicht per se bessere Menschen, die immer mitdenken und verfügbare Allgemeinfläche sozialer nutzen als Autofahrer, die gedankenlos parken. Sie sind Menschen mit ihren eigenen Zielen und Vorstellungen, die es auch bequem haben wollen.
Ich wundere mich über so manches, und als Fußgänger habe ich es tatsächlich auch mit viel nachdenken fast nie mit Problemen mit Autos zu tun. Erst recht nicht im Musikviertel. Und mir ist wichtig, dass bei aller Progressivität das Gemäßigte nicht zu kurz kommt.

P.S.: Die Pflasterfläche vor der Albertina finde ich eine gute Idee. Und wie gesagt, wenn das Ziel tatsächlich der Schutz der herumtapernden Leute vor der Albertina ist, und ihnen tatsächlich in heutigen Zeiten nicht mehr zugemutet werden kann, dass sie nach rechts und links schauen vor dem Überqueren der Straße, dann wäre ich für Blumenkübel quer auf der Straße, um auch der Rennradfraktion etwas die Geschwindigkeit zu nehmen. Und wenn es nicht zentral um den Schutz der Leute dort geht, dann braucht man auch nichts ändern aus meiner Sicht.

Lieber Sebastian, gegenüber 2010 hat es sich ja gebessert, als endlich dann doch mal (2015?) just auf der “Furt” zwischen GWZ und Albertina ein anderes Pflaster angelegt wurde (so ähnlich wie auf der Kreuzung Brühl/Nikolaistraße).

Aber wieso eigentlich versuchen Sie, die Erfahrungen kleinzureden, die nun im Stadtrat vorgetragen werden und also mutmaßlich nicht nur bloß von einzelnen frustrierten Fußgängern wie mir gemacht wurden?

Als Beobachtungsposten empfehle ich übrigens die Freitreppe der Albertina – im Frühling. Da kann man sehr schön sehen, was da brettert.

Setzt euch mal ins Viet Village, die Kneipe Ecke Grassistraße / Beethovenstraße. Da kann man schön beobachten, dass da kein Autofahrer “brettert”. Mit “kein” meine ich natürlich nicht die komplett abschließende Menge. Aber die absolut überwiegende Mehrheit.
Was da brettert sind Radfahrer, denen die rechts-vor-links-Regeln im Musikviertel ein Dorn im Auge sind. Auch das natürlich nicht die abschließend komplette Menge, viele schauen auch ob noch jemand anderes außer ihnen selbst über die Kreuzung möchte.
Autos können dort sinnvollerweise aufgrund der Unübersichtlichkeit gar nicht schneller als die 20, 30 km/h fahren, die dort erlaubt sind.

Ob dort wirklich Autos durchmüssen kann man ja diskutieren. Wenn man Politik und Meinung besprechen möchte.
Aber das Problem für die Verkehrssicherheit dort sind nicht Autos im 2. Gang, oder Radler mit Vollspeed, sondern unachtsame, verpeilte Menschen, die mit ihren Smartphones oder wahlweise Kaffeebechern in der Hand über die Straße gehen. Oder einfach ihr Rad rückwärts aus dem Bügelbereich zerren ohne zu gucken, wem sie damit gerade die Straße zu machen. Für kleinere Kinder hätte man früher vor die Schule einfach Querungshindernisse und Schilder hingestellt und gut…

Wenn das Ziel ist, dieses wirklich Klientel zu schützen, damit Darwin nicht dort auch noch zuschlägt, dann wäre ich tatsächlich für eine Straßengestaltung zwischen der Kreuzung Grassistraße/Beethovenstraße und der nächsten Kreuzung am Parkhaus vom Gericht, die auch Radfahrer zum Absteigen bringt. Die Beethoventraße ist inzwischen wie die Karli zur Rennpiste für einige Leute geworden; und meiner Beobachtung nach nicht für die vierrädrig Mobilisierten. Viel zu eng dort qua Wohngebiet.

Die Querung zwischen Albertina und GWZ war schon mal Thema, so um 2010 herum. Die Autofahrer bretterten damals rücksichtslos durch.

Das Verkehrsamt ließ sich auch dann nicht davon erweichen, dass sich 7 Hochschuldirektoren – nämlich von Albertina, von der Uni Leipzig, von der HGB, von der HMT,…ich kriege die 7 gar nicht mehr zusammen – sich für eine Verkehrsberuhigung eingesetzt haben.

Für das Verkehrsamt sind Autofahrer wichtiger als Studenten. Oder einer von den Amtsleitern wohnt in der Mozartstraße, wo dann nämlich der Verkehr lang “müsste” (…statt einfach vermieden zu werden, Stichwort: Superblocks).

Das VTA hat in den letzten 20 Jahren echt schon einiges verbockt. Das ist nicht mehr lustig.

Das ist schwach: Autofahren soll weiter bequem bleiben – ohne Umwege. Studierende des GWZ ist es aber zumutbar, in dem Bereich eine Straße mit Anliegerverkehr zu queren. Kurzfristige Mehrbelastungen angrenzender Straßen sollen damit vermieden werden. Vielleicht sind Mehrbelastungen auch in den Griff zu bekommen, indem Rad- und Fußverkehr in Leipzig einfach attraktiver und sicherer werden? Dazu braucht es eben genau jene beruhigten Verkehrsbereiche, die DIE LINKE beispielhaft in ihrem Antrag fordert. Dazu müssten natürlich einige ihre Komfortzone Autositz verlassen – wohl unmöglich.

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