Man kann es immer wieder erklären, dass die von INRIX verbreiteten Rankings zum Stau in deutschen Städten nichts mit realen Staus zu tun haben. Wenn die vergesslichen Kollegen etwa beim MDR die INRIX-Meldungen dann trotzdem einfach übernehmen, gibt es den üblichen Zuspielkreisel, fragt also die Leipziger CDU-Fraktion wieder die Stadtverwaltung, warum das Staugeschehen in Leipzig so wächst. Sie bekommt aber auch eine Antwort.

Und zwar eine deutliche, die sich die Fraktion vielleicht ja einmal in ihr Fraktionszimmer hängen kann, damit die Diskussion nicht immer wieder von vorn beginnt.

„Laut Global Traffic Scorecard 2022, der Untersuchung des Verkehrsanalyseanbieters INRIX, belegt die Stadt Leipzig den 6. Rang im Ranking der staureichsten Städte Deutschlands. Im Vergleich zur letzten Erhebung 2021 ist die durchschnittliche Stauzeit um 6 Minuten auf 46 angestiegen“, hatte die CDU-Fraktion den Meldungsinhalt von INRIX kommentiert und gefragt, was die Verwaltung dagegen eigentlich tun wolle? Und was werde nun mit den Planungen zur Prager Straße?

Die Antwort des Verkehrsdezernats zur CDU-Anfrage.

Dezernat: INRIX-Zahlen liefern keine belastbaren Staudaten

Aber die INRIX-Zahlen sind nun einmal keine belastbaren Stauzahlen, stellt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau in seiner Antwort noch einmal deutlich fest.

„Die Daten der Global Traffic Scorecard 2022 des Daten- und Software-Anbieters INRIX werden kritisch bewertet. Sie lassen keine qualifizierten Aussagen und Rückschlüsse für die Verkehrsplanung vor Ort zu“, konstatiert das Dezernat.

„Die gewählte Methodik zielt darauf ab, möglichst viele Städte zu vergleichen. Mit Blick auf die Webseite des Unternehmens wird aufgezeigt, dass über 1.000 Städte aus 50 Ländern auf allen Kontinenten verglichen werden. Die Stadt Leipzig als sechstgrößte Stadt Deutschlands und wichtigstem Wirtschaftsstandort Ostdeutschlands schneidet in diesem Internationalen Städteranking und in Bezug auf vergleichbare Städte Europas (Lyon, Manchester, Posen, Rotterdam) gut ab.“

Zur Bewertung der Mobilitätsstrategie ungeeignet

Aber: „Zur Bewertung der Mobilitätsstrategie ist die Analyse jedoch ungeeignet. Die grundlegende Vorgehensweise des Anbieters ist, Fahrzeiten in der täglichen Rushhour mit denen bei freier Fahrt, wie durch die Nacht, auf ausgewählten Fahrtrelationen zu vergleichen. Lokale Besonderheiten, wie u.a. zeitgesteuerte Ampelschaltungen oder temporäre Geschwindigkeitsreduzierungen u.a. vor Schulen und Kitas in der Stadt, werden in diesem Massenverfahren mit großer Wahrscheinlichkeit nicht abgebildet.

Bereits geringe Verlustzeiten als Stau zu definieren, lässt zudem nur begrenzt Rückschlüsse auf das tatsächliche Staugeschehen in der Stadt zu. Der so definierte ‚Stau‘ bedeutet damit nicht in jedem Fall, dass Autofahrer tatsächlich in den Straßen feststecken, sondern vielmehr, dass sie zu Stoßzeiten langsamer fahren müssen.“

Und das ist noch wohlwollend formuliert, denn, so das Dezernat: „Die konkrete Datengrundlage und deren Verarbeitung sind der Stadtverwaltung darüber hinaus nicht bekannt und können nicht geprüft und tatsächlich bewertet werden. Der Global Traffic Scorecard lässt damit weder belastbare Rückschlüsse auf das Staugeschehen der Stadt noch auf ein gestiegenes MIV-Aufkommen zu. An vielen Stellen der Stadt zeigt sich vielmehr ein Rückgang der MIV-Belastung und das trotz steigender Bevölkerungszahlen. Exemplarisch stehen hierfür die Dauerzählstellen am Willy-Brandt-Platz und an der B2 Höhe Raschwitzer Straße.“

Zahlen zu den Dauerzählstellen Willy-Brandt-Platz und B2 (Raschwitzer Straße). Grafik: Stadt Leipzig
Die Zahlen zu den Dauerzählstellen Willy-Brandt-Platz und B2 (Raschwitzer Straße). Grafik: Stadt Leipzig

Was wirklich Stau ist, das wertet der ADAC regelmäßig aus und hat das auch mit seiner „Staubilanz 2022“ am 2. Februar wieder getan.

Drei Fragen blieben gleich mal unbeantwortet

Weil sich alle Fragen der CDU-Fraktion auf die so sichtlich nicht brauchbare INRIX-Statistik beziehen, ist das Dezernat Stadtentwicklung und Bau auf die letzten drei Fragen gar nicht erst ausführlicher eingegangen. Die lauteten:

„Welche Stauschwerpunkte macht die Stadtverwaltung konkret aus? Welche Ursachen liegen in den einzelnen Fällen aus Sicht der Verwaltung vor?

Welche Auswirkungen erwartet die Stadtverwaltung hinsichtlich des CO₂-Ausstoßes? Wie gedenkt sie, diese zu kompensieren?

Wann gedenkt die Stadtverwaltung mit Maßnahmen wie der Einspurigkeit in der Prager Straße, am Innenstadtring und in der Berliner Straße die Stadt München von Platz 1 der Staustatistik verdrängt zu haben?“

Die Antwort steckt trotzdem in einem Satz: „Zur Bewertung der Mobilitätsstrategie ist die Analyse jedoch ungeeignet.“

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