Die Forderung von CDU und SPD in Hessen nach Änderung des PsychKG, mit der Meldung bei Entlassung von psychisch erkrankten Menschen, welche aufgrund einer Fremdgefährdung in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren, an die Polizei- und Ordnungsbehörden: Dies wurde schon kritisiert.
Hier muss auch erwähnt werden, dass die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) ebenfalls eine: „vertiefte und ressortübergreifende Kooperation zur Verbesserung des Informationsaustausches mit den Sicherheitsbehörden über gefährdete Menschen mit psychischen Erkrankungen unter bestimmten Bedingungen“ unterstützt. So berichtet das Deutsche Ärzteblatt.
Wichtig erscheinen dabei zwei Aussagen:
1. „Es soll nach Aussage der Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) eine gemeinsame und bundeseinheitliche ‚Plattform‘ geben, auf der Daten hinterlegt sind.“
2. „Hintergrund sind die inzwischen gehäuften Fälle von Taten psychisch kranker Menschen, zuletzt in Hamburg. Die Ländergesundheitsminister fordern außerdem, dass sie frühzeitig in die ‚bundespolitischen Diskussionen zur Erkennung entsprechender Risikopotentiale bei Personen mit psychischen Auffälligkeiten‘ einbezogen werden.“
Abgesehen davon, dass Frau Schlotzhauer mit der Verwendung des Begriffs „Plattform“ elegant das Linnemannsche Register umschifft, machen wir hier einen Cut und beschäftigen uns mit dem Thema „Schutz der öffentlichen Sicherheit“, dem das Ganze ja dienen soll.
Schutz der öffentlichen Sicherheit
Der Begriff ist definiert als: „Schutz der Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, Schutz der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen und Schutz des Bestandes des Staates und sonstiger Träger öffentlicher Gewalt, ihrer Einrichtungen und Veranstaltungen“, dabei wollen wir es belassen, das genügt für juristische Laien wie den Autor.
Die GMK begründet die angedachten Maßnahmen, wie oben zu lesen, mit „gehäuften Fälle von Taten psychisch kranker Menschen“, was zutrifft, wenn man hier das Beispiel Hamburg aufruft. Ein Großteil von Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit, mit der Ursache psychische Erkrankungen, wird dagegen nicht einmal statistisch erfasst. Das hat auch seinen Grund.
Öffentliche Sicherheit im Straßenverkehr
Vielleicht haben Sie schon einmal Meldungen gelesen wie: „Gas- und Bremspedal verwechselt – Seniorin prallt in Balingen gegen Mauer“ oder „Falschfahrer irrt 20 Kilometer über A4“, hier war der Fahrer 81 Jahre alt, und haben sich gefragt: Waren die Autofahrenden überhaupt noch fahrtauglich? Es gibt auch ähnliche Unfälle, verursacht von Seniorinnen und Senioren, die nicht so glimpflich ausgingen.
Interessant ist dabei, dass in den Unfallstatistiken nicht erfasst wird, ob beispielsweise Demenz oder eine andere Erkrankung eine Unfallursache war. Bei Alkohol am Steuer gibt es diese Auswertung.
Es kommt aber noch schlimmer.
Vergleicht man die Literatur dazu, stellt man fest, dass das Problem bekannt ist. In „Recht Konkret“ beim Psychiatrie Verlag wird 2020 dazu ausgeführt: „Verschiedene psychische Erkrankungen können dazu führen, dass die Fähigkeit, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen, eingeschränkt wird. Diese sind beispielsweise Demenzen, schizophrene Störungen und affektive Störungen wie schwere Depressionen und Manien.“
Allerdings besteht in Deutschland keine Meldepflicht für Erkrankungen, welche die Fahrtüchtigkeit einschränken können. Ärztinnen und Ärzte können zwar ein „Ärztliches Fahrverbot gemäß Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)“, mit einem ärztlichen Gutachten, in besonderen Fällen einem medizinisch-psychologischen Gutachten, aussprechen.
Das geschieht aber erst auf Anweisung der Fahrerlaubnisbehörde: „Liegen medizinische Einschränkungen vor und wird ein Fahrzeugführer dadurch verhaltensauffällig, kann laut der Fahrerlaubnis-Verordnung (Anlage 4 FeV) eine ärztliche Untersuchung angeordnet werden. Dies geschieht meist dann, wenn durch das Verhalten des Autofahrers die Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr gefährdet ist.“
Ansonsten gilt hier das Prinzip der Eigenverantwortung, auch bei an Demenz erkrankten und nicht mehr einsichtsfähigen Menschen. Sogar das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) bestätigt das, wenn auch indirekt, in seinem Wegweiser Demenz, unter Autofahren und Demenz:
„Auch beim Autofahren haben Angehörige und rechtliche Betreuerinnen und Betreuer hier eine bestimmte Fürsorgepflicht. Sie müssen oft die Entscheidung des Verzichts auf das Autofahren übernehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Zu lange warten sollten sie nicht, denn nicht nur die Sicherheit des Menschen mit Demenz steht auf dem Spiel, sondern auch die von anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Hat das Autofahren für die Betroffenen einen hohen Stellenwert, können kleine Notlügen wie ‚das Auto ist kaputt‘, oder ‚der Schlüssel ist verloren gegangen‘ helfen.“
Die Verantwortung wird also auf die rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer, meist die Angehörigen, abgewälzt, weil rechtliche Grundlagen fehlen.
Besonders perfide trifft es Ärztinnen und Ärzte: Diese dürfen zwar unter bestimmten Bedingungen die Schweigepflicht brechen und die Straßenverkehrsbehörde informieren, allerdings unter „Güterabwägung“. Damit werden hohe Ansprüche an die Ärztinnen und Ärzte gestellt, so einfach wie bei den einführend genannten Forderungen ist das nicht.
Fassen wir zusammen:
Psychisch erkrankte Menschen, die wegen Fremdgefährdung in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht sind, sollen bei der Entlassung, sofern die Möglichkeit einer weiteren Fremdgefährdung gesehen wird, gemeldet und registriert werden. Das soll ins PsychKG in Hessen aufgenommen werden. Das bedeutet die Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht per Gesetz.
Die GMK stimmt dem zu, allerdings spricht Frau Schlotzhauer nicht von einem Register, sondern von einer Plattform.
Im Straßenverkehr werden psychische und andere Erkrankungen nicht einmal als Unfallursachen erfasst und die Hürden für die Feststellung einer Fahruntauglichkeit und somit den Entzug des Führerscheins sind hoch. Das ließe sich ändern, mit einer verpflichtenden Fahrtauglichkeitsuntersuchung, beispielsweise ab 65 Jahren. Davon will der Bundesverkehrsminister nichts wissen, der Autor befürwortet eine solche Prüfung, obwohl er davon betroffen wäre.
Im Autoland Deutschland verwundert es nicht, dass verschiedenen Maßstäbe angesetzt werden, denn: Die Würde des Führerscheins ist unantastbar.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:











Keine Kommentare bisher